sylvan homeDass dieses Review hier erst einige Wochen nach der Veröffentlichung des zu diskutierenden Albums erscheint, hat einen ganz einfachen Grund. Manche Alben muss man als Hörer einfach eine Zeit lang auf sich wirken lassen, um sie in Gänze und vor allem richtig erfassen zu können. Dass wir es vorliegend mit einem Progressive Album zu tun haben, ist dabei zweitrangig, denn wer die norddeutsche Band SYLVAN bereits kennt, weiß, dass wir es hier nicht mit Frickelprog oder unbeschreiblichen musikalischen Eskapaden zu tun haben. Nein, „Home" bietet einfach so viel an Information, an Emotionen und Tiefe, dass man sich erst einmal mit Hilfe des stetigen Beschäftigens mit diesem Werk rückversichern möchte, ob dieser beeindruckende Zustand von Dauer bleibt oder ob das Empfinden, dass wir es hier mit etwas ganz Großem zu tun haben, im Laufe der Zeit wieder abnimmt.

Dass die Musik von SYLVAN aufwühlt, das ist nichts neues, das war bereits bei „Posthumous Silence" (2006), „Presets" (2007) und „Sceneries" (2012) der Fall, das aktuelle Album setzt sich stilistisch genau zwischen die meiner Betrachtung nach besten SYLVAN Alben. Auf „Home" findet man die hohe Emotionalität wie bei „Posthumous Silence", unterstützt dadurch, dass sich die Band erneut an ein Konzeptalbum heranwagt, vereinfacht gesagt geht es darum, dass eine fiktive Protagonistin auf der Suche ist nach ihrer eigenen Heimat; ein Thema, in das sich die meisten Menschen hineinversetzen werden können.
Auf „Home" findet man ähnlich wie bei „Presets" aber auch einige von der Tendenz her kürzere Songs, die gut ins Ohr gehen und die sich als perfekte Bindeglieder für diejenigen Songs herausstellen, die zwischen sechs und elf Minuten lang sind (also gewöhnliche Progressive Rock Länge), und zuweilen einiges abverlangen.

SYLVAN sind bekanntermaßen Verfechter des ruhigen Progressive Rock/Metal, so richtig deftig wird es in Sachen Härte und Lautstärke nur ab und zu auf „Home", auch der Sound ordnet sich dieser Bedingung unter. Anstelle alles auf Druck und Lautstärke zu setzen, geht man hier genau den umgekehrten Weg und wählt einen enorm natürlichen Sound, der allen Instrumenten gleichermaßen ihren Platz zum Atmen gewährt und wenn es Zeit für die Streicherarrangements wird, dann treten eben diese in den Vordergrund.
Normalerweise kann es gefährlich werden, wenn eine Band alles in Eigenregie produziert, aber SYLVAN haben eine genaue Vorstellung von ihrer Musik und schaffen es, dass alles ausgewogen und in sich stimmig klingt. Da ist es auch kein Problem, dass man die Anlage etwas weiter aufdrehen muss, bis man die perfekte Lautstärke gefunden hat. Eine ähnliche Beobachtung konnte man auch bei den letzten Studioalben von ANATHEMA („Distant Satellites") und OPETH („Pale Communion") machen.

Betrachtet man „Home" aus einer reinen Metaller-Sichtweise, dann besteht das Album zu einem Großteil aus Balladen, es kracht wirklich sehr wenig, wenn dann aber richtig („Point Of No Return", „Shine") und die Atmosphäre wird allem anderen übergeordnet. Da macht sich eben bemerkbar, dass die Musikkunst von SYLVAN stark vom Einfluss des Keyboarders Volke Söhl und vom eindringlichen und individuellen Gesang von Marco Glühmann geprägt ist, der technisch, soweit ich das beurteilen kann, nicht der allerbeste Sänger ist, der es aber erneut schafft nahezu perfekt seine Zeilen zur Musik zu singen. Die Band verfügt aktuell noch nicht einmal über einen festen Gitarristen im Kern-Line-Up, die Gitarren hat Jonathan Beck als Gastmusiker eingespielt.
Langweilig ist „Home" für mein Empfinden trotz der fehlenden Härte nicht, ganz im Gegenteil, denn SYLVAN haben im Vergleich zum Vorgängerdoppelalbum „Sceneries" manches gestrafft, so dass das ganze Konzept nicht mehr so überladen wirkt. Ich gebe gerne zu, dass sich das bei einem Album, welches an der 80 Minuten Marke kratzt, wie eine unlogisch Erkenntnis anhört.

Aber SYLVAN schaffen es eben mit Hilfe von vielen Details und Kleinigkeiten die Spannung konstant am Leben zu halten, seien es nun Gitarrensoli, mit denen man so nicht unbedingt gerechnet hat wie in „Shaped Out Of Clouds", mit einem fulminanten, sich überschlagenden Ende wie in „The Sound Of Her World" oder mit Hilfe von historischen Zitaten wie sie in „In Between" (Albumhighlight eines Highlightalbums) eingebunden werden. Und damit es nicht dauerhaft allzu kompliziert wird, setzt die Band ihre Gänsehautmelodien an genau den richtigen Stellen, man höre „With The Eyes Of A Child" und „Shine".

Das soll es auch bereits gewesen sein mit einem genaueren Blick in die Tiefen dieses Albums, denn bei „Home" macht wirklich von Anfang bis Ende alles Sinn. Versucht man als Musikredakteur „Home" gerecht zu werden, dann müsste man eigentlich ein kleines Büchlein schreiben, denn im Laufe der 77 Minuten gibt es so viel zu entdecken. Man kann es auch schlicht und einfach so zusammenfassen. Diese Band aus Hamburg ist einmalig! Einmalig spitze! (Maik)


Bewertung: 9,5 / 10

Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 77:10 min
Label: Gentle Art Of Music
Veröffentlichungstermin: 20.02.2015

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