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Wer den reinen Musikgenuss bevorzugt, der kommt um das Sweden Rock nicht herum, denn hier findet die Party vor der Bühne statt und weniger auf den Campingplätzen. Das fängt beim Billing an, welches alljährlich nur so vor großen Namen strotzt, stilistisch sehr weit aufgestellt ist, und gipfelt vor allem in den großzügigen Spielzeiten. Hier bekommt man von seinen Bands wirklich das volle Programm geboten. Alleine das Beispiel MAGNUM zeigt, dass hier die Sets teilweise sogar länger sind als bei den regulären Tourshows. Hier werden keine Festivalshows geboten, die teils weniger als eine Stunde dauern, in denen nur die ohnehin abgedroschenen Standards präsentiert werden, sondern auch mal etwas ausgefalleneres. Die dadurch entstehenden langen Pausen auf den jeweiligen Bühnen können dazu genutzt werden, um auch die komplette Bühnenproduktion an den Start zu bringen. Aufbauten wie bei VOLBEAT oder WITHIN TEMPTATION bringt man nicht im vorbei gehen an den Start, letztendlich profitiert der Fan davon. Das Event ist mehr eine Aneinanderreihung von kompletten Gigs als ein normales Festival.

Möglich macht dies auch eine sehr gut ausgeklügelte Logistik, die alle Bühnen hinter den Kulissen verbindet, auch wenn die über das ganze Gelände verstreut sind. Um auch den Zuschauern den Komfort zu ermöglichen sind die Campingplätze rund um das Gelände verstreut, zum großen Teil ist Parken und Campen getrennt, auch für Wohnwagen und für Biker gibt es einen eigenen Campground. Das reduziert den Platzbedarf, so dass keiner mehr als eine Viertelstunde zum Eingang laufen muss. An den zwei Toren geht es auch sehr zügig zu, in ein, zwei Minuten ist man selbst bei den großen Acts drin. Dazu ist das Festivalgelände sehr weitläufig, auch hier kommt es nie zu Staus oder Gedränge. Als ich bei VOLBEAT nach hinten die Reihen abgeschritten habe, standen da zwar Menschenmassen - wir reden immerhin von etwa 35.000 - doch die hatten alle ordentlich Platz.
Auf den Campingplätzen gibt es überall warme Duschen und Spültoiletten, auf dem Gelände selbst ausschließlich Spültoiletten. Täglich geht auch ein Reinigungskommando durch und sammelt den Müll auf den Campingplätzen ein. Selbst der Super-GAU, eine gebrochene Hauptwasserleitung, welche die ganze Stadt auf das Trockendeck legte, wurde souverän gemeistert. Eine Notversorgung und rasch organisierte Dixi-Häuschen waren einige der Maßnahmen, damit es kaum Beeinträchtigungen gab. Als Besonderheit bietet sich unterhalb der Campingplätze direkt der Strand, den vor allem an den beiden letzten Tagen viele Festivalbesucher aufsuchten. So entstand eine Stimmung wie man sie sonst nur vom METALCAMP her kennt. Platz zum Plantschen, Erfrischen und Spielen war auch genug, weil man beim sehr flachen Ufer noch weit draußen stehen kann. Und wer das Schwimmen im offenen Gewässer bevorzugt, hat ohnehin das Ganze.

So etwas trägt natürlich auch zur sehr entspannten Stimmung eines Festivals bei, und die beim Sweden Rock ist sehr lässig. Der Schwede ist ja ein freundlicher Geselle und das merkt man hier besonders gut, überall fröhliche Gesichter und jeder hat einfach Spaß mit der Musik. Dabei kann man sich hier auf den Musikgenuss konzentrieren, einfach mitreißen lassen und voll mitgehen. Angst haben, dass einem plötzlich jemand in den Rücken fällt, muss man nicht, denn Crowdsurfing ist hier verboten. Die Aktivitäten der Fans beschränken sich auf Headbanging, mitsingen oder sonstige, teils skurrile Ausdruckformen.
Natürlich kann man jetzt diskutieren, dass der Ritt über die Menge zu einem Festival dazu gehört, aber den meisten Besuchern hier ist das gerade recht. Das merkte man, als niemand der Aufforderung von Michael Poulsen nachkam und sich nach oben absetzte. So etwas kann man auf anderen Open Airs zu Genüge exerzieren, hier halt nicht, aber das macht das Sweden Rock auch wieder zu etwas Besonderem. Und irgendwie sind Crowdsurfing, Wall Of Death oder Circle Pit mittlerweile so standardisiert, dass sie mehr praktiziert werden, weil sie halt dazu gehören, als wirklicher Ausdruck von Begeisterung. Dass man hier Begeisterung schätzt, zeigt sich, dass auch der typische Erste-Reihe-Steher fehlt, der einem beim leichtesten Hauch von Berührung sofort anmault. Nein, hier freut man sich über jeden, der aus sich heraus geht.

