raywilson 20yearsandmoreObwohl RAY WILSON inzwischen seit über 20 Jahren als Profimusiker aktiv und vor allem unterwegs ist, der Kerl spielt gerade hierzulande wirklich in jedem gottverlassenen Kaff, trägt er nach wie vor den Makel mit sich rum, der Ex von allem zu sein. Er war kurze Zeit Sänger beim schottischen One-Hit-Wonder STILTSKIN, deren Nummer-Eins Single „Inside" jedem geläufig sein sollte, deren Debütalbum „The Mind's Eye" rückblickend betrachtet aber nur ein zahnloses Alternative Rock Album ist, herausgekommen zu einer Zeit als der Grunge/Alternative Boom schon wieder abebbte. Im Zuge dieses Erfolges wurde er von Tony Banks und Mike Rutherford als Nachfolger von Phil Collins bei GENESIS „angestellt", auf dem einzigen Album „Calling All Stations" (bei dem übrigens auch der ehemalige SPOCK'S BEARD Drummer/Sänger Nick D' Virgilio mitgewirkt hatte, kleine Randnotiz) machte er seine Sache eigentlich auch ganz gut, aber GENESIS waren zu dieser Zeit ohne Phil Collins nicht vorstellbar und dieses Kapitel war kurze Zeit später auch schon wieder beendet.

Folglich ist RAY WILSON seit 1999 als Solokünstler unterwegs, veröffentlicht regelmäßig Platten, die nur einen ganz kleinen Kreis an Musikbegeisterten interessieren und tourt mit unterschiedlichen Besetzungen um die Welt, und verweist immer wieder auf die beiden Bands, bei denen er früher als Sänger (ohne größeren kreativen Input) beteiligt war (STILTSKIN/GENESIS), so auch auf dieser Werkschau „Genesis vs. Stiltskin – 20 Years And More".

Der Schotte, der seit gefühlt 20 Jahren die gleiche Frisur und den gleichen Bart trägt, ist also bis zum einem gewissen Maße selbst daran Schuld, dass er den eingangs erwähnten Makel sein eigen nennt, auf der anderen Seite muss man diesen auch als Vorurteil ansehen, denn die von RAY WILSON selber komponierten Songs, von denen hier zum Glück einige enthalten sind, brauchen sich nicht hinter den bekannten Hits zu verstecken.

Auf das Songmaterial, das er und seine Band präsentieren, passt eine Aussage, die er auf der ebenfalls vor kurzem veröffentlichten Live-CD „Up Close And Personal" tätigt, perfekt. Dort sagt Wilson sinngemäß, dass er entweder melancholische Songs schreibt oder solche mit einem sarkastischen Unterton.
Und abgesehen von den enthaltenen Nummern von GENESIS/STILTSKIN kann man seine Solosongs tatsächlich in beide Kategorien einteilen, wobei die zurückhaltenden, nachdenklichen Nummern klar die Überhand haben.

Zugegebenermaßen kannte ich bis dato keines der diversen Alben, die er seit 1999 veröffentlicht hat, aber viele der mir unbekannten Songs sind einfach fantastisch! „Another Day", „Show Me The Way", „Lemon Yellow Sun", „The Actor", „Change", „Tale From A Small Town", „Wait For Better Days", allesamt herausragend gut komponierte Songs zwischen Rock und Pop mit überwiegend nachdenklichen Lyrics, von denen man gar nicht genug bekommen kann und die man sich immer und immer wieder anhören kann. Mir ist in letzter Zeit kein Livealbum untergekommen, das so viel Hörspaß verbreitet und so kurzweilig ist wie „20 Years And More".

Dazu tragen natürlich auch die diversen GENESIS Songs bei, die er nahe an den Originalen performt, die durch die Hinzunahme des „String-Quartetts" aber einen eigenen Charme entwickeln. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf die Songs von „Calling All Stations" („Congo" sowie das Titelstück, vermisst wird „Shipwrecked"), sondern zitiert auch einige Klassiker aus den unterschiedlichen Phasen von GENESIS („Carpet Crawlers", „Ripples" aus den Siebzigern), („That's All", „Mama" aus den Achtzigern) und „No Son Of Mine" aus den Neunzigern).

Das mag berechenbar sein, macht aber wirklich Spaß, weil RAY WILSON ohne jeden Zweifel ein klasse Typ und guter Sänger ist. Bei der Veröffentlichung eines Solokünstlers muss man natürlich ein besonderes Augenmerk darauf werfen, wie sich dieser präsentiert. RAY WILSON gibt sich bei diesem zweistündigen Konzert in überschaubarer Atmosphäre eines polnischen Studios symphatisch und souverän. Er singt alle Songs mit der nötigen Leidenschaft, die den Unterschied macht und beweist, dass er auch als Entertainer Qualitäten hat. Seine ironischen Ansagen zwischen den Songs sorgen jedenfalls dafür, dass dieser Mitschnitt mehr ist als eine Aneinanderreihung von Stücken.

Unterstützt wird er dabei von seiner Stammformation Ali Ferguson (Gitarre), Lawrie Macmillan (Bass), der seinen großen Auftritt beim Intro zu „Inside" hat, seinem Bruder Steve Wilson (Gitarre) sowie Ashley Macmillan (Shlagzeug). Dazu gesellen sich sechs polnische Musiker/-innen (Piano, Saxofon, Cello, Violine, Querflöte), die einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran haben, dass dieser Livemitschnitt so warm und so authentisch klingt.

„Genesis vs. Stiltskin – 20 Years And More" erscheint als Box bestehend aus zwei CDs und einer DVD, man kann sich das zweistündige Konzert also anhören und anschauen. Die DVD gibt dabei einen guten Einblick von der sehr unaufgeregten, fast schon intimen, Performance, die Musik funktioniert aber ohne Bilder mindestens genauso gut. Ich muss sagen ich bin vom Gesamtpaket „20 Years And More" restlos begeistert und das kommt wirklich nur selten vor. (Maik)


Bewertung: 9 / 10

Anzahl der Songs: 21
Spielzeit: 121:00 min
Label: Jaggy D/Soulfood
Veröffentlichungstermin: 04.04.2014

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