Myles Kennedy + Black River Delta (17.11.2024, Luxemburg)

Noch heute rede ich häufig davon und denke voller Freude an einen unvergleichlichen Abend zurück. Inzwischen folgten auf “Year Of The Tiger” bereits zwei weitere Alben und für das aktuelle “The Art Of Letting Go” kommt der ALTER BRIDGE Frontmann erneut nach Europa. Am 17.11 machte er zusammen mit BLACK RIVER DELTA Station in Luxemburg.

BLACK RIVER DELTA

Noch kurz vor dem Konzert wurde mir gesagt, dass BLACK RIVER DELTA aus Schweden stammen, optisch passt das perfekt, musikalisch hingegen überraschen die Fünf, zumindest wenn man vorher nur diese Information hatte. Denn die Herren spielen Rock in bester Southern-Rock Tradition. Oder sollte man das nun umbenennen in Northern-Rock? Wie man es auch nennen mag, musikalisch überzeugen die Herren in jedem Fall auf Anhieb und bieten ein sehr gutes Programm vor Myles Kennedy. Nach dem ersten Song lassen sie dann auch Jeansjacken fallen und feiern den letzten Tour-Tag damit, dass alle das MYLES KENNEDY-Tour Shirt tragen.

Das erwähnen sie im weiteren Verlauf auch noch kurz und bedanken sich ausgiebig für die Möglichkeit, auf der Tour dabei gewesen zu sein. Eine schöne Überlegung für den letzten gemeinsamen Tournee-Abend.

Die Slide-Gitarren sind allgegenwärtig und machen ordentlich Laune, denn für diese Art von Rock ist der Abwechslungsreichtum nicht so irre hoch, doch das ist keineswegs etwas Negatives. Die Band versteht es, ihre Musik durch das gewisse Etwas zu würzen, und so kommt bei einer ruhigen Blues-Nummer auch eine Mundharmonika zum Einsatz. Der gekonnt dreistimmige, teils vierstimmige Gesang klingt super und man sieht den Jungs jede Minute den Spaß und den Elan im Gesicht an.

Sänger und Gitarrist Erik Jacobs wechselt zudem zu einer sehr coolen Telecaster mit einem Atlantic Records Print. Die kurzen Pausen bei den Instrumentenwechseln überbrückt Schlagzeuger Erik Nilsson gekonnt mit kleinen Fills. Mit dem finalen Song “Bye Bye Birdie” ist nach 40 Minuten Schluss, sehr sehenswert und ein guter Auftakt für diesen Abend.

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MYLES KENNEDY

Mein letztes Solo-Konzert von MYLES KENNEDY liegt wie eingangs erwähnt schon eine ganze Weile zurück und heute Abend handelt es sich keineswegs um ein Akustik-Programm. Denn für den etwas härteren Stil von seinem aktuellen Output “The Art Of Letting Go” ist er mit kompletter Band aufgefahren. Am Bass sein langjähriger Mitstreiter Tim Tournier und an den Drums Zia Uddin. Mit Letzterem macht er seit 40 Jahren (!), also seit der Highschool, zusammen Musik. Das erklärt unter anderem, weshalb an diesem Abend alles wie aus einem Guss klingt. Mit beiden hatte er zudem die Vorgängeralben “Year Of The Tiger” und “The Ides Of March” aufgenommen. Aber eins nach dem anderen.

Um 21:25 Uhr entern die Herren die Bühne und Myles präsentiert die erste seiner gefühlt endlosen PRS Telecasters an diesem Abend (Anm. d. Red.: Die PRS-Modelle sind an die Telecaster Bauweise angelehnt, ich konnte aus dem Publikum auf den ersten Blick aber den Unterschied nicht erkennen, daher im Weiteren als Tele bezeichnet). Denn erst kürzlich hat er von PRS ein eigenes Artist Model erhalten, kein Wunder, dass wir dieses an diesem Abend in mehrfachen auffälligen Farbgebungen zu sehen bekommen. Doch natürlich macht nicht nur die Farbe die Gitarre aus, auch klanglich bietet das Instrument einiges und Myles scheint mehr als zufrieden zu sein.

Der Opener in Form des Titellstücks “The Art Of Letting Go” bietet die perfekte Einleitung in ein abendfüllendes Konzert, was mir noch Tränen in die Augen treiben wird. Nur selten erlebe ich Konzerte noch so intensiv wie an diesem Abend. Das mag zum einen an der unfassbaren Sympathie von Myles Kennedy selbst liegen, zum anderen aber ganz sicher an der Musik und wie stark mich diese anspricht. Man findet sich in fast jedem seiner Songs wieder und kann sich mit den Texten identifizieren. Noch dazu ist Myles live ein Sympathiebolzen, der seinesgleichen sucht. Auch wenn dieser Abend in einem anderen Rahmen stattfindet als 2018 noch in der Garage, behält das Konzert seinen ganz eigenen Charme. Myles hat kein bisschen seine Bodenständigkeit verloren und sucht von Anfang an den Kontakt zum Publikum. Dabei blickt er immer wieder in die Menge und seinem Lächeln sieht man deutlich an, wie sehr es ihn erfreut, dass das Publikum seinen Spaß hat und seine Musik liebt. Genau das war einst mal Sinn und Zweck von Konzerten, Publikum und Band verschmolzen und erlebten einen hervorragenden Abend.

