Interview mit Andreas Neuderth (Sentry)

interview sentry 02Ein absolut herausragendes und verdammt ehrliches Album hauen SENTRY mit ihrem Debüt heraus. Die Band besteht zur einen Hälfte aus Deutschen und zur anderen aus Amerikanern. Es handelt sich um die verbliebenen ex-Musikern der Epic-Legende MANILLA ROAD, da deren Häuptling Mark Shelton 2018 leider verstorben ist. Drummer Andreas „Neudi“ Neuderth stand Rede und Antwort.

Ralf: Grüß Dich Neudi. Gratulation zu einem der Anwärter zum Album des Jahres. Wie waren die Reaktionen bisher?

Andreas/Neudi: Vielen Dank! Allein diesen Einstieg in ein Interview hatte ich bereits zwei Mal…verrückt! Die Presse ist noch nicht ganz durch und es fehlen noch wichtige Hefte, aber bisher gab es bereits volle Punktzahlen und „knapp davor“. Das schlechteste Review war online mit 7 von 10 Punkten. In sozialen Medien haben sich Fans teils euphorisch geäußert. Alles in allem: Selbst nach um die zwanzig Studioalben habe ich so etwas noch nie in dieser Form erlebt.

Ralf: Wie waren die Aufnahmen gelaufen, ihr wart ja wohl kaum zusammen im Studio?

Andreas/Neudi: Nein, das ging natürlich nicht direkt, aber zum Glück hatte das keine negativen Auswirkungen. Kalli und ich haben in seinem Studio aufgenommen. Mein Drumset war dort seit den Recordings zum letzten TRANCE Album „Metal Forces“ quasi fest geparkt, da während Corona sowieso nichts ging. Für die paar Gigs ohne Venue mit Backline habe ich aus Resten ein zweites Set zusammengestellt. Meine Kiste war also seit TRANCE voll mikrofoniert und einsatzbereit. In der Tat haben wir nicht nur SENTRY gemacht, sondern auch ROXXCALIBUR, SCROLLKEEPER und IRONSWORD. Trotzdem waren das bei SENTRY teils Jamsessions, wie man sie aus dem Proberaum kennt und wie das heute kaum noch jemand zum Komponieren macht. „Ravens Night“ ist ein solches Stück, welches komplett improvisiert war und nur wenig Feinschliff benötigt hat, was Gitarre und Drums angeht. Auch konnten wir auf Phil und seine Bassparts reagieren und bei manchen Songs einfach nochmal neu aufnehmen. So waren wir am Ende doch gefühlt alle vor Ort, aber eben zeitversetzt. Am Ende ist Kalli dann nach Kansas geflogen, um dort Vocals und Bass aufzunehmen.

Ralf: Wann war Euch klar, eine Art „Weiterführung“ von MANILLA ROAD zu starten? Stand der Name MANILLA ROAD nie zur Debatte?

Andreas/Neudi: Das war während den Proben zur Mark Shelton Tribute Show beim Keep It True 2019. Kalli musste über zwei Stunden MANILLA ROAD Material lernen und als wir die Stücke, zunächst noch ohne die vielen Gäste, gespielt haben, war eine ähnliche, aber nicht geringere Magie da, wie beim letzten MANILLA ROAD Line Up. Da war uns klar, dass man sowas nicht brachliegen lassen darf! Es war aber auch klar, dass wir uns nicht MANILLA ROAD nennen werden. Etwas anderes stand nie zur Debatte.

Ralf: Wer hatte die Idee, die Band SENTRY zu nennen?

Andreas/Neudi: Ich weiss es gar nicht mehr. Das war recht kurz vor knapp, denn Ende 2019 haben wir den Namen KORONIS für uns gefunden. Dann kam Corona und der Name klang, zumindest damals, irgendwie falsch. Heute sehe ich das anders, aber wir haben dann monatelang nach einem neuen Namen gesucht. Dank dem Internet muss man feststellen, dass es jeden guten Bandname bereits gab.

Ralf: Wie wichtig ist Euch ein authentischer Sound? Das Album atmet auch eine gewisse Atmosphäre, wie sie die heutigen Bands heuer gar nicht mehr hinbekommen. Euer Geheimnis?

