Napalm Death + Master + Primitive Man (27.02.2024, Saarbrücken)

An einem Sonntag auf ein Konzert zu gehen, hat ja was für sich. Man ist ausgeschlafen, hat keine sonstigen Termine und kann sich in Ruhe auf das Event einstimmen. Aber was lese ich? Verlegt auf Dienstag! Naja, bei diesem Package ist es auch eigentlich egal, wenn man mal unter der Woche später ins Bett steigt mit einem hypnotischen Piepsen in den Ohren. Dann schauen wir mal, dass wir uns zeitig auf die Socken machen, denn Saarbrücken ist ja nicht gerade bekannt dafür, mit Parkplätzen zu glänzen. Und tatsächlich gelingt es mir schon nach einigen Runden, einen solchen zu finden, so dass ich nur einige Minuten verspätet den Opener erleben darf. Kurzfristig wurde nämlich noch der Konzertbeginn von 19 Uhr auf 18:30 Uhr vorverlegt...

WORMROT
Auf diese Band freute ich mich nämlich sehr, nachdem ich schon einige Aufnahmen von ihnen zu hören bekam. Mit dem Exotenstatus des Herkunftslands Singapur machte es mich noch neugieriger, wie diese Band ihren künstlerisch anspruchsvollen Lärm live darbietet.
Unerwartet abwechslungsreich begegnete das Trio dem Saarbrücker Publikum, hier war nicht nur ständiges Geknüppel angesagt, aber wenn dann richtig. Ohne Bassisten, dafür mit einem der wildesten Drummer, den ich in letzter Zeit erleben durfte, riss die Band schon gleich den Bau ab. Sehr höflich und sympathisch bedankte sich der namenlose Schreihals beim Publikum für das frühe Erscheinen, dann ging das geordnete Chaos los. Für Grindcore mit nur einer Gitarre und ohne Bass ein sehr beachtliches Spektakel, aber dennoch muss ich den Preis für herausragende Leistung an Trommler Vijesh Ghariwala aushändigen. Was der Mann hinter der Schießbude veranstaltet, ist nicht nur unfassbar, sondern auch extrem unterhaltsam. Schade nur, dass man soundtechnisch leider mehr zu sehen als zu hören bekam. Aber jeder in der Halle wusste, was dieser Mad Drummer für seine Band bedeutete. Großen Respekt, das nenn ich mal einen brachialen Start.

Setlist WORMROT:
Setlist WORMROT

 

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PRIMITIVE MAN
Auch diese Band war mir durchaus bekannt, allerdings weniger vom musikalischen Inhalt, sondern eher von ihrem einzigartig wuchtigen Sound. Zwei Schwergewichte mit Glatze und ein unscheinbar wirkender Trommler machten ihrem Ruf alle Ehre und bliesen direkt mal alles was ging durch die Boxen bzw. Ohren. Ihr droneartiger Sludge mit einigen Blasteinlagen zeigte sich auf der Bühne als statische gewollte Monotonie in einem Reigen voll hasserfüllter Verzweiflung und grober ungebändigter Wut. Zwischendurch gab es dann noch ein paar passende Synthieklänge aus dem Weltuntergangsuniversum, Ansagen gab es keine, gedankt wurde mit einem freundlichen Wink ins Publikum. Meinen Geschmack trafen sie nicht unbedingt, obwohl mein Herz sludgeerfüllt ist, aber dennoch kamen mir die 40 Minuten doppelt so lange vor wie die 30 Minuten der Vorgänger.Dennoch gab es hier und da gute bis sehr gute Resonanzen aus dem Publikum, so dass die Band aus Denver,Colorado diesen Abend als vollen Erfolg werten konnte.

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MASTER
Trio Nummer drei waren die alten Recken von MASTER,die kurzfristig für die verhinderten BIERMACHT eingesprungen sind. Die Death-Metal-Urgesteine haben sich in ihrer gesamten Karriere mehr oder weniger am Rand vorbeigedrückt und mal hier und mal da für Furore gesorgt. Nach längerer Abstinenz kehren sie nun überraschend auf der aktuellen "Campaign For Musical Destruction" - Tour zurück auf die Bretter und machen ordentlich Meter.
Die graue Eminenz aka Paul Speckmann und seine Bandkumpanen geben von der ersten Minute an alles, nachdem sie schon alles alleine, also ohne Crew, aufbauen mussten. Das Publikum ist augenblicklich infiziert und feiert die stummen Kultfiguren der frühen Neunziger Jahre. Die wenigen Kulthits, die sie haben, werden vorgetragen, allerdings begeben sich dazwischen auch einige Lückenfüller. Da hilft auch der moderne Sound nicht weiter, den man auf den Alben vielleicht immer vermisst hat. Die Meute im Pit steht allerdings wie eine Mauer hinter ihren Helden von MASTER, und so kann man das Powertriplett nur als bisherige Sieger des Abends ansehen.

Setlist MASTER:
2023
Master
Subdue The Politician
Pledge Of Allegiance
Judgement Of Will
Submerged In Sin
Terrorizer
Vindictive Miscreant
Re-entry And Destruction
Remove The Knife
Pay To Die
Mangled Dehumanization

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NAPALM DEATH
Allerdings darf man eine solche Rechnung niemals ohne die Herren von NAPALM DEATH machen. Die Grindcore-Pioniere setzen immer noch einen drauf.
Was soll man über diese Band noch sagen oder schreiben? Nicht umsonst haben sie bei mir einen Platz ganz oben in meiner persönlichen Beliebtheitsskala, trotz oder gerade wegen ihrer extremen und chaotischen Mucke. Es ist mir nach wie vor ein kleines Rätsel, wie eine derartige Nischenmusik so lange und so erfolgreich durchhält. Natürlich trägt der Sympathiefaktor der Band einiges dazu bei. Aber auch ihre Ehrlichkeit, Bodenständigkeit, ihr Respekt den anderen Bands und anderer Musik gegenüber, leisten einen hohen Beitrag und rechtfertigen ihren Status.


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Auf die drängende Frage, wo unser Lieblingslockenkopf erneut verblieben ist, antwortete Barney umgehend. "Um einige Gerüchte zu zerstreuen: Er ist nicht tot! Er hat auch keine unheilbare Krankheit! Aber manche Dinge brauchen eben seine Zeit, und im Alter eben mehr, ihr kennt das bestimmt." Vertreten wird der Tieftöner von einem guten Freund aus Birmingham, der dieses Mal mehr Zeit bekam, sich auf die Tour und seine schwere Aufgabe am Bass einzustellen.
Auf andere Zurufe reagierte der ultranette Mikrofonmann ebenso eindeutig und zugleich humorvoll, so wie man es von den Engländern eben immer erwarten kann.

Nochmal zurück zur Musik ist die heutige Setlist gespickt mit einigen unerwarteten Songs und gleichermaßen mit bekannten festen Platzhaltern, die einfach gespielt werden müssen. Zwischen den Songs versucht Barney wie immer, die Zurufe des Publikums zu deuten, um bestenfalls auf deutsch zu reagieren.
Die Worte aus dem Publikum sprechen Bände, wenn es um das Thema Faschismus geht - Öl in das NAPALM DEATHsche Feuer!
Somit siedet auch die Stimmung beim Evergreen "Nazi Punks Fuck Off!", der sich wunderbar in das antifaschistische Publikum ergießt.
Nach 70 Minuten im roten Bereich muss man sich dann von seinen Freundinnen und Freunden verabschieden, der Tourtross zieht weiter, und wenn es auch nicht gerade viele Gäste waren, so konnten diese zumindest mit einem breiten Grinsen nach Hause kommen und die kürzere Bettzeit verdrängen. Hier kam jeder auf seine Kosten. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen. (Jochen)

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(Fotos: Klaus)

Kategorie: Konzerte