Nichts gegen große Shows, aber das Feeling und die Energie, die hier an diesem Abend losgetreten wird, ist nicht zu vergleichen mit jenen Konzerten in großen Hallen und Arenen. Das hier geht unter die Haut, man fühlt etwas und nimmt weit mehr mit als den bloßen Unterhaltungswert. Die Songtexte und die Musik sprechen zu einem.

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Da wundert es kaum, dass niemand aus dem Grinsen rauskommt und einfach die schiere Atmosphäre im Raum aufsaugt. Jeder auf der Bühne, egal ob Tim, Zia oder die Techniker. Alle sind voll dabei und haben sichtlich Spaß, es wirkt eher wie ein Gig unter Freunden, und das untermalen auch einmal mehr die Ansagen von Myles selbst. Ob er nun kleinere Anekdoten erzählt oder dem Publikum seine Bewegungen Richtung Sound-Mann erläutert: "Diese Bewegung, die ich da mache, damit sage ich meinem Kollegen, dass ich etwas mehr Reverb haben möchte." Nicht dass ihr euch wundert, was "das Gehampel soll”. Durch und durch hat man das Gefühl, in guter Gesellschaft zu sein und ein einmaliges Schauspiel zu sehen.

Dabei schließt Kennedy stets den Kreis und vergisst niemanden. Er bedankt sich ausgiebig bei der Vorband - “Cool shirt by the way guys” - und auch bei uns Fans für die Unterstützung, denn ohne uns wäre all das nicht möglich und er könnte seinen Traum nicht leben.

Die Setlist bietet einen wahnsinnig guten und abwechslungsreichen Querschnitt seiner bisherigen Alben. Nach einem weiteren Song vom aktuellen Album folgt mit “Nothing More To Gain" eine Nummer vom Debütalbum. Dabei hilft es, dass “Devil On The Wall” von “Year Of The Tiger” zwar etwas ruhiger daherkommt, aber dennoch wuchtig im Stil des neuen Albums gespielt wird. Das Feeling geht trotzdem nicht verloren und die drei Herren spielen den Song in einer regelrecht perfekten Live-Version.

Für “A Thousand Words” spielt der Bass ein längeres Intro, das sich aber eher anhört, als würde sich Tim über den Bass mit dem Publikum unterhalten, was sehr cool ankommt und seine Wirkung nicht verfehlt. Die etwas unterschätze Nummer von “The Ides Of March” ist live sehr interessant und klingt noch stärker als in der Studiofassung.

Das pausenlastige und sehr heavy geratene “Mr. Downside” stellt einen weiteren Höhepunkt des Abends dar. Die Band schafft es, jede Pause exakt auf den Punkt zu treffen, und jedes Mal grinst sich Myles derart einen ab, dass man sich nur mitfreuen kann. Eine sehr coole Nummer, die live noch wahnsinnig viel zu bieten hat. Nicht unerwähnt sollte hier auch Myles “How To Draw An Owl”-Shirt sein, die Eule spielt auch im Artwork des Albums eine Rolle.

“Blind Faith” wird anschließend deutlich anders gespielt als in der Studioversion und drückt unfassbar stark. Das intro mit Slides klingt trotz fehlendem Bottleneck wahnsinnig gut auf einer grünen PRS Tele und die Dynamik der Nummer ist schlichtweg erschütternd. Einer der ersten Momente, bei dem ich gefühlt am Abheben bin.

Nach der grünen Tele geht es zurück zur Sunburst Lackierung, um dann mit “Saving Face” gleich wieder in eine härtere Nummer zu wechseln, die gekonnt von einem kleinen Solo eingeleitet wird. Hier drückt es noch eine Stufe mehr als zuvor und die Nummer kommt wahnsinnig gut beim Publikum an.

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Ruhiger wird es anschließend wieder mit “Behind The Veil", bei dem Myles etwas mehr improvisiert, wobei der Song dann gar nicht mal so ruhig bleibt. Auch hier spielt diese unfassbare Dynamik wieder eine extreme Rolle, gerade live. In der Studioversion ist mir das gar nicht bewusst, umso schöner, wie sich die Songs live entwickeln. Auch beim Solo geht Myles hier mehr aus sich raus als sonst und dabei fällt mir als Gitarrist auf, dass der Gute leicht die Töne kaut, wenn er mit seinem Wah Wah gar Unglaubliches vollführt. Nach dem Solo geht es lückenlos mit der gesamten Band zurück in den Song, um diesen zum Abschluss zu bringen - Wow.

Nun redet Myles ein wenig mit dem Publikum und reagiert auf Zurufe, während er seine Akustik-Gitarre umgehängt bekommt und einen seiner Favoriten vom “Year Of The Tiger” Album präsentiert - “Haunted By Design”. Da er den Song alleine und ohne Bass und Schlagzeug spielt, singt er das Gitarrensolo einfach und erklärt später grinsend, dass diese merkwürdigen Töne sein Versuch waren, das Solo mit seiner Stimme zu spielen. Als Dave Grohl mal das Solo von “Stairway To Heaven” live sang, bekam er viel Kritik aus Musikerkreisen. Ich selbst finde das aber eher unterhaltsam. Dabei ist es nicht so, als könne Myles das Solo nicht spielen, er ist halt einfach nur kein Oktopus, und auf den Song verzichten wollte er gewiss nicht. Eingeleitet wurde der Song von ihm mit den Worten “That’s gonna be interesting”. Auch das löst er im Nachgang auf und erklärt den Fans, dass er zukünftig wohl eine Brille benötigen wird, da er das Griffbrett nicht mehr richtig erkennen kann. Wie schon gesagt, es ist unfassbar, wie bodenständig dieser Mann nach all seinen Erfolgen geblieben ist. Noch dazu besitzt er den nötigen Humor, um auch über sich selbst lachen zu können.

Das Intro zu “Wake Me When It’s Over” kommt anschließend vom Band, und die Band legt kleinere Tanzeinlagen an, Drummer Zia hat hier besonders viel Freude und grinst schelmisch. Kaum ein Song spricht mich vom Text her aktuell mehr an als dieser. Live klingt die Nummer etwas härter. Das anschließend präsentierte “Miss You When You’re Gone” ist unfassbar gut und bringt wahnsinnig viel Gefühl mit sich. Live baut die Nummer eine wahnsinnig große Dynamik auf und galoppiert regelrecht davon, der Refrain bleibt hängen und wird mir noch lange nach dem Abend durchs Ohr klingen.

Nach dem Wechsel zu einer goldenen Tele gibt Myles dem Toningenieur das eingangs erwähnte Zeichen für mehr Reverb. Nach seiner Erklärung, die sehr charmant beim Publikum ankommt, steigt die Band in “Year Of The Tiger” ein. Das Titelstück des Debüts ist einfach unfassbar gut und dementsprechend die Freude beim Publikum. Auch bei dieser Nummer stimmt einfach alles, und der stampfende Rhythmus klingt im Klub der Rockhal einfach unfassbar gut. Hat er für mich bereits mit “Wake Me Up When It’s Over” voll ins Schwarze getroffen, nimmt er mit “Get Along” noch einmal ordentlich Anlauf und trifft zielsicher. Genau diese Nummer sollte sich bitte einmal jeder in der Gesellschaft zu Herzen nehmen, dann ginge es uns allen so verdammt viel besser.

Nun geht es aber weiter mit der Slide-Nummer schlechthin von “The Ides Of March” - “In Stride”. Und da hilft nichts, hier braucht er die Resonatorgitarre samt Bottleneck, und die Nummer entwickelt sich zum krönenden Abschluss des regulären Sets. Mittendrin gibt es noch ein kleines Intermezzo zwischen Bass und Gitarre - Wahnsinn. Umjubelt und sichtlich zufrieden verlassen die drei Herren die Bühne. Zumindest kurz, denn mit “Say What You Will” und “Worried Mind” gibt es noch zwei weitere Knaller auf die Ohren, bevor der Abend leider endgültig um kurz vor 23 Uhr sein Ende findet, nicht ohne sich erneut bei der Vorband BLACK RIVER DELTA kurz zu bedanken.

Vom Gefühl und der Atmosphäre her geht es MYLES KENNEDY bei seinen Konzerten und seiner Musik noch immer um das eigentliche Thema, mit seinen Songs etwas auszusagen. Ob das nun ein eigenes Gefühl von ihm ist oder eine Story, die er uns erzählt, spielt keine Rolle, er erzählt uns etwas. Hier fehlt gänzlich der für die heutige Zeit so typische Marketing-Gedanke, zumindest aus meiner Sicht. Das wird ganz deutlich an Songs wie “Get Along” oder “Wake me Up When It’s Over”. Er trifft einfach den Zahn der Zeit und macht das, was viele schon lange verlernt haben - er trägt mit seiner Musik zum Zeitgeist und zur Kultur bei. Das mag sich etwas hochtrabend lesen, aber im Kern ist es so. Es geht um die Musik und nichts anderes. Ein großartiger Abend, mit zwei großartigen Bands und einem Konzert, das mich musikalisch so schnell nicht loslassen wird, egal wie viele Telecaster im Spiel waren und nein, ich habe nicht jeden Gitarrenwechsel erwähnt. (Pascal)

Setlist MYLES KENNEDY:

The Art of Letting Go
Nothing More to Gain
Devil on the Wall
A Thousand Words
Mr. Downside
Blind Faith
Saving Face
Behind the Veil
Haunted by Design
Wake Me When It's Over
Miss You When You’re Gone
Year of the Tiger
Get Along
In Stride

Say What You Will
Worried Mind

(Fotos: Alex)

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