Riverside-tourflyer-EUSeit einigen Jahren schon beobachte ich sehr genau die Geschicke der führenden polnischen Progformation. Dabei stelle ich neben dem steten Verändern ihrer Musik auch einen wachsenden Zuspruch beim Publikum fest, der sich mittlerweile in recht hohen Chartpositionen bemerkbar macht. Platz 18 in Deutschland für den aktuellen Longplayer "Love, Fear And The Time Machine" stellt sogar die höchste Notierung für ihr Label Inside Out dar. Mit diesem großartigen Werk im Gepäck gingen RIVERSIDE nun auf Europatournee, um die Früchte ihrer Arbeit direkt vor ihren Fans zu ernten. Schon früh war ich mir sicher, dass dieses Quartett ihren Weg gehen wird, mittlerweile sind sie Headliner, die nicht mehr nur die kleinen Clubs voll bekommen. Mit dabei sind auf dieser Rundreise ihre Landsleute von LION SHEPERD sowie THE SIXXIS aus Atlanta, Georgia. Beim Konzert im Karlsruher Substage war NECKBREAKER in vorderster Front mit dabei, um sich vom weiter in allen Belangen Steigern der Band zu überzeugen.

LION SHEPERD
Mit gar nicht so weitaus andersartigen Klängen startete die zweite polnische Formation an diesem Abend mit "Fly On" in ihr Set. Ein wenig scheint man sich doch bei den Helden ihrer Heimat abgeschaut zu haben, denn in Sachen Sphärik stieß man schon in die Regionen des Hauptacts vor. Wobei natürlich mit einer Akustikgitarre als zweite Axt zu beginnen ein wenig ungewöhnlich ist. In der Tat wechselten die Musiker ein paar Mal ihre Instrumente, Frontmann Kamil Haidar bediente teilweise die sechs Saiten, konzentrierte sich dann wieder auf seine Rolle als Sänger. Beim ruhigen "Past In Mirror" übernahm dann Bassist Matteo Bassoli die Klampfe und beim arabesken "Smell Of War" konnte Leadgitarrist Mateusz Owczarek einige interessante Sitarmotive beisteuern.

Hierin bestand auch der Unterschied zwischen ihren bislang deutlich bekannteren Landsleuten und des Openers. Denn LION SHEPERD verarbeiten deutlich mehr weltmusikalische Einflüsse in ihrer Musik. Mit ihrem Sänger haben sie jemanden in ihren Reihen, der mit seinen syrischen Wurzeln auch die entsprechende Authentizität mit sich bringt. Doch auch sonst sind die Jungs an solchen Klängen interessiert und arbeiten außerhalb der Band in vielen Projekten mit.
Haidar indes gibt sich dann auch gerne als waschechter Frontmann mit einer sehr sicher wirkenden Bühnenpräsenz. Optisch kommt der Mann wie eine Mischung aus Jesus und Jim Morrison rüber, könnte aber sogar mit seiner nicht zu verhehlenden Wirkung auf Frauen noch ein bisschen mehr kokettieren. Besonders als es bei "Brave New World" recht rockig zuging konnte er seine Ausstrahlung am besten ausspielen.

Die gesamte Formation wirkte spielfreudig und ziemlich gut eingespielt, schaffte es, dass die vielen Einflüsse ihr Set nicht zerfaserten. Durch die Anklänge bei RIVERSIDE hatten sie es auch nicht schwer, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen, zumal die Vier sehr sympathisch rüber kamen. Von der Atmosphäre im Publikum hatte das schon etwas vom Aschaffenburger Colos-Saal, denn auch hier wurde die Vorband sehr wohlwollend aufgenommen und zu recht mit viel Applaus bedacht.

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THE SIXXIS
Von dieser Stimmung konnten auch die folgenden US-Amerikaner profitieren, wenngleich sie ihr Publikum mit deutlich metallischeren Klängen erst einmal ein bisschen verschreckten. Die Jungs bewegen sich knietief in der klassischen Metalschiene, lassen bei einigen Nummern die progressiven Ansätze nur gelegentlich zu und erinnern dann an die eher bekannten Prog Metalformationen. Dem guten Gitarrenduo sind auch IRON MAIDEN nicht ganz fremd, die beiden spielen sich ihre Parts schön zu und teilen sich die Soli gleichermaßen auf.
Während der kräftige Paul Sorah den waschechten Metaller gibt, mimt Cameron Allen eher den Virtuosen. Zwischen den beiden arbeitete sich Sänger Vladdy Iskhakov unermüdlich ab, schüttelte die ganze Zeit seine Lockenmähne, fand aber leider wenig Zugang zum Publikum Zu sehr war er auf seinen Beitrag und sein Stageacting konzentriert, dafür fielen seine Ansagen immer sehr erläuternd aus. Hinter den dreien blieb Bassist Mark Golden vollkommen unauffällig

Die Songauswahl bestand zum großen Teil aus dem Material ihres Debüts "Hollow Shrine" wie "Long Ago", "Dreamers" oder "Nowhere Close". Mit "Failed Design" präsentierten sie auch ein bislang unveröffentlichtes Stück, welches eindeutig vielschichtiger war, jedoch auch die Hilfe von einigen Einspielungen benötigte, welche THE SIXXIS beim Rest fast vollständig vermieden. Für ruhige Momente sorgte in der Mitte des Sets" I Want More".
Ihre große Stärke lag neben den treibenden Riffs vor allem im Harmoniegesang, den die Fünf gekonnt rüber brachten. Gerade in diesen Momenten wussten auch die Melodien besser ihre Wirkung zu entfalten. Dennoch sollte es bis zum vorletzten Stück "Out Alive" dauern, bis die Männer aus der Coca-Cola-Stadt das Publikum im Griff hatten. Auch jener Titel lebte am meisten von der angesprochenen Melodiefülle sowie dem technischen Geschick der Truppe, mit dem sie ihren Arrangements die Würze zu geben vermochten. Am Ende lief es auf ein Unentschieden mit dem zweiten Supportact hinaus.

