The Amity Affliction - Everyone Loves You ... Once You Leave Them

The Amity Affliction 2020

Das siebte Album "Everyone Loves You … Once You Leave Them“ der australischen Core-Giganten THE AMITY AFFLICTION erscheint erstmals unter dem Label Pure Noise Records und präsentieren mit schonungsloser Ehrlichkeit ein sehr persönliches und privates Thema, denn es dreht sich um die psychischen Probleme des Frontmanns Joel Birch, mit denen er tagtäglich zu kämpfen hat.


In dieser Review gehe ich zu Beginn mehr auf den Hintergrund des Albums ein und später auf die musikalische Umsetzung, da es ein wichtiges Thema für und innerhalb vieler Bands ist, aber auch für die Fans, die oftmals wenig Einblick erhalten.

Ein wünschenswertes Leben, voll mit Geld, ohne offenen Wünschen und Sorgen, so wird ein Leben eines Prominenten oftmals dargestellt, doch auf mit diesem neuem Album zeigt uns die Band, dass „Stars“ nicht immer den Traum leben, den wir uns vorstellen. Auch sie sind nicht immer glücklich: „Die Antwort der Internethorde lautet oft: ' Du bist ein erfolgreicher Musiker. Es ist unmöglich, dass du Depressionen hast. Fuck you!' Die andere Seite wird nicht immer gezeigt. Was wir machen ist ein großartiger Job, und wir sind gesegnet. Aber wie bei allem anderen ist nicht alles rosig.“, erklärt Frontmann Joel in einem Interview zum neuen Album. Die Band möchte sich nicht vor unangenehmen Themen verstecken.

 „Wir haben eine Plattform. Wir haben die Möglichkeit, etwas zu sagen – und das ist es, was wir tun“, erzählt Joel. Und das ist es, was die Fans schon all die Jahre von ihnen kennen. Die Band spricht in ihren Alben Tabu-Themen an, was sich viele andere nicht trauen. Durch diese Tabu-Themen, die sich um Schicksalsschläge, psychische Probleme, familiäre Probleme und vieles mehr drehen, erreichen sie eine große Fangruppe, oftmals jüngere Erwachsene, die auch mit solchen Themen zu kämpfen haben und durch diese Band eine große Fangemeinschaft oder eher Familie entstehen lassen.

„Wenn jemand stirbt, hört man den Mob sagen: 'Oh mein Gott, dieser Künstler war so eine Inspiration.' Ich hab diese ignorante Feindseligkeit gegenüber psychischen Erkrankungen in der Musik und anderen Berufen so satt.“ so Joel weiter in dem Interview. Ich verstehe genau, was er meint und fühlt, Chester Bennington oder Chris Cornell sind ein Beispiel dafür. Doch wie er zuvor in seinem Interview gesagt hat, es wird nicht immer die andere Seite des Lebens eines Stars gezeigt, denn der Ruf und die Privatsphäre soll natürlich bewahrt werden, was verständlich sein sollte. Aber dann ist die zuvor angesprochene Feindseligkeit bei dem einen oder anderen verständlich - wie soll man es auch nachvollziehen können, wenn den Fans nur die guten Seiten eines Menschen präsentiert werden oder weshalb man sich nicht Gedanken darüber macht, ob es denn auch eine „andere Seite“ geben könnte?

Die vorab erschiene Single „Soak Me In Bleach“ basiert auf bisher unbekannten Höhen des Clean-Gesangs. Unter den YouTube Kommentaren liest man, wie sehr sich viele Fans durch die Band gestärkt und nicht mehr einsam fühlen, allerdings ihnen auch durch schwere Zeiten verholfen wird. „Ich würde mich freuen, wenn die Menschen mit uns auf diese Reise gehen", so Ahren anschließend. "Vielleicht könnte es ihren Tag ein wenig besser machen. Ich lebe für Musik, sie bringt mich dazu, weiterzumachen. Wenn wir das für jemand anderen tun können, wäre das unglaublich."

Jedoch gehen die Meinungen über die neue Musik weit auseinander. Einige sind der Meinung, sie seien zu ihren ursprünglichen Wurzeln zurückgekehrt, der andere erkennt keine neue Entwicklung in ihnen. Die Band selber gibt bekannt, dass sie zu ihrer alten Gitarrenarbeit und „heavyness“ zurückgekehrt sind, um ihre wahren Gefühle und für sich persönliche Thema, ernsthaft und ehrlich zu übermitteln. Ich kann auf jeden Fall bestätigen, die Band hat sich in einigen Passagen leidenschaftlich der Gitarre gewidmet und Solis eingebaut, die leider nur viel zu kurz sind, wie auf „Fever Dream“. Auch ihre „heavy“ Seite kommt in Songs wie „All My Friends Are Dead“ oder „Born to Lose“ zum Vorscheinen, die mich persönlich an ihre Anfänge erinnert.

