Avantasia - Ghostlights

avantasia ghostlightsDa passt man einmal nicht auf, schon sind 15 Jahre rum und AVANTASIA veröffentlichen ihr siebtes Album. Kam das erste nicht grade erst raus? Mannomann…ich werd‘ alt. Aber egal. Da isses nun also, das siebte Album des Projektes von EDGUY-Fronter Tobias Sammet. Das hätte vor 15 Jahren wohl auch keiner gedacht, dass das mal so ein Selbstläufer wird. Mittlerweile sind die Erwartungen an ein AVANTASIA-Album ja immer recht hoch, entsprechend der Qualität der vorangegangenen Alben. Dem letzten Album, „The Mystery Of Time“ hatte ich seinerzeit 9 Punkte gegeben. Mal sehen, ob „Ghostlights“ da mithalten kann.

Durch beruflichen Stress kam ich überhaupt nicht dazu, mir die vorab veröffentlichten Ausschnitte und Songs anzuhören und irgendwann habe ich das dann auch bewusst nicht gemacht, sondern wollte mich vom gesamten Album überraschen lassen. Bei dem geht man gleich in die Vollen und beginnt mit „Mystery Of A Blood Red Rose“, zu dem es auch ein offizielles Video gibt und der mittlerweile aus Funk und Fernsehen bekannt ist (ja, für AVANTASIA läuft mittlerweile Werbung im Fernsehen). Dabei ist der Song genau das, was man von AVANTASIA erwartet, er verfügt über einen tollen Ohrwurmrefrain, den man sofort mitsingen kann (und will!) – einfach ein super Song.

Und das muß man einfach mal so sagen: Der Tobi hat das drauf mit Songschreiben. Das beweist er auch mit dem herrlich düsteren „Let The Storm Descend Upon You“, bei dem er mit Jorn Lande, Ronnie Atkins und Robert Mason gleich drei Gäste an Bord hat, die dem Song das gewisse Etwas verleihen. Dazu kommt die perfekte Orchestrierung, ein weiterer Ohrwurmrefrain – fertig ist der perfekte Song. Und das ist nicht einmal der beste Song auf dem Album. Und dass dieses Meisterwerk über 12 Minuten dauert – das merkt man gar nicht. Hier passiert ständig irgendetwas, die verschiedenen Sänger spielen sich immer wieder den Ball zu. Ganz, ganz großartig. Vielleicht ist es doch der beste Song auf dem Album? Ich bin mir gerade nicht mehr sicher. Ja, ich gerate jetzt schon ins Schwärmen.

Da hat man schon mit den ersten beiden Songs so verdammt stark vorgelegt, dass es schwer werden dürfte, dieses Niveau auch auf dem Rest des Albums zu halten. Aber ein Tobias Sammet wäre ja kein Tobias Sammet, wenn er einfach die Dinge tun würde, die man so erwartet. Und so kann auch „The Haunting“ überzeugen, obwohl der Song nun etwas ganz anderes ist. Die Instrumente ordnen sich hier dem Gesang unter, Dee Snider wird viel Platz eingeräumt und auch dieser Song ist einfach nur toll geworden – und irgendwie typisch AVANTASIA.

Da wirkt „Seduction Of Decay“ schon deutlich düsterer und auch sperriger und trotz schöner Disharmonien würde ich diesen Song zum schlechtesten des Albums küren. Wobei, schlechtester ist jetzt ungerecht, denn schlechte Songs gibt es auf diesem Album nicht – sagen wir zum am wenigsten ansprechendsten. Denn zum einen ist der Song in seiner Gesamtheit relativ unspektakulär, zum anderen leiert Tobi in seinen Parts wie eine 20 Jahre alte Kassette. Hölle, wer hat ihm gesagt, das würde sich toll anhören? Dem gehört auf den Hintern gehauen! Aber feste!

Da freut man sich, wenn es mit dem Titelsong „Ghostlights“ schön flott und in typischer AVANTASIA-Manier weitergeht. Und man kann ja von Michael Kiske halten was man will, aber hier macht er einen verdammt guten Job. Und zusammen mit Tobi und Jorn Lande – da kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen, oder? Ein wahnsinnig toller Song, bei dem man sich schon jetzt darauf freut, den live zu sehen. Und bei dem man auch schon jetzt weiß: das wird ein Fest.