Als ebenso standardisiert empfinde ich auch das Erscheinungsbild der Fans bei anderen Konzerten, speziell hierzulande. Auch hier geht es im Land der Elche deutlich farbenfroher zu. Klar, ist der typische Metaller im Bandshirt hier gerne gesehen, doch vor allem die Liebe zum Hair Metal macht sich in dem Land überall bemerkbar. Tuff-Mähnen, wohin man blickt, besonders bei den einschlägigen Gigs, bunte Bänder, enge Hosen und Cowboystiefel, natürlich über der Hose. Auch sonst finden sich alle möglichen verrückten Typen hier, die das aber durchaus authentischer durchziehen als Verkleidete auf Wacken.
Wer es nicht locker genug angehen lassen kann, der darf auch seinen eigenen Campingstuhl mit rein nehmen, auch ein Novum, dass ich bisher so noch nie gesehen habe. Vor allem der Platz in der Mitte von Festival Stage und Rock Stage, die sich gegenüber stehen, glich teilweise einem Kino. Wenn man auf das Programm der anderen Bühnen verzichtet, muss man nur alle zwei Stunden seinen Stuhl umdrehen und kann das Geschehen von der Ferne aus beobachten. Woanders geht das nur auf dem Boden sitzend. Ebenfalls erlaubt ist das Mitführen einer 0,5 er Flasche, die man sich an den vielen Wasserstellen immer wieder auffüllen kann.  Zudem reichen die Security den vorderen Reihen ständig Trinkwasser, für dessen Nachschub extra ein eigenes Team eingerichtet wurde.

Hier scheint es keine Reibereien mit den vielen Caterern zu geben. Und die fahren ihrerseits alles auf, was man auf einem Festival bieten kann. Bis auf das TOLLWOOD-Festival in München habe ich nie eine solche Essensauswahl erlebt, und das mit zahlreichen Ständen innerhalb und außerhalb des Geländes, so dass man auch bis in die Nacht auf dem Campingplatz noch etwas zu Essen bekommt. So zählte ich ein gutes Dutzed Langos-Buden, es gibt alle Sorten asiatischer Küche, mexikanisch, Döner, vegan, laktosefrei, und schwedische Spezialitäten. Da ist natürlich der sehr leckere Elchdöner zu empfehlen und Kroppkakkor, eine Knödelart, den saarländischen "Gefillde" sehr ähnlich. Ja, sogar frische Pizza gibt es dort, überall sieht man Volk, das aus den klassischen, flachen Pappschachteln speist. Die riesige Anzahl der Anbieter hat selbstredend auch den Vorteil, dass man, ähnlich wie beim Trinken kaum anstehen muss. Davon könnte sich vor allem die Loreley mal einige Scheiben von abschneiden.