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RIVERSIDE
Auch wenn das Substage bislang gut unterhalten wurde, schon als Michal Lapaj hinter seiner Tastenburg auftauchte, war klar, wegen wem die Anwesenden heute gekommen waren. Sofort stieg die Stimmung im Saal, die aber immer wieder gespanntem Zuhören wich. Einen solchen Moment gab es schon, als einem das Intro des Openers des neuen Longplayers, welcher hier ebenfalls eröffnete, eine Gänsehaut auf die Unterarme zauberte. Es ist immer wieder erstaunlich mit welcher Magie die Vier ihre Stücke zelebrieren, dieser feinfühlige Beitrag hat sie nicht umsonst an die Spitze der europäischen Progbewegung gebracht.

In jenem Abend stand die tiefe Atmosphäre wieder eindeutig im Vordergrund, zumal "Love, Fear And The Time Machine" wieder ruhiger und getragener ausfällt. Und dies stand neben seinem Vorgänger klar im Fokus der Setlist, von den ersten vier Alben gab es lediglich je ein Stück zu hören. Mittlerweile kommen RIVERSIDE an den Punkt, an dem sie den ein oder anderen Hochkaräter streichen müssen. Dafür war es umso schöner, dass der Auftaktlongtrack des Debüts in der Zugabe in voller Pracht zu hören war.
Auch wenn der Gig insgesamt ruhiger ausfiel als auf den letzten Touren war die Band mit noch mehr Elan unterwegs. Kann sein, dass ich mich wiederhole, wenn ich ihnen eine erneute Öffnung zum Publikum hin und im Bühnenverhalten bescheinige, doch seit "Shrine Of New Generation Slaves" haben sie in der Kategorie wieder ein bisschen zugelegt. Die Art und Weise wie Frontmann Mariusz Duda und Gitarrist Pjotr Grudzinski miteinander agieren, wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen.

Da standen sie Rücken an Rücken und legten sich in so manche Pose, ohne dabei allzu abgedroschene Rockstarposen zu bedienen. Auch hier haben sie eine völlig eigene Bewegungsdynamik entwickelt, welche eben sehr gut mit der Stimmung ihrer Songs korrespondiert. Oft interagierte Duda mit Drummer Pjotr Kodzieradski im Hintergrund oder seinem anderen Sidekick Lapaj. Dabei herrschte auf der Bühne eine unglaubliche Lockerheit im Umgang untereinander.
In der Hinsicht muss Duda vielleicht noch ein wenig an sich feilen, so manche Ansage wirkte zwar witzig, aber es fällt ihm immer noch schwer, den großen Unterhalter zu spielen. Als sehr cool erwies sich der Einfall, seine Plektren mit den Themen der aktuellen Langrille zu bedrucken, was ihm immer ein Stichwort für die nächste Liedankündigung gab. Wo andere aber irgendwo bemüht wirken, wenn es ihnen nicht gelingt, ihre leichte Unsicherheit zu überspielen, kommt die beim Bassisten und Sänger sympathisch rüber, weil er sich auch nicht verstellt.

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Musikalisch konnten RIVERSIDE schon seit jeher überzeugen, doch je mehr sie auf der Bühne zueinander finden, umso kompakter klingt auch ihr Spiel. Ein Prozess, der wohl noch lange nicht am Ende ist, auch das ist der progressive Geist, der Wille zur Weiterentwicklung, der in dieser Formation steckt. Sie wagten es sogar, einige Parts ihrer Songs etwas umzuarrangieren, um frische Ideen hinein zu bringen. Streckenweise artet das Ganze in einer Klangorgie aus, wenn Duda aus seinem Effektpedal alles rausholte, Grudzinski seine Rückkopplungen nutzte und Lapaj seine Tasten dröhnen ließ.
Immer wieder zu genießen, wie sie danach in ihre großen Melodien und diese einzigartige melancholische Atmosphäre zurück fanden. Dann wenn sich der gute Pjotr in dem Spiel auf seinen sechs Saiten verlor und Michal auf der anderen Seite wie ein Derwisch über seine Tasten fegte, dabei wunderbar Synthesizer über Orgelklänge legte. Mit einer erweiterten Lightshow unterstrich die Band ihre Stücke auch optisch. Da gelang den Zuschauern das komplette Eintauchen in das RIVERSIDE-Universum, um sich anschließend mit Ovationen kund zu tun.

Gegenüber dem letzten Auftritt in Karlsruhe war es merklich lauter im Auditorium, wenn auch der große Bewegungsdrang ausblieb. Doch wenn sich die Stimmen der etwa 700 erhoben, dann war schon die Begeisterung zu spüren, welche diese Formation mittlerweile entfacht. Und wenn Mariusz seine Singalongs einforderte, dann bekam er eine kraftvollen Chor, immer wieder traumhaft bei der Ballade aus ihrem Überwerk "Second Life Syndrom". Und auch beim Schlussakkord machten sich die Fans bemerkbar, die bislang hoffnungsvollste Nummer im RIVERSIDE-Kosmos war nach 110 Minuten das ideale Ende, um aus dem Rausch wieder aufzuwachen. (Pfälzer)

Setlist RIVERSIDE:
Lost (Why Should I Be Frightened By A Hat?)
Feel Like Falling
Hyperactive
Conceiving You
O2 Panic Room
Under Your Pillow
The Depth Of Self-Delusion
Saturate Me
We Got Used To Us
Discard Your Fear
Escelator Shrine
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The Same River
Found (The Unexpected Flaw Of Searching)

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