Blue October - Sway

blueoctober swaynb-nackenschonerManchmal entwickeln sich die Dinge im Leben auf merkwürdige Art und Weise. Da denkt man, dass man nach fast 20 Jahren des aktiven Musikhörens und -erlebens fast alles kennen müsste, was einen so richtig begeistern kann, und dann wird man mehr oder weniger aus Zufall auf eine Band aufmerksam (gemacht), in die man sich auf den ersten Blick „verliebt". Die Rede ist in diesem ganz speziellen Fall von der texanischen Band BLUE OCTOBER, die in den USA bereits seit vielen Jahren eine größere Nummer sind, hierzulande aber noch einiges an Nachholbedarf haben, was vielleicht damit zusammenhängen mag, dass man die Band schlecht einem ganz bestimmten Genre zuordnen kann; und wir Deutschen sind nun einmal Meister im Schubladendenken.

BLUE OCTOBER sind gewissermaßen alternativ-progressiv eingestellt, was so viel bedeutet, dass sie sich kreuz und quer inspirieren lassen und von Album zu Album verändern. Ich selber sehe BLUE OCTOBER vom Gesamtkonzept her als das amerikanische Pendant zu den Schweden von PAIN OF SALVATION, deren Wurzeln allerdings im Heavy Metal liegen.

Beide Bands haben zudem die Gemeinsamkeit, über einen Frontmann und musikalischen Leiter zu verfügen, der in seinen Texten und seinem gesanglichen Ausdruck sein Innerstes nach außen kehren kann. Die Texte von Justin Furstenfeld sind zumeist von persönlichen Themen geprägt, seien es seine Depressionen, seinen Hass, seine gescheiterten Beziehungen und mit „Any Man In America" gibt es sogar ein Konzeptalbum, das sich mit seiner Tochter Blue, und der Trennung von ihr, beschäftigt.

Das sind alles Themen, welche die Musik nicht unbedingt leicht zugänglich machen, aber man wird eben ähnlich wie bei PAIN OF SALVATION mit einer Achterbahnfahrt der Gefühle belohnt und man weiß nie so ganz genau, was einen als nächstes erwartet; so auch auf „Sway".

Denn auf dem neuen, insgesamt siebten Studioalbum, beginnt für BLUE OCTOBER so zusagen ein neues Kapitel. Nachdem man sich in der Vergangenheit häufig den negativen Aspekten des Lebens gewidmet hat, beschäftigt sich Furstenfeld in den neuen Songs mit der Frage „warum das Leben so schön ist". Anstelle von düsteren Motiven, stehen Textzeilen wie „and everything is good", „you're the angel that came and took these clouds away, you made me believe never be weak be strong" oder „i'm not broken anymore" im Mittelpunkt des Geschehens, die eine deutlich andere Sprache sprechen.

Eine solche drastische Veränderung lässt einen erst einmal nichts Gutes erahnen, denn die Vergangenheit zeigt bei so vielen Bands und Künstlern, dass sie sich gerade dann auf ihrem kreativen Höhepunkt befinden, wenn es ihnen „richtig dreckig" geht und in der Tat, dieser neue Ansatz führt wie zu erwarten zu einer musikalischen Veränderung, mit der sich so einige eingefleischte BLUE OCTOBER Fans schwer tun werden; da bin ich sicher.

Angst haben braucht man vor „Sway" aber nicht, denn BLUE OCTOBER bleiben sich zumindest dahingehend treu, dass sie eine Klasse für sich und auf ihre Art und Weise auch außergewöhnlich bleiben. „Sway" besticht als gesamtes Album weniger durch seine Intensität wie beispielsweise „Approaching Normal", "Foiled" oder „Any Man In America", sondern vielmehr durch perfekt inszenierte Pop-/Rocksongs mit großem Crossoverpotential. Man kann auch sagen, wenn BLUE OCTOBER mit „Sway" nicht auch in Europa den kommerziellen Durchbruch schaffen, dann wird es ihnen nie gelingen.

Zwar gibt es mit „Hard Candy" und „Put It In" auch zwei durchgehend rockige Nummern, aber der Großteil des Materials bewegt sich in ruhigerem Fahrwasser, oftmals sehr dezent instrumentiert. Gerade das Schlagzeug wird sehr songdienlich eingesetzt, in diesem Bereich arbeiten BLUE OCTOBER auf „Sway" auch häufiger als gewohnt mit Samples, so dass man sich vorstellen kann, dass sich Jeremy Furstenfeld auf der anstehenden Tour etwas langweilen wird.

Insgesamt stehen die Keyboards, die Synthies und die programmierten Elemente weit mehr im Vordergrund, vielleicht auch weil nach dem Ausstieg von Julian Mandrake kein hauptamtlicher Gitarrist mehr dabei ist. Neben den Gitarren bleibt bei „Sway" leider auch etwas die Violine von Ryan Delahoussaye im Hintergrund, mit der sich BLUE OCTOBER auch von anderen Bands abheben können.

Highlights finden sich dennoch in stattlicher Anzahl auf „Sway", man muss dem Album trotz der gestiegenen Zugänglichkeit, eine gewisse Zeit zur Eingewöhnung lassen. Die erste Single „Bleed Out", das einfach nur angenehme Titelstück oder auch „Things We Don't Know About" sind beispielsweise Songs, die anders aber gerade wegen ihrer Melodien und Spannungsbögen trotzdem fantastisch sind. Auch „Fear" und „Not Broken Anymore", beide eher balladesk inszeniert, sind voller positiver Emotionen, wohingegen das fast schon trancige „Debris" zum Entspannen einlädt. Alle Stärken der neuen BLUE OCTOBER vereint dann das einfach nur wunderschöne „Angels In Everything".

Unspektakulär bleiben hingegen das kurze Intro „Breathe, It's Over" sowie das rein atmosphärische Outro „Be". Ansonsten lässt sich unter den 11 regulären Stücken kein Ausfall verzeichnen; das komplett unrockige „Light You Up", bei dem BLUE OCTOBER für mein Empfinden die Experimente überstrapazieren, dürfte Geschmackssache bleiben.

Es mag sein, dass „Sway" nicht das Album ist, das viele Fans nach „Any Man In America" erwartet haben, denn die stilistischen Unterschiede sind schon gewaltig. Für BLUE OCTOBER ist das jedenfalls der nächste logische Schritt ihres „Bi-Polaren-Art-Rocks" und so lange die vier Musiker eine solche Qualität abliefern wie auch auf ihrem siebten Studioalbum, dürfen sie sich in alle Richtungen bewegen. (Maik)

Bewertung: 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 57:30 min
Label: Membran/Sony Msuic
Veröffentlichungstermin: 30.08.2013

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