Jack Russell´s Great White - He Saw It Coming

greatwhite hesawitcomingIch weiß nicht, was diese Unsitte soll Bands in zig Formaten rund um den Globus zu schicken? Bei QUEENSRYCHE und WISHBONE ASH machten glücklicherweise Anwälte dem Treiben ein Ende, und ganz so ein schlimmes Chaos wie die in gefühlt 38 Inkarnationen existierenden RATT veranstalten GREAT WHITE auch nicht. Doch so ganz werde ich deren Split mit Frontmann Jack Russell nicht schlau. Immerhin war er über dreißig Jahre dabei, man ging durch wirklich alle erdenklichen Höhen und Tiefen, nun macht plötzlich Terry Ilous weiter. Der alte Sänger saß aber nicht untätig herum und versammelte neue Leute um sich, u.a. der frühere GREAT WHITE-Bassist Tony Montana an der Gitarre. Unter dem Banner JACK RUSSELL´S GREAT WHITE veröffentlichten sie nun mit "He Saw It Coming" ihren ersten Longlayer.

War das letzte Werk seiner ehemaligen Kollegen sehr Hard Rocklastig und eher konventionell, so bedient sich Russell eher weniger dieser Klänge. „Sign Of The Times“ kommt mit atmosphärischen Akustikklängen und dem gefühlvollen Gesang des Mannes, der immer eine gewisse Melancholie mitschwingen lässt. Wenn der Track dann anzieht, erinnert er herrlich an die Mittachtziger-Phase seiner früheren Band, die Riffs treiben und werden von ein paar knalligen Wendungen akzentuiert. Das ist aber nur ein kurzes Intermezzo in seiner Vergangenheit, diese Richtung bedient lediglich noch das geradlinige „Blame It On The Night“.

Schon der zweite Track lässt aufhorchen, ein cooles Bassmotiv wird von ebensolchen rhythmischen Gitarren übernommen. Ein wenig Weltmusik, ein wenig Soul machen „She Moves Me“ zu einer unglaublich lässigen Angelegenheit. Jack Russell gräbt tiefer in der Musikgeschichte und fördert dadurch mehr Tiefe hervor, er geht hier deutlich verspielter und offener zu Werke. Mindestens genauso abgehangen biegt „Crazy“ um die Ecke, mixt angefunktes mit Psychedelischen Pop-Melodien und einem tollen Solo.
Dessen Spontaneität hat im Ansatz schon etwas von Hendrix, und so kommt zu Beginn des ebenso funkverdächtigen „Don´t Let Me Go“ das WahWah-Pedal verstärkt zum Einsatz. Auch die hippeske Attitüde im Refrain tendiert klar zu den Spätsechzigern. In „My Addiction“ nimmt sich die Strophe sehr zurück, um dann ruppig loszurocken. Wo die alten Kameraden in fünf Minuten immer den Song im Auge behalten und kaum zur Seite schielen, hauen JACK RUSSELL´S GREAT WHITE in vier Minuten weit mehr Ideen heraus.

Speziell der Titeltrack zeigt, wie vielfältig die Fünf agieren, die Harmonien aus spärlichen Riffs und dem fordernden Piano atmen den Geist von QUEEN, ein Effekt, der in den Gesangsharmonien noch weiter verstärkt wird. Noch interessanter werden die Vokalarrangements beim abschließenden „Gospeed“, welches a capella vorgetragen wird, mit der Voicebox als einzigem Instrument. Wo die verbleibenden Originalmitglieder berechenbar wirken hat der gute Jack immer noch den Blues und mehr Mut.
Auch bei den Balladen wird seine markante Stimme vermisst, Ilous kann zwar kraftvoll agieren, aber die feinen Nuancen beherrscht sein Vorgänger besser. „Love Don´t Live Here“ präsentiert sich als klassische Powerballade, aber angenehm kitschentschlackt. Die Orgel übernimmt die Führung, der zweite Gitarrist Robby Lochner streut bluesige Licks ein, bevor der Chorus sehr einprägsam ausfällt. Mehr Feeling beweisen die Herren in „Anything For You“, welches rein akustisch und sehr intim aufgenommen wurde.

„He Saw It Coming“ liefert genau jenes Gegenstück zu „Elation“, das man damals vermisste. Lupenreinen Hard Rock findet man nur in wohl dosierten Mengen, Jack Russell steht für so viel mehr, Dinge, die man zuletzt bei GREAT WHITE vermisste. Diese Ideen bekommen in der luftigen Produktion auch genügend Platz, sich zu entfalten. Auf der anderen Seite agieren diese heute wesentlich druckvoller und verlieren sich nicht so in Details wie diese Version der Band. Nach ihrem gemeinsamen Schaffen klingen beiden, was am Ende auf ein Unentschieden hinaus läuft. Aber es zeigt auch, dass sie nur gemeinsam in der Lage sind großes zu erschaffen. (Pfälzer)



Bewertung:

Pfaelzer6,5 6,5 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 40:53 min
Label: Frontiers Records
Veröffentlichungstermin: 27.01.2017

Kategorie: CD-Reviews