Theatre Of Tragedy - Remixed

theatreoftragedy remixedAls das Gothic Metal-Genre gerade auf seinem Höhepunkt sich immer weiter verästelte und neue Facetten nur so aus dem Boden sprossen, brachten die Norweger eine völlig neue Dramaturgie mit ein. Nie zuvor wurde der Kontrast zwischen derben maskulinen Grunts und lieblichen weiblichen Gesängen so scharf gezeichnet wie von THEATRE OF TRAGEDY. Damit wurden sie unverhofft zur Blaupause für viele folgende Acts als auch zu einer der Speerspitzen der Bewegung. Doch der eigene Laden war zu sehr in Bewegung, um dauerhaften Erfolg sichern zu können. Ständig wechselnde Gitarristen und damit Songwriter ließen die Formation stilistisch ziellos umher irren, bevor sie zu Beginn des Jahrzehnts desillusioniert das Handtuch warf. Immer wieder flirtete man mit dem elektronischen Bereich, schon früh ließ man Remixe anfertigen. Nun erscheint posthum völlig überraschend eine Sammlung der über die Jahre zusammengetragenen Neubearbeitungen auf "Remixed" und gibt Fragen auf.

Natürlich wird über eine Rückkehr der Formation spekuliert werden, doch ich habe bislang noch keinerlei Anhaltspunkte für eine Reunion mitbekommen, zumal im Infoschreiben ebenfalls nichts dergleichen steht. In ihrer musikalischen Offenheit war die Truppe schon immer daran interessiert, wie andere ihre Musik interpretieren, und ich muss zugeben, dass auch ich ein Freund von Coverversionen bin, die sich stark vom Original abheben. Nun wurden hier aber lediglich die vorhandenen Spuren neu abgemischt und mit viel Elektro-Zierrat versehen, was in den Neunzigern durchaus üblich war. Davon bin ich weniger ein Fan und die hier auch enthaltenen Versionen von zwei Liedern ihres Zweitwerks "Velvet Darkness They Fear" gaben mir schon auf der "A Rose For The Dead"-EP Rätsel auf.

"And When He Falleth" ist kalt, das Piano vom Original noch erhalten, doch es wird von noisigen Ausflügen und den zurückgemischten Melodien noch mehr herunter gekühlt. Viel zu hektisch für meinen Geschmack, da ist "Black As The Devil Painteth" allerdings nur unwesentlich vorteilhafter, die symphonischen Elemente gehen in den Beats ziemlich unter. Seit jeher haben eben diese konsequent durchpluckernden Beats das Problem, dass sie Atmosphäre, Melodien und Emotionen an ihrer Entfaltung hindern, auch wenn das vielen Dance-Jüngern irgendwie egal ist.
Bester Beleg dafür ist das folgende "Lorelei" in der Version von ICON OF COIL vom "Aegis"-Longplayer, bei dem die Up-Tempo-Techno-Klänge sehr gewöhnungsbedürftig sind. Die harmonieren zwar ganz ordentlich mit den flirrenden Synths, doch jene alleine hätten das Original mit seiner Mixtur aus Rohonyis sonorer Stimme und dem süßlichen Gesang von Live Kristine bereichert. Im Übrigen sind die Songs in chronologischer Reihenfolge auf der Scheibe angeordnet, was aber nicht unbedingt nötig gewesen wäre, da sich durch die starke Bearbeitung ohnehin die Entwicklung der Band kaum ablesen lässt.

Noch technoider gibt sich in der Folge der "Musique"-Track "Machine" in der VNV NATION-Bearbeitung, was zu dem Material aber durchaus passt. Im poppigen Refrain geht es mit den Synthesizer-Motiven sogar fast in die Eurodance-Richtung, während der männliche Sprechgesang stark verfremdet ist. Jene recht eingängigen Refrains, die sich immer wieder heraus schälen, gerade wenn die Beats etwas in den Hintergrund gemischt werden wie in "Let You Down" rücken manches schon ein wenig Richtung Dancefloor. In dem angesprochenen Stück belassen RICO DARUM & DEADBEAT die breiten Riffs bei und erinnern so leicht an spätere Sachen von SCOOTER. Da wirkt der hämmernde Industrial, den ZEROMANCER "Storm" verpassen schon eher dem Thema angemessen.

Überhaupt bestätigt sich hier der Pop-Vorwurf gegen das Material von "Assembly", was aber in den Versionen durchaus von Vorteil ist. CONETIK stecken "Envision" in ein cooles Loungegewand mit viel Echo im Gesang und leichteren Beats. Noch mehr Stimmeffekte erhält das stampfende "Motion", welches FUNKER VOGT in die Achtziger transportieren, die Vocoder-Sounds hat damals MIKE OLDFIELD zu Genüge benutzt. Noch atmosphärischer fällt der Current Remix von "Reverie" aus, der Synthesizer liefert helle Schwaden, die an dunkeln Schleiern vorbei ziehen und so Räume öffnen. Und wie PRIDE AND FALL "Fade" über acht Minuten trippig steigern ist nur großartig. Sensationellerweise erinnert mich das von der Stimmung her an einige neuere Werke meiner Lieblinge MARILLION.

Ähnlich fällt der Remix von "Frozen" aus, den AMBROSIUS angefertigt hat, wen auch sakraler. Die letzten Nummern, die im Original vom Abschiedsalbum "Forever Is The World" stammen halten sich am ehesten an die ursprünglichen Versionen wie der getragenen, von SIVA SIX mit lauernden Beats versehene Titelsong. Interessant ist noch "Deadland", welches vom ehemaligen Gitarristen Tommy Olsson bearbeitet wurde. Der Gothic Rock, der dabei heraus kommt tönt stark nach dem "Aegis"-Langeisen, bei dem der Mann größtenteils für das Songwriting verantwortlich war.
Licht und Schatten wechseln sich auch "Remixed" ab, musikalisch ist das durchaus interessant, auch wenn gerade für eingefleischte Metalheads schon schwer verdaulich. Die wendeten sich ja genau dann ab, als die Band selbst sich zu sehr den elektronischen Klängen zuwandte. Mir persönlich sind die ruhiger neu bearbeiteten Tracks lieber, doch auch die anderen haben gute Ansätze. Allerdings kann ich nur schwerlich etwas über die Remix-Künstler sagen, da ich nur wenige davon vom Namen kenne, eine gewisse Offenheit gegenüber Neuem ist bei der Scheibe aber ohnehin von Nöten. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer6,5 6,5 / 10


Anzahl der Songs:  13
Spielzeit: 73:42 min
Label: AFM Records
Veröffentlichungstermin: 12.07.2019

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