boston liveloveandhopeBis heute hält das selbstbetitelte Debüt der Band nicht zuletzt wegen "More Than A Feeling" den Rekord als meistverkauftes Debütalbum aller Zeiten. Diesen dürfte ihnen aufgrund der heutigen Marktsituation auch niemand mehr streitig machen. Zwei Jahre später konnte der Nachfolger "Don´t Look Back" nicht mehr ganz heranreichen, doch das war bei der Klasse des Erstlings auch unmöglich. In den Folgejahren zerfiel das Line-Up immer mehr und Mastermind Tom Scholz machte seinem Namen als Studiotüftler alle Ehre. Nachdem man die goldene Zeit des AOR etwas verschlafen hatte, setzten BOSTON 1986 mit "The Third Stage" und dem Nummer-Eins-Hit "Amanda" noch mal ein großes Ausrufezeichen. Für die nächsten Alben sollte die Truppe jeweils weitere acht Jahre brauchen, diese fielen aber kommerziell und qualitativ immer mehr ab. Auf "Life, Love & Hope" wartete die Fangemeinde sogar elf Jahre, auch bedingt durch den Freitod von Sänger Brad Delp. Was kann die einstige Monsterband heute noch leisten?

Wohlig vertraut klingt das, was einem bei "Heaven On Earth" in die Ohren dringt. Ein nettes unaufdringliches Hardrockriff eröffnet die Scheibe, gefolgt von ganz typischen Melodielinien zu eher simplen Akkordfolgen. Im Refrain kommt dann die klassische Hymnik zum Tragen ebenso wie die altbekannten jubilierenden Leadgitarrenharmonien. Wenn es darum ging mehrere Gitarrenspuren übereinander zu schichten, war Scholz schon immer ein Meister. Schwer vorzustellen, dass dieser Mann wirklich einmal von seinen Direktiven abweicht. Im Gegenteil, die geringfügigen Experimente und Ausflüge ins Singer/Songwriter-Fach von "Corporate America" gehören der Vergangenheit an, hier gibt es unverfälschten BOSTON-Stoff.

Noch stärker wird dieser beim folgenden "Didn´t Mean To Fall In Love" dargeboten, bei dem in der Bridge sehr schöne Akustikgitarren zum Zug kommen.  Auch die feinen Harmonien zwischen Orgel und Gitarre sind sehr gut, wenn sie auch ein wenig an ihren ewigen Superhit erinnern. Nicht nur deswegen kommt einem die Nummer bekannt vor, stand sie wie auch "Someone" und You Gave Up On Love" schon auf dem  Vorgänger.
Bereits auf diesem recyclte Tom Scholz mit "Livin´For You" eine ältere Nummer, hier sind es ganze drei, auf denen noch einmal Brad Delp zu hören ist. Und man muss ehrlich sein, neben dem Opener sind es die besten auf "Life, Love And Hope", "Someone" überzeugt mit sphärischen Keyboards und einem hymnische Refrain "You Gave Up On Love" mit schönem Wechselgesang zwischen Delp und Fran Cosmo.

Im weiteren Verlauf der Scheibe stößt man bei "Sail Away" oder "The Way You Look Tonight" häufiger auf glatte Mainstreammelodien, die man von der Konkurrenz wie STYX oder JOURNEY her kennt, die BOSTON bislang umgingen. Der Titeltrack hingegen zeigt dann wieder die typische Melodieführung und den immer noch großartigen Satzgesang. Doch danach wiederholt sich das alles zu sehr, in "Someday" kennt die Rhythmusgitarre weiterhin nur das eine viel zu einfache Riff. Wo sind der dezent progressive Anspruch von "Don´t Look Back" oder die kernigeren Töne von "Smokin´" geblieben. Das alles läuft einfach nach dem immer gleichen Schema ab, welches sich leider etwas abnutzt.

Natürlich hat die Truppe seit fast 40 Jahren ihren Sound gefunden, doch innerhalb dessen wusste sie die Variationsmöglichkeiten stets auszuloten. Nach den vagen Ausbruchsversuchen auf "Corporate America" geht man hier wieder völlig auf Nummer sicher, weswegen die Variabilität abhanden kommt. Das einzige, was Scholz noch versucht, ist in "If You Were In Love" mit Kimberley Dahme weiblichen Gesang einzubringen, doch das passte schon bei der letzten Produktion einfach nicht.
Auch soundtechnisch sollten angesichts der erfolgreichen US-Tour im letzten Jahr die Mittel vorhanden sein, ein Topprodukt abzuliefern. Leider konnte in der Hinsicht die Vorgänger auch schon mehr überzeugen. Selbst in den technischen Belangen ist der Bandchef völlig in der Vergangenheit gefangen, benutzt immer noch dasselbe Equipment wie beim Debüt. Was damals seiner Zeit weit voraus war, klingt heute nur noch angestaubt.

Es ist natürlich schwer, aktuell zu bleiben, wenn man so für seine eigene Klangwelt steht, doch aufgrund der Kompositionen wäre diese Scheibe auch mit ein paar neuen Impulsen immer noch als BOSTON durchgegangen. So bleiben am Ende ein paar wirklich schöne Momente, die eigentlich keinen Fan enttäuschen dürften, aber nur, wenn man die Vergangenheit nicht als Maßstab nimmt. Um heute noch irgendjemand für die Band zu begeistern, muss ich allerdings eher zu den Klassikern oder den "Greatest Hits" raten. Das Positivste an "Life, Love & Hope" ist die Tatsache, dass diese Formation noch lebt und ich die Hoffnung auf Konzerte in unseren Breiten nicht aufgeben muss. (Pfälzer)

Bewertung: 6 / 10

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 43:22 min
Label: Frontiers Records
Veröffentlichungstermin: 06.12.2013

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