jessymartens trickythingMit ihren bisherigen beiden Studioalben wurde die Sängerin von der Kritik hochgelobt und von Preisen überhäuft. Jene hat sich die kleine Powerfrau mit der außergewöhnlichen Stimme mehr als verdient, auch wenn einige unken, hierzulande gäbe es eher geringe Konkurrenz. Dabei ging sie immer ihren eigenen Weg und suchte nicht nach dem schnellen Erfolg in TV-Formaten wie Kollegen wie Andreas Kümmert. Ihre Karriere begann JESSY MARTENS in der Band von Jan Fischer, seit 2011 ist sie mit ihren eigenen Jungs unterwegs. Mittlerweile ist die Formation nach vielen Konzerten sehr gut eingespielt, was man auf der Livescheibe „Touch My Blues Away“ nachhören kann. Nach vier Jahren war es auch mal wieder an der Zeit für ein neues Studioalbum, das nun unter dem Titel „Tricky Thing“ erscheint.

Und die Zeit seitdem merkt man der neuen Scheibe sofort an, denn im Übergang von den Mittzwanzigern zu fast dreißig reifte die junge Frau persönlich, so klingt das hier auch wesentlich erwachsener. Ihre Stimme steht natürlich klar im Vordergrund und deckt alle Facetten ab, ist aber auch vom Ausdruck her gereift. Wenn sie im rockigen "Pack Of Lies" ihr Temperament los lässt, kann sie dennoch ihr Organ absolut beherrschen, und überdreht nicht. Auch in der Produktion steht der Gesang sehr stark im Fokus, was ihr eigentlich Radioairplay verschaffen sollte, denn das Radio mag dominante Vocals.

Zum Glück steht ihr der Sinn wenig danach, denn in ihrem Vortrag hat sie mehr Dynamik als viele Acts in ihren ganzen Arrangements. Sie bekommt aber auch von ihren Jungs, wie sie ihre Mitstreiter liebevoll nennt, den nötigen Raum, um sich zu entfalten. Diese gehen sehr zurückhaltend an die Sache heran, die Lässigkeit, die aus der Bandphoto im Klappcover spricht, kommt auch auf dem Album zum Vorschein. Hier sieht man die Sängerin und ihre Band, die sich über die Jahre perfekt eingespielt hat, in einer Mischung aus Studio und Wohnzimmer abhängen, sehr ehrlich unprätentiös und trotzdem direkt, wie auch die Musik.

Schon das eröffnende "Stronger" eröffnet der Dame alle Freiheiten, auch wenn sich Gitarrist Dirk Czuya und Keyboarder Markus Schröder ihre Parts fast jamartig zuspielen. Die sechs Saiten spielen nur selten ein durchgehendes Riff, sondern streuen eher ein paar Akkorde ein. Der "Mosch" genannte Tastenmann bietet ein ganzes Arsenal an Klängen auf, zumeist klassisches Instrumentarium wie die dezente Orgel im Opener, ab und an darf er auch mal verspielt den Synthesizer bearbeiten.
Im Chorus steigert man sich dann in eine eingängige Soul Pop-Nummer, die eher Southern-artigen Gitarren bringen da einen schönen Kontrast. Der wird beim beschwingten "Insanity" sogar weiter ausgereizt, wobei der Refrain noch griffiger wirkt. Richtig rocken tut die Band im bereits angesprochenen "Pack Of Lies" mit seinem fordernden Piano, sowie in "Undercover" und "Home". Ersterer groovt ohne Ende, während der zweitgenannte Titel nahe am Classic Rock ist, und mit einem schönen Chor überzeugen kann.

Jene Damen und Herren dürfen im Anschluss an das Stück auch noch bei "By Your Side" mitwirken, dem sicherlich klassischsten Blues auf "Tricky Thing". Bei den ruhigen Liedern kann JESSY MARTENS mit ihrer Stimme fast noch mehr überzeugen, wobei mir ein Lied mit einem richtigen Ausbruch ein wenig fehlt. Sehr lasziv gibt sie sich beim von E-Pianoklängen geprägten "Hush Now", in dem auch Czuya zum kurzen Solo ansetzt. Der vorab veröffentlichte Titeltrack hat eine unglaublich authentische Baratmosphäre, das Klavier, welches ebenfalls solieren darf, bringt einen Jazztouch rein, vielleicht der am stärksten arrangierte Song des Albums.

Noch bewegender singt die gute Jessy im sehr ruhigen und gefühlvollen "Fire", wo sie dem Hörer ihre Zeilen förmlich entgegen haucht. Die Jungs nehmen sich noch mehr zurück, lassen sie mit all ihren Emotionen fast alleine das stehen, Christian Kolf streicht sein Schlagzeug so passend sanft, das es große Kunst ist. Das würde selbst einem Kunden von Karl-Freidrich Boernes Institut noch eine Erpelpelle auf die Haut zaubern. Im abschließenden, akustischen "Giants" gibt sie sich sogar noch intimer und verletzlicher, was schon fast gar nicht mehr geht. Hier hat eine Band unter Zuhilfenahme des Aufbrechens traditioneller Bluesstrukturen ihre eigen Identität gefunden und muss sich nicht hinter der internationalen Konkurrenz verstecken muss. (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer8,5 8,5 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 45:26 min
Label: Jayfish Records
Veröffentlichungstermin: 29.09.2017

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