myrath legacyTunesien ist von uns aus betrachtet eher ein exotisches Land, auch wenn es vielen durch den Tourismus näher gekommen ist. Der kommt derzeit wegen unverbesserlichen Fanatikern zum Erliegen und auch fremde kulturelle Einflüsse sind in der arabischen Welt nicht gerne gesehen. Das bekommen auch immer wieder Metalmusiker zu spüren, Beispiele gab es leider jüngst genug. Ob es daran liegt, dass MYRATH mittlerweile in Frankreich leben, von wo ihr Drummer stammt, kann ich jetzt nicht sagen. Was man mit Sicherheit sagen kann, ist dass die Truppe auf ihren bisherigen drei Alben einen tollen Beitrag zur Verbindung von Kulturen geleistet hat. Nun erscheint mit "Legacy" endlich ihr neues Studiowerk, das in ihrer neuen Heimat schon länger erhältlich ist. Für den Rest der Welt konnte man mit EAR Music eine lukrativen Deal ergattern, der ihnen ein paar Türen öffnen dürfte.

Die 2001 gegründete Formation verknüpft die Folklore ihres Herkunftslandes mit Metalriffs – und rhythmen sowie orchestralen Parts, durch die ein Hauch von 1001er Nacht weht. So bekommt das außer ihnen nur noch ORPHANED LAND hin, kein Wunder, dass beide Bands befreundet sind. Als grober Querverweis kann da eine Mischung aus SYMPHONY X, mit denen sie jüngst tourten, und vor allem hinsichtlich der Melodieführung KAMELOT herhalten, dezent progressiver Power Metal steht im Vordergrund. Durch das Einweben des Lokalkolorits wird natürlich der progressive Faktor verstärkt, ohne dass man auf gängige Schemen zurückgreifen muss.

Schon das Intro „Jasmin“ ist deutlich von orientalischen Klängen inspiriert, steigert sich im Verlauf dramatisch hinein in die Fanfare des vorab veröffentlichten „Believer“. Der Opener rockt ordentlich nach vorne, zeigt Biss, wartet mit einem hymnischen Chorus auf, lässt die fremden Einflüsse aber nie vermissen. Gerade bei solchen Titeln wie dem orchestralen „I Want To Die“ zeigt sich die Stärke von Sänger Zaher Zorgati, der über eine unbeschwerte Melodiösität verfügt. Damit veredelt er speziell die geradlinigeren Tracks, allen voran die dynamische Halbballade „Duat“, welche mit einem weiten Refrain glänzt.

Aber auch die sehr von nahöstlicher und nordafrikanischer Folklore geprägten Nummern meistert der Mann perfekt, durch den ethnischen Background wirken diese Momente authentischer. Etwa das vertrackte „Nobody´s Lives“, in dem Zorgati fast beschwörend klingt. Hier spielt die Geige eine große Rolle, ebenso wie in „Endure The Silence“ oder dem dynamischen „The Unburnt“.
Was hier von einem echten Orchester stammt und was aus der Klangbibliothek von Keyboarder Elyes Bouchoucha kann man nicht zweifelsfrei sagen. Im Gesamtkontext klingt das sehr harmonisch mit dem epischen Synthesizerflächen zusammen, eine gewisse Sterilität lässt sich aber nicht verhehlen. Die gilt auch für den Rhythmusbereich, da einige ergänzende Patterns programmiert scheinen.

Richtig interessant wird es, wenn sie sich die Herren verspielt geben und ins progressive Fach rücken. Songs wie „The Needle“ werden von harten groovigen Riffs eingeleitet, nehmen dann erstmal das Tempo raus, um interessanten Rhythmusfiguren und getragenen, mystischen Melodien Raum zu geben. Auch hinsichtlich der Gitarrenakrobatik müssen sich MYRATH nicht verstecken, wobei Malek Ben Arbia immer songdienlich bliebt. Neben vielen atmosphärischen Fills und vertrackten Läufen wie beispielsweise in „Through The Eyes“ weiß er mit klassischen Soli auch die traditionelle Metalkante zu schmieden.

„Legacy“ könnte somit für die Tunesier zum großen Durchbruch werden, denn derzeit können sie mit einer Einzigartigkeit punkten. Erstaunlich ist vor allem das reife Songwriting, das mit vielen kleinen Einfällen glänzt, die erst einmal alle entdeckt werden wollen. Ebenso beeindruckend erweist sich die Produktion, die neben den erwähnten Mängeln absolut internationalen Ansprüchen genügt und druckvoll rüber kommt. Am Ende haben sie mit dem großartigen, mächtigen „Storm Of Lies“ noch einen echten Hit im Gepäck, der die durchgehend hohe Qualität bestätigt. Egal ob zum Abrocken oder zum Wegträumen in ferne Welten, die Scheibe funktioniert immer. (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10


Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 51:10 min
Label: EAR Music
Veröffentlichungstermin: 29.04.2016

 

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