Etwas anders sieht es bei „Draconian Love“ (was darf ich mir eigentlich unter drakonischer Liebe vorstellen?) aus. Bei den ersten Hördurchgängen mochte ich diesen Song nicht so sehr. Die Stimme von Herbie Langhans hebt sich schon ziemlich vom Rest ab. Aber im Grunde macht genau das den Reiz des Songs aus. Seine tiefe, dunkle Stimme kontrastiert super mit Tobis Stimme und paßt am Ende doch richtig gut zu diesem Song, der mmer wieder etwas neues bietet und mit seinem Ohrwurmrefrain geradezu nach einer Liveaufführung schreit. Auch wenn ich gerade nicht weiß, wer das live singen soll. Bei diesem Song hatte ich einige Anlaufschwierigkeiten – jetzt liebe ich ihn. Gerade weil er anders klingt als alle anderen Songs auf dem Album.

Und dann kommt auch schon mein persönliches Highlight auf dem Album. Ich habe mich ja schon öfter als Marco-Fan geoutet. Und ich sehe mich auch jetzt wieder bestätigt. Was Marco Hietala aus „Master Of The Pendulum“ macht, muss man einfach lieben. Sehr schön auch die ganz leichten NIGHTWISH-Anleihen (wie es Tobias Sammet überhaupt immer wieder schafft, den Songs jeweils ein klein wenig einen Hauch der Bands seiner Gäste einzuhauchen). Auch die Gitarren dürfen sich in diesem schnellen Song gerne mal austoben und ich hoffe inständig, dass es dieses Stück auf die Livesetlist schafft. Auch wenn er dann natürlich nicht von Marco gesungen wird. Trotzdem. Ein ganz, ganz großartiger Song. Das Spiel der Stimmen von Tobias und Marco in diesem Stück ist einfach fantastisch.

Und bei „Isle Of Evermore“ hat man dann wieder Gelegenheit etwas runterzukommen. Der einzige Song mit weiblicher Beteiligung wird von Sharon Den Adel im Duett mit Tobi gesungen und ich muss das wiederholen, was ich schon beim letzten Album bemängelt habe: Es dürften ruhig mehr Sängerinnen sein. Diese geben den Songs doch wieder eine ganz andere Klangfarbe als es männliche Sänger tun und das würde den Stücken sicher nicht schaden.

„Babylon Vampyres“, bei dem auch wieder Robert Mason zu Gast ist, ist ein schöner Midtemporocker mit Ohrwurmrefrain und ausgesprochen schönen ausschweifenden Gitarrenparts, der im Vergleich zum Rest der Platte dann aber doch fast etwas unspektakulär ist. „Lucifer“ macht zunächst den Eindruck einer Quotenballade, Tobias Sammet und Jorn Lande brillieren zu Klavier und Streichern, singen ein herrliches Duett, bevor der Song nach über zwei Minuten Spannungsaufbau explodiert. Ein großartiges Stück mit einem großartigem Jorn Lande. Und natürlich einem großartigen Tobias Sammet.

Da ist „Unchain The Light“, mit Ronnie Atkins und Michael Kiske, eine richtige schöne typische AVANTASIA-Nummer, wie man sie erwarten würde. Aber man muß ja nicht immer überrascht werden. Auch diese Nummer ist ein schönes Stück, das vor allem vom Spiel zwischen den drei Stimmen spielt. Den Abschluss des Albums macht dann „A Restless Heart And Obsidian Skies“, ein zunächst ruhiger und sanfter Song mit einem tollen Bob Catley der sich dann aber auch zu einem für AVANTASIA typischen Song mit vielen Chören und Ohrwurmrefrain entwickelt, richtig Spaß macht und dann das Album ruhig ausklingen lässt.

Und wieder muss man sagen: Tobias Sammet hat einfach ein Händchen für eingängige Songs. Aber nicht nur für das, auch für Orchestrierung und das Zusammenspiel verschiedener Sänger. „Ghostlights“ ist ein Album, bei dem ich mir jeden Song auch gut live vorstellen könnte. Mir persönlich würde es da schwerfallen, eine Auswahl zu treffen. Würde mich mal interessieren, wie der Herr Sammet das macht. Würfeln? Wie auch immer, „Ghostlights“ dürfte keinen Fan von AVANTASIA enttäuschen. Wobei Tobias Sammet wahrscheinlich gar nicht weiß, wie das mit dem Enttäuschen geht. An dieser Scheibe gibt es nicht wirklich etwas auszusetzen. Hier und da hat man mal einen kleinen Fetzen, der nicht so ganz den persönlichen Geschmack trifft, aber im Großen und Ganzen ist auch das siebte Studioalbum wieder großartig (ich verwende das ziemlich oft, oder? Tja, könnter mal sehen.) geworden und ich kann jetzt schon sagen, dass es bei meinen Topalben des Jahres irgendwo oben rumhängen wird. (Anne)

 

Bewertung:

Anne9,0 9,0 / 10

Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 70:23 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 29.01.2016

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