John K Samson by Leif Norman jc lgKnapp eine Woche nach dem explosiven Konzert der UNDERTONES im Kesselhaus des Kulturzentrum Schlachthofs habe ich mich dort wieder eingefunden. Unterschiedlicher könnten die beiden Konzerte jedoch wahrlich nicht gewesen sein. Das eine wild und energiegeladen, das andere sehr sanft, besinnlich und mit ziemlich vielen Gänsehaut-Momenten.

Bei sehr sommerlichen Temperaturen versammelten sich doch recht viele Menschen im alten Wasserturm, der zur Konzert- Und Gastro-Location umfunktioniert wurde, zum Singer/Songwriter-Abend. Wenn auch nicht ganz ausverkauft, dürfte dazu nicht mehr viel gefehlt haben, denn sehr viel voller war es in der Woche zuvor nicht.

CHRISTINE FELLOWS

Den Anfang machte die kanadische Folk-Pop-Sängerin CHRISTINE FELLOWS. In Deutschland weniger bekannt, steht sie ihrem Ehemann John K. Samson in Sachen Popularität im Heimatland kaum nach. Warum wurde auch ziemlich schnell klar: Mit sehr viel Gefühl begeisterte sie das Publikum etwa eine halbe Stunde lang mit ihrer glockenklaren Stimme, oft schelmigen Lyrics und sich selbst wechselnd mit Ukulele oder Keyboard begleitend. War zunächst noch ein etwas größerer Abstand zwischen Bühne und Publikum, nahmen relativ schnell zahlreiche Fans direkt vor der Bühne sitzend Platz und lauschten andächtig. Etwas ungewöhnlich, habe ich so auch noch nicht gesehen, passte aber durchaus zu der angenehmen Atmosphäre. Fellows bereitete das Publikum charmant auf den nachfolgenden Auftritt vor, durch Anekdoten von der Tour oder indem sie ihre neu gelernten deutschen Wörter präsentierte – ob „Sprudelwasser“ oder „Platz!“ (auf den Hund gekommen) – selbst das „Wiesbaden“, aus dem Englischsprechende sehr gerne ein „Weisbaden“ kreiieren, klang geradezu perfekt. Ein rundum sympathischer und gelungener Opening-Act. Viel Pause zum ausruhen blieb für sie jedoch nicht, da Fellows ja auch Teil von Samsons Band THE WINTER WHEAT ist.

JOHN K. SAMSON & THE WINTER WHEAT

JOHN K. SAMSON gehört zu den Musikern, die mich wahrscheinlich bisher am meisten mit ihrer Musik berührt haben. Seine Musik fällt im Vergleich zu den Sachen, die ich sonst so höre zugegebenermaßen ziemlich aus dem Raster, jedoch lief bereits mit 17/18 die WEAKERTHANS-Scheibe „Left and Leaving“ bei mir rauf und runter. Die Stimme traf mich damals schon ins Mark, und die Art und Weise wie er mit Worten umzugehen weiß ist absolut bemerkenswert ( Exemplarisch zwei Wortspiele (aus „Aside“): „We are drowning in the pools of others lives“ oder „I'm leaning on this broken fence between past and present tense“) Dummerweise gelang es mir bisher jeden seiner zahlreichen Auftritte in Wiesbaden oder der Umgebung zielsicher zu verpassen, so dass ich bisher tatsächlich noch nie in den Live-Genuss gekommen bin. Entsprechend groß war nach fast zwei Jahrzehnten natürlich die Vorfreude!

Auch wenn Samson, jetzt wieder kurzhaarig, natürlich im Mittelpunkt stand und auch viele seiner Solosachen spielte, so war es doch fast ein bisschen ein WEAKERTHANS Konzert: Natürlich hatten es einige Songs seiner früheren Band auf die Setlist geschafft, darüber hinaus sind mit Jason Tait (Schlagzeug) und Greg Smith (Bass) auch zwei der drei weiteren WEAKERTHANS Mitglieder bei THE WINTER WHEAT mit an Bord.

Trotz langjähriger Bühnenerfahrung - bereits seit 1994 tourt Samson Deutschland – wirkte Samson extrem schüchtern, jedoch auch hellwach und reagierte auf jede Emotion aus dem Publikum, meist mit einem zurückhaltenden aber warmen Lächeln. Vielfach konnte man ein Funkeln und Glänzen in seinen Augen sehen. Ihm gelang es mit seiner enormen Präsenz alle Blicke auf sich zu ziehen. Seine Gänsehaut-Stimme umhüllte einen von allen Seiten und durchdrang den gesamten Raum, bis in die hinterletzten Ritzen – absolut faszinierend

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Das Schlagzeug Set-Up war etwas ungewöhnlich direkt vorne an der Bühne aufgebaut, und nicht wie meist üblich etwas nach hinten versetzt. Dadurch war es möglich Jason Tait betreffend seines Handwerkszeuges auf die Finger zu schauen: Neben den üblichen Drumsticks kamen hier auch die unterschiedlichsten Drum Brushes zum Einsatz. Generell habe ich glaube ich noch nie so viele unterschiedliche Musikinstrumente bei einem Konzert im Einsatz gesehen. So spielte Tait teilweise parallel Schlagzeug und Melodica. Auch Christine Fellows begleitete zum Teil mit Melodica, dem Keyboard oder einem Xylophon - und lieferte auch den Backgroundgesang gleich mit.

Für die besonders ruhigen Momente verließen die anderen MusikerInnen die Bühne - besorgten sich bei der Gelegenheit auch mal einen Kaffee- und überließen Samson ganz alleine dem Publikum. Zwischenansagen wurden sehr spärlich gehalten, als Samson jedoch sagte „Wir sind eine mittelalte, linke Band aus Winnipeg, Kanada“ und ein Ruf aus dem Publikum „But you rock!“ ertönte, erwiderte Samson „Wir sind Soft Rock“, was sich im Laufe des Abends zum Running Gag entwickelte. Einmal bat Christine Fellows zum Beispiel um einen kurzen Moment Pause, damit sie ihre Earplugs entfernen könne „weil es jetzt gleich so richtig soft werde“, und hatte damit alle Lacher auf ihrer Seite.

Solonummern wechselten sich immer wieder mit alten WEAKERTHANS-Titeln ab. So schön die neueren Stücke auch sind: Für mich werden die Titel von „Left and Leaving“ aus dem Jahr 2000 immer etwas Besonderes bleiben. Entsprechend emotional wurde es auch, als bei der Zugabe „Aside“ gleich auf „Pamphleteer“ folgte – das ging durch und durch! Hätte daran noch der Titeltrack „Left and Leaving“ angeschlossen, wären die Tränen vermutlich geflossen....

Fazit: Ein schöner, tiefgründiger Konzertabend, der Seinesgleichen sucht. Die 19-tägige Konzerttour der Kanadier fand in Wiesbaden einen absolut würdigen Abschluss. (Manu)

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Setlist John K. Samson:

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(Fotos: Manu)

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