Am 25. Juni 2024 war endlich wieder im Den Atelier in Luxemburg hemmungslose Partytime angesagt, die allen Emanzen und Suffragetten die sphärische Verachtung und Zornesröte ins Gesicht treiben sollten. Heute fanden sich keine Regenbogenfahnen-Träger oder U 2 Hörer ein. Die parodistisch geprägten, selbst ernannten kalifornischen „Sex-Götter“ von STEALPANTHER, sollten sich die Ehre geben, um sich mit ihrem wortreichen „Crooning“ mit der wirklich gesamten Palette anzüglicher politischer Inkorrektheit vom Publikum feiern zu lassen. Hört sich übel an aber die Crux der Sache ist eigentlich, dass man die göttlich überzogene Satire ihrer klischeehaften Sex-Protzerei nicht so ernst nehmen sollte; wie so vieles im Leben.
LUCAS FERRAZ
Nicht ganz zum Headliner passend durfte der brasilianische Wahl-Luxemburger Lucas Ferraz, der bereits SLASH supportete, sein halbstündiges Programm der zu Beginn noch recht überschaubaren Saalmenge präsentieren. Immerhin hatte er Heimspiel und die Band machte ihre Sache verdammt gut. Das markante Schlagzeugintro von „What They Say“ läutet das Konzert ein und mündet in breitwandige Gitarrenriffs der drei Gitarristen. Die Band ist sehr gut eingespielt, Lucas Ferraz ein cooler Sänger und die Gitarrenfraktion sorgt durchgängig für einen fetten und harten Sound, der einen geilen und heftig groovenden Vintage-Vibe erzeugt. Reminiszenzen zu BLACKSTONE CHERRY, PEARL JAM oder BLACKREBEL MOTORCYCLE CLUB sind unverkennbar. Die acht Songs des Sets sind überwiegend im Midtempo-Bereich angesiedelt, gefallen mir und dem Publikum aber recht gut durch ihre düstere und schwere Attitüde. Der Schlusssong „Dreams In My Head“ zeigt schon fast eine punkige Ausrichtung. Wohlwollender Applaus verabschiedet die „Luxemburger“, die in einem anderen Kontext Headliner-Qualitäten besitzen und kontrastreichen, hingebungsvollen Rock zum Anfassen spielen.
Setlist LUCAS FERRAZ:
What They Say
Play Your Game
Don`t Do Today
My Love
The Last Call
Deep Inside Your Heart
Demons In My Head
STEEL PANTHER
Heute aber verlangt die Fanschar des mittlerweile aus allen Nähten platzenden Den Atelier offensichtlich nach Spaß, Party und einem unbeschwerten Achtziger-Lebensgefühl; Glamrock getreu dem Motto des Headliners: „I'm Going To A Party Tomorrow Night, I'm Gonna Get Some Pussy“. Zum Thema Spaß im Leben und in der Musik fällt mir gleich das Zitat des Frontmanns Michael Starr ein:“ Kurt Cobain hat sich erschossen, weil er seine eigene Musik nicht mehr ertragen konnte.“
STEELPANTHERs engste Gefolgschaft ist optisch leicht erkennbar, teilweise durch die überzeichnete Erfüllung aller Klischees der Achtziger: Neben traditionellen Metal-Outfits, sieht man jede Menge Spandex-Hosen, Leopardenmuster, übelst hochtoupierte Perücken und noch mehr Tücher, Bandanas und Schweißbänder. Auch zahlreiche leicht bekleidete, volltätowierte Frauen, die aussehen als seien sie aus einem Musikvideo von STEELPANTHER entsprungen, sind heute anzutreffen.
Um 21:00 Uhr betritt die Band im Rahmen ihrer „On The Prowl“ Welttournee die Bühne zu den Klängen von VAN HALENs „Everybody Wants Some!!“. Die Jungs um Sänger Michael Starr, Gitarrist Satchel, Drummer Stix Zadina und Bassist Joe „Spyder“ Lester, der den Publikumsliebling Lexxi Fox 2022 ersetzte, eröffnen mit der rasant schnellen inoffiziellen Hymne der Band „Eyes Of A Panther“ und hauen anschließend sofort „Tomorrow Night“ ein Heavy Metal-Paradestück raus, mit der eindringlichen Aufforderung an alle zu feiern, Drogen zu konsumieren und ausufernd zu vögeln. STEEPPANTHER hat das Publikum vom ersten Ton an voll im Griff und das ganze ATELIER gibt Vollgas bis zum Ende. Ich muss zugeben, dass ich STEELPANTHER skeptisch gegenüberstand, weil ich mir als großer DOKKEN und CRÜE-Fan stets unsicher war, ob die das wirklich ernst meinen. Musikalisch sind die Jungs aus Hollywood erste Liga, mir ist allerdings der Comedy-Part etwas zu ausgiebig, wobei die Wortgefechte und Prahlereien gerade zwischen Satchel und Micheal Starr über die Anzahl der „flachgelegten Pussys“, dem biblischen Alter des Sängers, den Sprüchen über dessen (angebliche) Schönheits-OPs, sowie den verbalen Schwanzvergleichen zwischen beiden schon für gute Unterhaltung auf niedrigstem Niveau führen. Michael Starr informiert dann auch das Publikum, dass er nur so gut aussieht wegen seines permanenten Kokain-Konsums und das schließlich die geilste Droge der Welt ist. Einig ist man sich dann allerdings, dass Mick Mars von MÖTLEY CRÜE wohl den kleinsten und dünnsten Schwanz besitzt. Na ja, es erscheint auch etwas makaber, dass sich Drummer Stix einen Arm unterm Shirt verbirgt und zu den Klängen von DEF LEPPARD zeigt, dass auch er einarmig wie Rick Allen trommeln kann.
Dennoch weiß man aus zahlreichen Interviews, dass die Show halt auch großes Slapstick- Theater ist und die Band eine einzigartige Hingabe zu den Ikonen der Achtziger wie VAN HALEN, POISON, DEF LEPPARD, GUNS N ROSES, DOKKEN, JUDAS PRIEST, WHITESNAKE, MÖTELY CREW verbindet. Satchel präsentiert seine Gitarre mit der Aufschrift „1987“, würdigt mit dem gleichnamigen Song der glorreichen Zeit, und lässt spätestens bei seinem ausufernden Solo keinen Zweifel über seine musikalischen Fähigkeiten aufkommen. Nebenbei ist „1987“ eine der besten Power-Balladen seit langer Zeit.
„Death To ALL But METAL“ („Death To Britney Spears, Kill The Little Slut, Kill Madonna Too And Then Fuck Her In The Butt“) wird frenetisch von der Menge gefeiert; nahezu der gesamte Text wird von dem völlig euphorisierten Publikum gesungen; kaum jemand, der nicht die Faust in die Höhe streckt. Ja, gerade in Deutschland ist schon so einiges von STEELPANTHER auf dem Index gelandet, aber Provokation und künstlerische Überzeichnung waren doch schon immer Teil des Musikgeschäftes. Frank Zappa hat in den Siebzigern schon seine übersexualisierten Themen in Textzeilen geformt und sogar noch auf Deutsch gesungen („Fick mich du miserabler Hurensohn“).
Die deutsche Bundesprüfstelle befand ja wörtlich, dass STEELPANTHER als „omnipotente Rockstars scheinbar allgemeingültige Thesen über die Behandlung von Frauen im sexuellen Kontext verbreiten und das Potenzial einer sozialethischen Desorientierung Jugendlicher durch die Texte gegeben sei“. Wahnsinn, als wären die Jugendlichen von heute durch Gesänge über „Pussys“ oder Analverkehr traumatisiert. Was für ein Unsinn. Der STEELPANTHER-Community geht das allerdings eh am Allerwertesten vorbei und so füllt sich obligatorisch auch die Bühne randvoll mit Mädels bei „17 Girls In A Row“ und „Party Like Tomorrow Is The End Of The World“.
Mit „Gloryhole“ endet ein sehr unterhaltsames Konzert der Speerspitze des heutigen Glam-Metals, der Dank STEELPANTHER weiterlebt und den gesamten Saal zum Schwitzen und Tanzen animierte. Wohl wissend wie sehr die Band polarisiert, die Texte an Obszönitäten nicht zu überbieten sind und der infantile Humor nicht jedermanns Sache ist, sollte man sich doch vor Augen halten, dass hier verdammt gute Musiker eine bewusst provokante Persiflage von Sex, Drugs And Rock N Roll verbreiten. Zum Ende noch meine Lieblings-Geschichte von Satchel: „Ich kannte mal einen echt netten Jungen, der während eines Weihnachtsessen im Kreis seiner Familie unsere Platte gehört hat. Danach ist er aufgesprungen und hat vor versammelter Mannschaft seine Tante in den Hintern gefickt.“ Völlig irre aber noch irrer ist derjenige, der über so einen offensichtlichen Blödsinn noch wie ein deutscher Politiker entsetzt, empört und ein Stück weit auch betroffen ist. Wichtig ist doch nur eins: aus dem Atelier ging an diesem Abend niemand heim, der nicht völlig befriedigt war. (Bernd Eberlein)
Setlist STEEL PANTHER:
Eyes of a Panther
Tomorrow Night
Sleeping on the Rollaway
Asian Hooker
Photograph (Def Leppard Cover; Intro only)
Just Like Tiger Woods
Friends With Benefits
Guitar Solo by Satchel
Death To All but Metal
1987
Ain’t Dead Yet
Impromptu Song For a Girl
Weenie Ride
17 Girls in a Row
Party Like Tomorrow Is the End of the World
Seven Nation Army (The White Stripes Cover; Intro only)
Gloryhole
(Fotos: Alex)
Steel Panther + Lucas Ferraz (Fotos: Alex)