Mehrfach-Wertung der Redaktionsoilwork_thelivinginfiniteSOILWORK. Seit über 10 Jahren verfolge ich jetzt diese Band, seit über 10 Jahren hängt das Poster mit dem Artwork von „Natural Born Chaos“ an meiner Wand. Doch in den letzten Jahren hatte man das Gefühl, daß (nicht nur) die On-Off-Lovestory zwischen SOILWORK und Hauptsongwriter Peter Wichers der Band nicht wirklich gut tut. Aber egal ob mit oder ohne Wichers – die letzten beiden Alben fand ich nicht wirklich prall. Und auch zu „Stabbing The Drama“ fiel mir der Zugang schwer. Dahingegen finde ich „Natural Born Chaos“ und „Figure Number Five“ auch heute noch absolut großartig.


Neben den eher mauen letzten Alben dürften auch häufige Besetzungswechsel mit ein Grund sein, daß es für die befreundeten IN FLAMES stetig aufwärts geht, während SOILWORK eher auf dem Weg bergab sind. Das alles ist der Band jedoch erst mal herzlich egal (natürlich ist ihnen meine Meinung egal – aber ich stehe mit meiner Meinung ja nicht allein auf weiter Flur). Und während man eigentlich nichts mehr erwartet, hauen einem die Schweden so mir nichts, dir nichts einfach ein Doppelalbum um die Ohren, das sich gewaschen hat. Ja genau. Doppelalbum. 20 Songs. Fast anderthalb Stunden Spielzeit. Hat sich gewaschen. Ja. Richtig gelesen.

Aufgeteilt ist das Album auf zwei CDs zu je 10 Songs, wobei jedes Album mit „The Living Infinite I“ und „The Living Infinite II“ seinen eigenen Titelsong bekommt, die beide jeweils an fünfter Stelle stehen und die beiden Scheiben so wieder in je zwei Teile teilen. Außerdem hat auch jedes Album sein eigenes Intro spendiert bekommen. Soweit zur technischen Seite, nun zur musikalischen: „The Living Infinte“ ist ein typischer Vertreter der Alben, an die ich ohne jede Erwartung herangehe, da ich die Band zwar mal gemocht habe, aber akzeptiert habe, daß sie ihren Zenit überschritten hat. Doch SOILWORK belehren mich hier eines Besseren. Und zwar von Anfang an.

Der Opener „Spectrum Of Eternity“ beginnt leise und ruhig, und wenn man sich gerade auf ein gediegenes Intro eingestellt hat, bricht der Song so richtig über einen herein und SOILWORK hauen mal so richtig auf den Putz. Geil. Und das Beste daran: Die Helsingborger schaffen es, dieses Niveau bis zum Ende der beiden Scheiben zu halten. Ohne einen einzigen Ausreißer nach unten. Gut, es gibt jetzt auch keinen wirklichen echten Ausreißer nach oben, aber das wäre auch ziemlich schwer zu bewerkstelligen. Trotzdem hat man mit „This Momentary Bliss“, „Rise Above The Sentiment“ und „Long Live The Misanthrope“ schon gleich drei Singles ausgekoppelt, die auch allesamt mit Qualität überzeugen können.

„This Momentary Bliss“ z.B. klingt von der ersten Sekunde an wie SOILWORK – aber wie die SOILWORK, die ich mag; das heißt, die SOILWORK von vor 10 Jahren. Dennoch klingt der Song nicht altbacken, nicht nach Anbiederung an das eigene erfolgreiche Schaffen, sondern groovt mit modernen Arrangements so richtig schön durch die Botanik. Alles richtig gemacht, würde ich sagen. „Rise Above The Sentiment“ ist dagegen fast schon ein Midtemposong (was  man bei dem Sechser halt so als Midtempo verstehen kann), punktet mit teilweise verfremdetem Gesang – und groovt und swingt (ja, swingt. Noch schlimmer wird es nur beim „Parasite Blues“, bei dem man unwillkürlich die Hüften schwingen möchte. Denn der Song ist genauso bluesig, wie es der Titel vermuten läßt. Und ja, das ist immer noch Death Metal, denn SOILWORK dürfen das!).

Dafür ist dann „Long Live The Misanthrope“ herrlich schnell, herrlich hart, fällt aber bald wieder ins SOILWORK-Midtempo und endet mit einem ausgiebigen Solo. Auch z.B. „Tongue“ klingt sehr nach „alten“ SOILWORK und man könnte jetzt unken, daß die Band wieder versucht, durch Kopieren des eigenen Werkes an alte Großtaten anzuknüpfen. Ob die Band das wirklich versucht, weiß ich natürlich nicht. Ich würde diesen Vorwurf (so man es denn als Vorwurf betrachten will) dahingegen entkräften, daß ich sage: Es klingt weniger roh, weniger wütend, weniger angepisst als früher, dafür aber technisch versierter und immer noch sehr aggressiv. Nur eben auf eine andere Weise.

Einer der wenigen Songs, die herausstechen, ist das düstere „Vesta“, das irgendwie ganz anders klingt als der Rest, dann aber doch wieder in Songstrukturen zurückfällt, die typisch für die Band sind. Und gegen Ende wird man dann auch nochmal richtig melodiös. Björn „Speed“ Strid beweist wieder einmal, was für ein genialer Sänger er ist und wechselt spielend zwischen cleanen Parts und Growls hin und her. Ebenfalls aus dem Rahmen fällt der letzte Song des Albums, „Owls Predict, Oracles Stand Guard“, der genauso proggig angehaucht ist wie sein Name. Daß man mit Justin Sullivan von NEW MODEL ARMY noch einen bekannten Gastsänger an Bord hat, fällt jedoch leider nicht auf, denn wenn man es nicht weiß, merkt man gar nicht, daß bei „The Windswept Mercy“ noch jemand anderes als Björn Strid singt.

Man mag auf den ersten Blick zwar sagen, daß man ein Doppelalbum nicht unbedingt gebraucht hätte, aber SOILWORK beweisen mit diesem Mammutwerk, daß sie es immer noch drauf haben. Und daß sie auch ohne Wichers unheimlich gute Songs schreiben können. Der einzige wirkliche Negativkritikpunkt an „The Living Infinite“, der mir einfällt, ist, daß sich die Songs doch in ihrer Struktur sehr ähneln und eben keiner wirklich heraussticht. Weder im positiven, noch im negativen Sinne. Doch dem steht gegenüber, daß das neunte Studioalbum der Band insgesamt so gut ist, daß man (zumindest, wenn man die Platte auf dem Rechner hört und deshalb nicht zwischendrin die CD wechseln muß) gar nicht merkt, daß „The Living Infinite“ fast anderthalb Stunden dauert. Die Zeit vergeht mit dieser Scheibe wie im Flug. Für alle, denen es wie mir geht und die die beiden letzten Alben der Band nicht wirklich mochten gilt daher: Zugreifen, kaufen, hören, genießen. Endlich wieder ein anständiges Album von SOILWORK, in meinen Augen (mindestens) das beste seit „Figure Number Five“. Danke! (Anne)

Bewertung: 8 / 10


Anzahl der Songs: 20
Spielzeit: 84:22 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 01.03.2013

Wertung der Redaktion
Jochen Brix Katha Rainer Maik Seb Andreas
7 7,5 9 8 8 8 8,5
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