Das Intro des Albums „Coffin“ könnte gar keine bessere Einleitung sein. Mit einer Art Synthesizer Klavier beginnt der Song, der den Scream von Joel untermalt. Er steigert sich mehr und mehr in den Song hinein, sodass ein folgender Breakdown alle Fans erlöst. Gut ausgewählt folgt danach der Song „All My Friends Are Dead“, denn die zuvor aufgebaute Spannung bleibt erhalten. Er trägt zu Beginn einen Moshpit Charakter, bis der Clean- Gesang einsetzt. Der verleiht dem Song eine gewisse „Ruhe“, die somit wieder in die bekannte Pop-Richtung verfällt.

„Baltimore Rain“ ist ein wirklich tiefemotionaler Song mit den Auszügen wie „I’m too young to die“ oder „I’m so scared of how I’m feeling“, der tiefe Einblicke der Emotionen der Bandmitglieder zeigt. Wenn da nicht der Satz wäre „smoke ‘em if you got them“. Mir kommen da verschiedene Interpretationen in den Kopf. Soll man sich zusätzlich körperlich kaputt machen, wenn man schon mit seiner Psyche zu kämpfen hat? Oder soll man Probleme praktisch „wegblasen“? So sehr mich auch dieser Satz stört, muss ich sagen, der Text und die Musik gefällt mir sehr gut, da sich ein Wechselspiel zwischen Joel und Ahren ergibt, der zwei Seiten der Emotionen wiederspiegelt und eine Spannung erzeugt, die durch das Abfallen eines Gitarrensolos abgerundet wird.

Dagegen bietet „Aloneliness“ eine elektronisch infizierte Klangwelt, die zu einem energetischen Chorus beziehungsweise einer Pop-Attitüde führt und ein herzzerreißendes Geständnis enthält: Laut Joel geht es darum bipolar zu sein. Für ihn ist es ein ständiger Kampf herauszufinden, wer er gerade ist und dies ist der negative Teil seines Lebens.

Mit dem letzten Song des Albums, der Schlagzeug- und Basslastig ist, geben die Band und insbesondere Joel nochmal alles, denn auf "Catatonia" klingen sie wie in früheren Zeiten, die Härte ist vollkommen im Song und der Clean Gesang hält sich „relativ“ in Grenzen. Abgesehen davon, stellt Joel sich hier nochmals seinen psyschichen Erkrankungen: “I am brittle unstable and scared for my life When you can’t see the future You can’t see the light Catatonic I promise I’ll make it through the night I can go on and on as long as you’re with me I can go on and on as long as you’re singing”. In dem Ausschnitt liegt so viel Hass über seinen Wegbegleiter Catatonia und dennoch klingt er gefasst, aber zeigt auch, dass es nicht leicht ist, damit umzugehen und zu leben.

 Mir hat es sehr gut gefallen, dass die Band sich dieses Mal mit einem sehr privaten Thema beschäftigt hat, von dem man sonst wenig Einblick erhält. Gerade diese Offenheit, Thematisierung der Erkrankung und Gedankengänge werden einige Fans wohl auch nachvollziehen können und erfahren durch THE AMITY AFFLICTION einen Zusammenhalt, den sie vielleicht nicht aus ihrem Alltag kennen. Für Fans wie mir, die sich nicht in allen Fällen damit identifizieren können, ist es trotzdem ein angenehmes Album, was man sicherlich öfter hören wird. Jedoch ist es mir auf Dauer zu düster. Als Lieblingssongs haben sich überraschenderweise „Baltimore Rain“ und „Catatonia“ ergeben, da ich sie von der Vermittlung der Texte am ergreifendsten finde und mich mit in den Bann ziehen. Ansonsten ist ein Album entstanden, welches überwiegend härtere Songs beinhaltet, die mich textlich und musikalisch mehr überzeugen, als die poppigen Clean-Vocals Songs von Ahren, aber da wird wohl jeder Fan für sich individuell entscheiden und trotzdem seine Songs entdecken.(Sarah-Jane)


 

 

Bewertung:

sarahjane8,0 8 / 10


Anzahl der Songs:  11
Spielzeit: 36:21 min
Label: Pure Noise Records
Veröffentlichungstermin: 21.02.2020

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