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michaelschenker liveinmadridIn den Nullerjahren dümpelte die Karriere des deutschen Gitarrengotts ziemlich vor sich hin. Die Alben hinkten weit hinter seinem Standard hinterher und gesundheitlich ging es ihm auch nicht sonderlich gut. Das führte auch zu einer immer selteneren Livepräsenz, wobei da auch die vielen Wechsel bei seiner MSG mitverantwortlich waren. Erst die Kollaboration mit Produzent Michael Voss brachte MICHAEL SCHENKER wieder in die Spur. Seit der Gründung von TEMPLE OF ROCK läuft es rund, auch das Line-Up ist stabil und mit bekannten Gesichtern gespickt. Die Rhythmusfraktion um Francis Buchholz und Herman Rarebell war lange zusammen bei den SCORPIONS aktiv. Der neue Frontmann Doogie White durchschritt nach RAINBOW ebenfalls ein Tal und hat hier wieder eine feste Formation gefunden, während Wayne Findlay den Meister schon länger begleitet. Nach drei Studioscheiben mit der Truppe war es nun Zeit für ein Livedokument. „On A Mission“-Live In Madrid“ führt die Mission fort, die mit dem letzten Studiooutput „Spirit On A Mission“ begonnen wurde.

Wer sich nun fragt, warum ausgerechnet die spanische Hauptstadt Ort der Aufnahmen war, muss sich nur mal den Enthusiasmus anhören und sehen, mit dem die Fans von Beginn an dabei sind. Dazu kommt, dass dieses dreistöckige Venue, durch seine enge Bauweise die Zuschauer eben sehr nah an die Bühne rückte und der Lärmpegel auch im Auditorium nach oben schnellte. So war es einfach logisch das ehemalige Theater „Joy Eslava“ am 19.November 2015 für diese Aufzeichnungen auszuwählen.

So enthusiastisch die Fans unten in der Menge, so spielfreudig sind auch die Musiker oben auf der Bühne. Wann hat man einen Michael Schenker schon einmal posen gesehen, eine Reihe Rockstargesten durchexerzieren oder gar mit den ersten Reihen abklatschen. Da kann ich mich noch an ein Konzert 2004 erinnern, bei welchem der Publikumskontakt gleich null war. Natürlich hat er bei seinen Soli die obligatorische Flying V auf dem Oberschenkel stehen und wirkt sehr versunken, diese typische Haltung hat er nie verlernt.
Doch insgesamt wirkt er sehr viel gelöster als noch vor ein paar Jahren, die Arbeit mit seiner neuen Band scheint ihn zu beflügeln, was man schon bei einem Gastspiel vor zwei Jahren in Mannheim merkte. Ebenso ungewöhnlich, dass er Findlay bei den SCORPIONS-Songs, welche er nicht mitkomponiert hat, die Soli überlässt, das durfte zuletzt Mitch Perry. Der Wuschelkopf meistert den Spagat zwischen Keyboards und Gitarre sehr gut, eine Arbeitsteilung, die ich gut finde, da man als Songschreiber bei der Instrumentierung variabler ist. Zu Schenkers klassischem Spiel liefert er mit seinen tiefer gestimmten Tönen aus seinen Dimebag-Signature-Äxten einen guten Kontrast.

White geht ganz in der Frontmannrolle auf und dirigiert das schon sehr stattliche Publikum. Vorbei die Zeiten in ganz kleinen Clubs mit CORNERSTONE oder der fast schon Bühnenverweigerung eines Herr Malmsteen. Bei genauem Hinhören erkennt man, warum ihn Blackmore einst auswählte, um die Fußstapfe von Ronnie James Dio auszufüllen. Es sind die großen, pathetischen Melodiebogen, die dem Sänger am besten liegen. Passenderweise hat er beim Dio gewidmeten „Before The Devil Knows You´re Dead“ einen seiner besten Auftritte. Wobei ohnehin erstaunlich viele Titel der drei Scheiben dieses Bandvehikels den Weg ins Set gefunden haben. Ganze acht, die Hälfte davon vom aktuellen Longplayer, wobei nie zwei davon am Stück kommen, um die Hörer nicht mit Neuem zu überhäufen.

Was ein wenig schade ist, dass nur drei Stücke der alten MSG zum Besten gegeben werden, dafür dürfen sich UFO-Fans im Publikum nicht beschweren. Ob es Sinn macht Nummern der SCORPIONS zu bringen, bei denen MICHAEL SCHENKER nicht beteiligt war, lasen wir mal dahin gestellt, an deren Klasse ändert das nichts. Zugestehen muss der Betrachter allerdings, dass bei den Stücken die beiden ehemaligen Recken von Deutschlands größtem Rockexport besonders in Szene gesetzt werden. Buchholz geht mehr aus sich raus, sucht den vorderen Rand der Bühne, und rockt wahlweise mit einem der beiden Sechssaiter. Hinten steht Rarebell während der Mitsingaktionen und feuert das Publikum zusätzlich an, was dieses dazu veranlasst den Mann abzufeiern.

Gerade diese Interaktion wurde bei „On A Mission-Live In Madrid“ immer wieder toll visualisiert, oft geht die Kamera direkt in die Gesichter der Fans. Zwar sind einige Kamerapositionen etwas unvorteilhaft gewählt, doch vor allem das Spiel des Saitenderwischs ist brillant eingefangen. Viele Close-Ups ermöglichen dem Zuschauer genaue Blicke auf die Zauberfinger von Schenker, jedes Mal ein Genuss. Da ist es auch hilfreich, das die Einstellungen oft lange bleiben und hektische Schnitte vermieden werden.
Durch die Höhe des Raums kommt es auf der relativ kleinen Bühne nicht zu Überblendungen, teilweise kommt sogar die Lightshow zur Geltung. Ebenso gut wurde der Klang auf den Silberling gebannt, die druckvolle Abmischung schmälert den Livecharakter nicht. Ebenso toll, wie auch das Publikum stets gut zu hören ist und dieses authentische Feeling verstärkt. Als Bonus gibt es noch ein paar witzige Soundcheckauszüge und Aufnahmen vor der Halle, als sich Doogie White vorm Konzert unter die Leute mischt. (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer7,5 7,5 / 10


Anzahl der Songs: 22
Spielzeit: ca. 125 min
Label: In-Akustik
Veröffentlichungstermin: 29.04.2016

 

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