Andreas/Neudi: Da fragst Du natürlich genau den Richtigen, ha ha. Ich möchte „wichtig“ mit „alternativlos“ ersetzen, denn ich bin der felsenfesten Meinung, dass traditioneller Hardrock, Metal, also von Heavyrock bis mindestens Thrash, nicht nur handgemacht sein sollte, sondern auch absolut natürlich – mit allen menschlichen Eigenheiten und ja, sogar kleinen Fehlern. Auch wenn die meisten Metalheads nicht selbst Musiker sind, anhand der Reaktionen erkenne ich ganz klar, dass man da draußen einen solchen Sound eigentlich will. Man weiß zwar technisch vielleicht nicht, warum diese Scheibe besser klingt als eine andere, aber man fühlt es. Auch ältere Fans haben oft Frust bei neuen Bands und Alben, weil „irgendwas nicht mehr so gut klingt wie früher“. Das ist oft gar nicht die Musik selbst, sondern eben dieses Problem, welches mal klein angefangen hat und dann um sich gegriffen hat. In der Tat finde ich, dass wir mit SENTRY ein kleines Statement gemacht haben: Ein Album kann auch ohne die modernen Mittell gut, transparent und fett klingen.

Ralf: Auch die Gitarrenparts von Kalli lassen aufhorchen, er ist ja echt ein vielseitiges Talent.

Andreas/Neudi: Das ist er! Als wir uns kennenlernten, vor vielen Jahren, war er noch mehr im Thrash verwurzelt. Für einen Rhythmusgitarrist ist das eine sehr gute Schule. Außerdem steht er auf die alten ACCEPT, was man auch heraushören kann, wenn man darauf achtet. Über die Jahre mit Bands wie ROXXCALIBUR, JAMESON RAID, SAVAGE GRACE oder ABANDONED wurde er immer vielseitiger und kann nun im hart rockenden Spektrum eigentlich alles.

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Ralf: Wie siehst Du die Entwicklung im heutigen Metal wie z. B. Bearbeiten der Drums oder KI bei der Covergestaltung etc.?

Andreas/Neudi: Ein wenig habe ich das ja schon beantwortet. Ich bin zwar kein prominenter Rockstar, aber was das Thema angeht, kennt man mich wohl dann doch, ha ha. Leider werde ich hier oft missverstanden, denn ich finde bei moderner Musik so ziemlich alles legitim. Mir geht es um die traditionellen Spielarten des Heavy Metal, aber auch um diverse wirtschaftliche Aspekte und Umstände, die erst positiv wirken, langfristig aber für jeden Einzelnen im Business Nachteile haben. Schau einfach mal in die Gelben Seiten von 1995 und suche Tonstudios in einer großen Stadt. Und dann checke das via Google mal heute. Da geht es schon los. Ein Album zu machen ist zu einfach und zu billig geworden. Ja, das freut den Nachwuchsmusiker vielleicht, aber durch die Overdose an Alben leiden am Ende so gut wie alle. "Hometaping Is Klilling Music" stand früher auf den Schallplatten, mit einer durchgestrichenen Kassette. Heute unterschreibe ich „Homerecording Is Killing Music“ sofort, auch wenn Kalli sein Tonstudio, und das ist es wirklich, in seinem Keller hat. Es geht also nicht um das Pushen von meinem Musikgeschmack, auch wenn ich programmierte Drums, getriggerte und nachträglich gesampelte Drums sofort ausmachen MUSS.

Ralf: Warum musste eigentlich das CANDLEMASS-Cover auf die Platte? Hattet ihr keine weiteren eigenen Stücke?

Andreas/Neudi: In der Tat haben wir einen Song mehr aufgenommen, den wir nun für das nächste Album verwenden. Wir haben natürlich an die Spielzeit einer Platte gedacht und die haben wir ja perfekt ohne Coverversion ausgefüllt. Für die CD haben wir dann die CANDLEMASS-Nummer aufgenommen, auch um das aktuell etwas unterbewertete Medium etwas zu pushen. CANDLEMASS sind mit uns drei MANILLAS befreundet und besonders zu Leif Edling haben wir ein besonderes Verhältnis. Der Track ist ein Lieblingssong von Kalli.

Ralf: Wie hattest Du eigentlich damals den Tod von Mark Shelton erlebt und was war er für ein Typ privat?

