Rush - 2112 (Anniversary Edition)

rush 2112 40coverÜber kaum ein Album existieren so viele Legenden wie über das Durchbruchalbum der Kanadier. So wurde Cliff Burnstein, der damalige A&R der Plattenfirma vorgeschickt, um denen Verantwortlichen zu erklären, dass es dieses Mal ein Lied gibt, welches über eine komplette LP-Seite geht. Beim Vorgänger „Caress Of Steel“ erlitten RUSH mit Longtracks Schiffbruch weswegen Mercury darauf bedacht waren, das die Band etwas kompakter komponiert. Doch der Erfolg gab dem Trio recht, das Titelstück ist bis in die heutige Zeit ein Maßstab, an dem sich alle Progbands messen müssen, dessen Einfluss unschätzbar ist. Wie kein Album zuvor rückte „2112“ progressive Strukturen in ein rockiges Format und war in Sachen Arrangierkunst wegweisend. Damit definierte die Formation ihren Sound, den sie bis heute durch alle Trends und Modeerscheinungen brachten. Nun jährt sich die Veröffentlichung dieses Meilensteins der Rockgeschichte zum vierzigsten Mal. Zu dem Anlass erscheint die Scheibe neu überarbeitet mit allerlei Bonusmaterial in verschiedenen Formaten, können diese dem Meisterwerk neue Aspekte abgewinnen?

Und lag zur Rezension das edle Digipack mit 2 CDs und einer DVD vor, wobei sich auf dem ersten Silberling das neu remasterte Album befindet. Das mag sich vor allem für diejenigen, welche das Original auswendig kennen ungewohnt anhören, denn ein Unterschied ist definitiv auszumachen. Das Gesamtbild erscheint kristallklar, jedes Detail wird deutlich hörbar, so differenziert hat man dieses Werk noch nie wahrgenommen. Speziell die Stereoeffekte bei der „Overture“ sind gigantisch, Kopfhöreralarm.
Dabei wird die Grundabstimmung, die Balance zwischen den Instrumenten nicht verwässert, die Töne bekommen im warmen Klang nur mehr Raum. Es gelang, dieses Scheibe ohne große Reibungsverluste in die heutige Zeit zu transportieren, dass es fast als zeitgemäßes Werk durchgehen könnte. Allerdings geht ein wenig des ursprünglichen rauen Charakters unter, die Gitarren haben nicht mehr diesen schönen kantigen Sound.

Bei den zusätzlichen Tracks wird es richtig interessant, vor allem bei den Coverversionen. Als erstes übt sich Nick Raskulinecz, der Produzent der beiden letzten RUSH-Alben zusammen mit Dave Grohl und Taylor Hawkins von den FOO FIGHTERS an der „Overture“. Die erhält mehr rockigen Drive als das Original und überrascht am Ende mit einem Riff aus „YYZ“. Noch rockiger, fast rotzig fällt die Version von A Passage To Bangkok“ aus, die BILLY TALENT eingespielt haben, welche dem Song eine neue Energie verleiht und den Chorus noch mehr in Richtung Stadion drängt. Mit STEVEN WILSON nimmt sich ein Meister der Atmosphäre „The Twilight Zone“ vor und gewinnt damit. Die Leads sind deutlich mehr heraus gestellt, lediglich seine charakteristische Stimme kommt nicht so zum Vorschein.

Hier können ALICE IN CHAINS richtig punkten, denn der Refrain von „Tears“ scheint nur für ihre Vokalharmonien komponiert worden zu sein. Dazu übernahm, wie schon beim Original, Artworker Hugh Syme das Mellotron und baute ein paar zusätzliche Orchestrierungen ein. Damit erzeugt man eine traumhaft tiefe Atmosphäre, der man sich kaum entziehen kann. Eine eher unspektakuläre RUSH-Nummer gestaltet sich zum Kleinod, eine der brillantesten Covers, die ich je gehört habe. Auch YouTuber Jacob Moon setzt mehr auf rockiges und sphärisches Terrain, nimmt dafür „Something For Nothing“ etwas die Schärfe. Die genialen Drumparts fehlen, dafür kommt der Titel mehr in den Fluss und zeigt den Einfluss auf den Alternative Rock auf.

Dazu gibt es noch Livetracks von „2112“ und „Something For Nothing“, die im Juni 1976 in der Massey Hall in Toronto aufgenommen wurden. Hier hat die Band ihr kantiges Spiel jeder Zeit wieder, leider fällt das Klangbild etwas dumpf aus. Das macht aber deutlich, dass an dem zum Teil aus den Konzerten stammenden „All The World´s A Stage“ nachgebessert wurde. Noch deutlich schlechter von der Abmischung gerät „The Twilight Zone“, welches am 27. April 1977 in Washington eingespielt wurde. Doch man beließ es absichtlich bei dieser Version, um die geschichtliche Relevanz der selten live gespielten Nummer zu wahren. Am Ende der zweiten Scheibe gibt es noch eine Radiowerbung für das Album aus der damaligen Zeit, gibt es so etwas heute überhaupt noch?

Auf dem dritten Silberling präsentiert diese Box dann Audiomaterial, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Gig vom 10. Dezember im Capitol Theatre von Passaic, New Jersey liegt. Er zeigt die Band in der Phase, als sie vom rohen Hardrock zu jenen anspruchsvollen Progvordenkern mutierte, die sie heute ist. Vom Stageacting hat sich nicht viel geändert, außer dass die Soli weit mehr zelebriert wurden als heute, wo sie mehr Teil des Songs sind. Soundtechnisch ist das in Ordnung, nur optisch geben die vierzig schwarz-weiß gefilmten Minuten nicht so viel her. Als Zeitzeugnis dennoch wichtig.
Weitere Videos zeigen den Clip zum Cover von „Overture“ und Studioouttakes von der BILLY TALENT-Session. Zum krönenden Abschluss gibt es ein ausführliches Interview, in dem Gitarrist Alex Lifeson und Produzent Terry Brown „2112“ noch einmal Revue passieren lassen. Bei blendender Laune referieren die beiden über die Aufnahmen, die Ideen dahinter, ebenso wie über den Erfolg und den Einfluss, sogar die Coverversionen werden thematisiert. Selbst für Fans, die das Album auswendig können, ist die „40th Anniversary Edition“ eine lohnenswerte Anschaffung, wenn es da draußen noch jemanden ohne geben sollte – jetzt zugreifen! (Pfälzer)

 

Pfaelzer0,0 - / -


Anzahl der Songs: 6 (CD1)/10 (CD2)/9 (DVD)
Spielzeit: 39:08 min (CD1)/64:26 min (CD2)/ca. 72 min (DVD)
Label: Anthem/Mercury/Universal
Veröffentlichungstermin: 16.12.2016

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden