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blackstonecherry familytreeNachdem sich die alten Größen aus den Südstaaten so langsam auf das Altenteil zurückziehen wie LYNYRD SKYNYRD oder sich konsequent verjüngen wie BLACKFOOT, wird es Zeit für frisches Blut. Da stehen schon seit mehr als zehn Jahren vier Jungs aus Edmonton parat, um die Lücke mit ihrer modernen Variante zu füllen. Allerdings stießen die meterdicken Riffs, reißerischen Soli und die weinerliche NICKELBACK-Hymnik nicht bei allen Classic Rockliebhabern auf Gegenliebe. Im letzten Jahr nahmen sich BLACK STONE CHERRY ein paar Bluesstandards vor und interpretierten sie auf "Back To Blues" in ihrem ureigenen Stil. Nun steht das sechste Studiowerk in den Startlöchern, hat die Arbeit an der EP die Spuren auf "Family Tree" hinterlassen?

Schon die ersten Töne zeigen ganz klar, dass sich die Herren sich dieses Mal eher den Ursprüngen nähern, also genau das Gegenteilige als im letzten Jahr liefern. Drehten sie da ein paar Klassiker allzu sehr durch den Fleischwolf, so gehen sie hier gesetzter, erdiger und erwachsener zu Werke. In "Bad Habit" zitieren sie recht deutlich JIMI HENDRIX, das fängt beim Grundriff an, geht bei den Leadfills und dem Solo weiter bis hin zur Melodieführung. Selbst der Basslauf könnte so aus einem Song des Großmeisters stammen, von dem kürzlich wieder ein paar Songs ausgegraben wurden. Der rockige Refrain hingegen ist wieder ganz typisch für die Formation, welche sich so ihre Identität erhält.

Noch mehr in der traditionellen Südstaatenschiene fährt das lässige "Carry Me On Down The Road", die dort gebrachten Leads findet man auch beim schwermütigen "Dancin´ In The Rain" wieder. Bei der Nummer mischt mit GOV´T MULE-Boss Warren Haynes auch jemand mit, der bei den ALLMAN BROTHERS so richtig den Sound des Südens aufgesogen hat. Im beschwingten "Ain´t Nobody" packen BLACK STONE CHERRY dann schön die Slide-Gitarre aus, die ihnen gut zu Gesicht steht, darüber hinaus werden sie noch von ein paar weiblichen Stimmen begleitet.
Diese tauchen öfter auf der Scheibe auf, wobei die "Uh Uh"-Chöre in "James Brown" vielleicht etwas zu viel des Guten sind. Denn ansonsten besticht die Nummer mit coolem Wechselspiel zwischen Powerchords und Licks sowie Wah Wah-Einsatz, und lässt mit Bläsern auch ein paar Souleinflüsse erkennen. So richtig schimmern diese bei "My Last Breath" durch, dem balladeskesten Stück von "Family Tree". Hier beweist das Quartett richtig Seele, lässt das E-Piano wabern und die Bläser als atmosphärische Untermalung erklingen, so einen Song hatte es bisher nicht im Gepäck.

Ein Piano der ganz anderen Art bringen die Vier bei "New Kinda Feelin" an den Start, die beschwingte Grundstimmung des Titels kommt erst durch das Honky Tonk so richtig in Fahrt. Und am Ende versuchen sich die Jungs aus Kentucky mit dem Titelsong an ihrer Version einer typischen Südstaatenhymne, lässig, beseelt, und mit einem starken Solo am Ende. Bei aller Hinwendung zu ihren Vorbildern und Wurzeln fällt der Apfel aber nicht allzu weit vom Stamm, das Klangbild ist immer noch wuchtig und zeitgemäß, lässt den Feinheiten aber genug Raum. Lediglich der alternative Anstrich für das kontemporäre US-Radio wurde glücklicherweise ein bisschen zurück gefahren.

Und natürlich dürfen die Hard Rockanteile nicht fehlen, gleich der zweite Track "Burnin´" schiebt mit seinem treibenden Eingangsriff mächtig, der Drive erinnert wunderbar an alte BLACKFOOT-Tage. In Sachen bühnentauglicher Chorus kann die Nummer auch punkten, in der Disziplin seien vor allem noch "Southern Fried Friday Night" und "You Got The Blues" erwähnt. Während das obercool betitelte Lied mit schwerem Stampfrhythmus und Voice Box-Einsatz punkten kann, explodiert Frontmann Chris Robertson im Refrain des zweitgenannten förmlich und prescht mit ungeheurer Power nach vorne.
Da man diese Energie, die Frische der Anfangstage nicht immer halten kann, tun sich BLACK STONE CHERRY sehr gut daran, sich verstärkt an ihren zuletzt angedeuteten Kernkompetenzen zu orientieren. Dazu gehört auch die Variabilität des Southern Rock, der sich auch aus Blues, Folk und Americana speist. So macht "Family Tree" zwischen Gefühl und rockiger Attitüde unbedingt Spaß, ohne den Anspruch aus den Augen zu verlieren, Scheibe rein, Verdeck runter, der Sommer kann kommen! (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10


Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 53:19 min
Label: Mascot Records
Veröffentlichungstermin: 20.04.2017

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