Andreas/Neudi: Das ist schwer zu beantworten, da wir alle beschäftigt waren, Mark wieder in die USA zu bringen. Das war bei der deutschen Bürokratie ein unglaublicher Kraftakt für uns drei, aber es hat am Ende geklappt. Zeit für Trauer war erst danach und mir wurde erneut klar, dass er mehr als nur ein Bandmitglied war, sondern ein Freund. Als Typ war er vielschichtig und extrem fokussiert auf seine Musik. Das hatte dann in seinem Privatleben auch wieder Nachteile, über die ich öffentlich nicht rede. Ich denke, dass das Wort „authentisch“ zu Niemanden besser passen würde.

Ralf: Habt ihr bereits Angebote für eine Liveumsetzung von SENTRY und wird es auch MANILLA ROAD Covers geben?

Andreas/Neudi: Wir haben gerade unsere erste Show beim UP THE HAMMERS FESTIVAL in Athen gespielt. Ich selbst hatte zwar massive Equipmentprobleme und musste einige Fills weglassen oder vereinfachen, aber insgesamt war die Show, vor allem die zweite Hälfte, schon gut. Aber ich weiß, dass wir noch nicht das volle Potenzial gezeigt haben. MANILLA ROAD Covers sind aktuell nicht geplant, aber ein oder zwei Songs sind zukünftig nicht gänzlich ausgeschlossen. Wir haben auf jeden Fall kein Interesse an Angeboten von Veranstaltern, die MANILLA ROAD aus uns herauskitzeln möchten.

Ralf: Kannst Du Dich noch an Dein erstes Konzert erinnern als Besucher? Meins war TRANCE 1983...

Andreas/Neudi: Das war bei mir lokal, eine Band namens ODINS HAMMER. Das war Heavy Rock und die Gruppe hat auf einem Vereinsfest gespielt, ca. 1980, als ich neun war. Da habe ich das erste Mal das vor Augen gehabt, was ich bisher nur von Schallplatten oder dem TV kannte. Das nächste war dann KISS mit IRON MAIDEN als Support, 1981. Aber auch hier sind die Erinnerungen verschwommen, da ich noch sehr jung war. Es folgten viele weitere wichtige Lokalveranstaltungen, die für mich sehr wichtig waren. Wer weiß, vielleicht habe ich mich Jahre später deshalb so in die NWOBHM und deren unbekannte Bands verliebt, weil sie eben auch nichts Anderes als „local heroes“ waren.

Ralf: Wer oder was hat Dich damals eigentlich mit dem Metalvirus infiziert?

Andreas/Neudi: Ich habe abartig früh angefangen Rockmusik zu hören – sagen meine Eltern. Schon als Kind habe ich stundenlang Schallplatten von CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL, THE BEATLES und THE ROLLING STONES gehört, was eher untypisch für das Alter ist. Dann kam eine Doppel-LP von der Stadtsparkasse (!) ins Haus. Auf der war „Fireball“ von DEEP PURPLE, meine erste Doublebass-Nummer. Auch THIN LIZZY, SWEET, GEORDIE, STEPPENWOLF und FRIJID PINK waren auf dieser Oldie Compilation namens „Hot Pop“, bei der mir auch dieses „Indian Reservation“ düster und bedrohlich vorkam. Die erste LP war dann STATUS QUO „Live“, gefolgt von „Alive 2“ von KISS. Der endgültige Kick war dann großes Glück. Der ältere Bruder eines Grundschulfreundes wollte seine Liveplatten loswerden, weil ihm der Lärm des Publikums auf den Nerv ging. Einen Teil hat er mir geschenkt und da war JUDAS PRIEST, RUSH, TED NUGENT und MSG mit dabei. Das Debüt von IRON MAIDEN erledigte dann den Rest.

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Ralf: Letzte Worte Deinerseits an unsere Leser?

Andreas/Neudi: Vielen Dank für das Interview und das Interesse an SENTRY. Wir sind extrem happy, wie man auf uns reagiert, denn bei drei ehemaligen Manillas war das nicht so genau einzuschätzen. Ich denke, wir haben einen guten Weg gefunden. Man hört wo wir herkommen, sind aber mit Kalli an der Gitarre eine eigenständige Band, die auch ohne Vergangenheitskult funktioniert. Trotzdem ist es ein schönes Lob immer, dass Mark Shelton stolz auf uns wäre. Und das hören und lesen wir wirklich oft.

Bildquelle: Band

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