Zu guter Letzt noch ein Riesenlob an die Security, bei vielen Festivals ein Zankapfel, hier Mitgarant für die gute Stimmung. Nicht nur, dass die Damen und Herren den Zuschauern wie erwähnt Trinkwasser spendieren, auch sonst sehen sie sich ganz im Dienst der Fans. Viele sind sogar selbst Fans, da erwischt man den ein oder anderen beim Mitsingen, das freundliche Lächeln ist in jedem Gesicht zu sehen. Dieses Personal weiß, dass seine Rolle ein Teil des Festivals ist, wie Bands und Zuschauer und sie nicht das Kontrollorgan sind. Sinnloses Maßregeln des Publikums findet hier nicht statt, hier wird angenehme Zurückhaltung geübt. Zwar sind sie zahlenmäßig immer stark aufgestellt und bestens organisiert, doch verüben sie ihre Aufgabe so unprätentiös wie nur möglich.
Nun darf man nicht annehmen, dass es sich hier um eine Spaßtruppe handelt, sondern um bestens, auch im menschlichen Bereich geschulte Kräfte. Immer hellwach, super aufmerksam, ihnen entgeht nichts, auf Regelverstöße wird direkt aufmerksam gemacht, ohne den groben Knüppel zu nutzen. Zwar konsequent bei der Umsetzung der Anweisungen, aber im Einzelfall immer kompromissbereit und auch hier mit einem unglaublichen Auge für die Situation. In Sekundenschnelle erkennen sie, ob im Publikum jemand nur Spaß haben will oder penetrant drängelt oder nur noch betrunken herum fällt. Und wenn es dann sein muss, kommen ganz klare Ansagen, die dann auch befolgt werden, weil der Respekt da ist. Und der kommt eben durch dieses Auftreten, weil das Publikum weiß, dass das Personal für sie da ist und nicht, um über sie zu richten.
Und wenn sie handeln müssen, vor allem wenn Zuschauer umkippen, dann sind sie blitzschnell zur Stelle, reagieren souverän. Dabei können sie auch der Mithilfe der Fans sicher sein, denn die Distanz zwischen ihnen gibt es nicht, jeder ist Teil dieses Festivals. Diese Security hat es verstanden, dass Verständnis ein guter Weg zur Deeskalation ist. Natürlich wird vorne schon gerne geschoben, jeder will den besten Platz haben, vor allem bei W.A.S.P. ging es heiß her. Wo aber oft Sicherheitspersonal, das sich zu wichtig nimmt, zusätzliche Aggression rein bringt, sorgt die freundliche Art von vorneherein, dass auch hier immer die lockere Atmosphäre gewahrt bleibt.

Gibt es bei so viel großartiger Organisation auch Grund zur Kritik? Ja, denn der Steg, der vor der Festival Stage in die Publikumsreihen führt, ist viel zu hoch und zu lang. Die erste Reihe sieht in der Mitte eigentlich gar nichts, oft kann man nicht alle Musiker auf der anderen Seite erkennen, und das Fotographieren aus dem Zuschauerraum heraus ist eher ein Albtraum. Im nächsten Jahr bitte eine Nummer kleiner. Dann wurde ein neuer Bereich geschaffen, in dem, Kommerz ich hör Dich tapsen, Sponsoren Muscle Cars ausstellen oder zum Angeln mit dem Bagger einladen. Aber jene Sponsoren ermöglichen solche Veranstaltungen erst, weswegen es durchaus legitim ist, dass sie sich hier präsentieren. Und Muscle Cars gehören ohnehin zum Swedish Way Of Life.
Diese Makel fallen kaum ins Gewicht, denn die Gründe, das Sweden Rock einmal zu besuchen, überwiegen deutlich. Wer Musik pur will, der wird sich hier wohl fühlen. Aber auch die einzigartige, relaxte Atmosphäre und die Möglichkeiten im direkten Umland laden einfach zum Besuch ein. Und überhaupt, was spricht dagegen, danach noch einen Urlaub in Schweden dran zu hängen. Dazu eine Musikauswahl vom Allerfeinsten, bei der jeder etwas findet. Der Verfasser dieser Zeilen hat alleine 34 Stunden in den Knochen, fast alle mitten im Feierbereich miterlebt. Im Gesamtpaket gibt es für mich keine bessere Party seit Erfindung des Rock´n´Roll. (Pfälzer)

Alle Photos von Silke Jankovic

Vielen Dank an Birgit Bräckle von Brooke Lynn Promotion

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Rocker antwortete auf das Thema: #13353 9 Jahre 9 Monate her
Wow, was für ein Festival! Was wäre ich gerne dabei gewesen, so wie es sich liest war es der Hammer!!!!
Was ich mich gefragt habe, ob Tony von TNT immer noch sooo hoch singen kann wie damals??

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