Yes - 50th Anniversary-Live At The Apollo

yes liveatheapolloDie Frage nach den wahren YES lässt sich heute ebenso schwer beantworten wie Ende der Achtziger, als sich die Truppe ebenfalls schon einmal gespalten hatte. Ursächlich in beiden Fällen Sänger Jon Anderson, dieses Mal nicht ganz freiwillig, denn seine Kollegen hatten sich von ihm getrennt. Und die haben aktuell das Nachsehen, denn nach dem Tod von Chris Squire ist kein Gründungsmitglied mehr an Bord und das letzte Album "Heaven & Earth" ließ ebenfalls zu wünschen übrig. Dahingegen arbeiten Anderson, Rick Wakeman und Trevor Rabin an neuem Material, während sie nun seit fast zwei Jahren unterwegs sind. Von deren Qualität konnte sich der Autor auf dem diesjährigen SwedenRock überzeugen, nun liegt ein Dokument dieser Tournee vor. Dass sich YES FEAT. JON ANDERSON TREVOR RABIN RICK WAKEMAN mit der DVD "50th Anniversary-Live At The Apollo" die Begehung des fünfzigsten Geburtstages ihrer Formation auf die Fahnen geschrieben haben, dürfte für weitern Zündstoff sorgen, im anderen Lager ist er derweil ruhig, noch.

Nachdem diese Besetzung zuerst den amerikanischen Kontinent bereiste, stand danach die britische Heimat auf dem Programm, bevor es in den Rest von Europa ging, wo sie unter anderem die Night Of The Prog auf der Loreley headlinten. Zuvor wurde am 25. März 2017 die Show im O2 Apollo in Manchester für das hier vorliegende Livedokument aufgenommen. Die Mannschaft um Anderson hatte sich da schon etwas eingespielt und präsentierte sich in hervorragender Form. Neben den drei schon zuvor bei der Proglegende tätigen wurde das Line-Up durch Bassist Lee Pomeroy und Schlagzeuger Louis Molino III. ergänzt. Der Viersaiter hatte zuvor schon mit IT BITES aber auch mit Popacts wie TAKE THAT oder BELINDA CARLISLE gespielt, wobei ich auf der Position eigentlich Tony Levin erwartet hätte. Wie Pomeroy mit Wakeman, so hat Molino mit Rabin schon vorher zusammen mit Bandmitgliedern gespielt, am bekanntesten wurde er mit der Popband COCK ROBIN.

Da man sich schon gut kannte, war es keine große Hürde die beiden an das YES-Material heran zu führen, zumal vor allem der Mann am Langholz ausgemachter Fan ist. Es bedarf schon weiterer Könner, um diese Songs wirklich zum Leben zu erwecken doch mit den beiden hat man eine guute Wahl getroffen. Pomeroy ist schon eine ungewöhnliche Erscheinung mit seinem auffälligen Grungebart, den gegelten Haaren und seinen Bändern am Ende seines Rickenbacker-Spielgeräts. Der Linkshänder verfügt über einen voluminöseren Ton als Squire, was dem Gesamtsound zugutekommt, auch wenn er dessen typisches Klackern nicht ganz verleugnet. Sein Rhythmuspartner ist eher am Jazz geschult und sorgt so für das notwendige Feintuning in den Arrangements.

Über die drei Übrigen Koryphäen muss man nicht viel sagen, der gute Trevor rockt mehr als Howe, kann ab und an den Shredder nicht ganz verbergen, doch er tut dem zeitgemäßeren Anstrich gut und sein Spiel ist brillant und flüssig auf den Punkt. Rick Wakeman hat eine wahre Burg um sich gebaut, doch seine zehn Synthesizer sind geordneter als es früher der Fall war. Egal ob schnelle Läufe, Fanfaren oder sanfte Flächen, stets findet er genau den richtigen Ton. Dazu scheint er guter Dinge zu sein und nicht so mürrisch wie im Frühjahr in Schweden, womöglich weil sein Glitzergewand hier stimmiger ausschaut. Optisch eher ungewohnt in schwarz gekleidet mimt der Frontmann den Prediger, welcher seine poetischen und philosophischen Texte stimmlich in bester Verfassung und mit viel Gefühl intoniert.

Zusammen erzeugen sie einen dichten Sound, der alle Facetten der komplexen Klanggebilde heraus arbeitet und dem ehrwürdigen Bandnamen alle Ehre macht. Seien es die Abfahrten in "Heart Of The Sunrise", die konzentriert und hart herüber gebracht werden oder die schöne Sphärik des folkigen "And You And I", die sanft dahin schwebt oder aber die Dynamik und Dramatik des konzertanten "Awake", des zum herausragenden Epos mutiert. Darüber hinaus sprühen die Fünf nur so vor Spielfreude, immer wieder suchen die Musiker ihre Nebenleute, um mit ihnen zu jammen, die Stimmung auf der Bühne ist sehr gelöst.
Beim Überhit "Owner Of A Lonely Heart" drehen Trevor Rabin und Rick Wakeman an der Keytar sogar eine Runde durch das Publikum. Auch die klaren Melodien des Achtzigermaterials setzt die Formation perfekt um, gerade gesanglich ist man neben dem instrumentalen Feuerwerk ebenso stimmig. Die Satzgesange sitzen ähnlich virtuos, bei den Kanongesängen tut sich auch der gute Lee ebenso hervor, vor allem dann wenn seine Stimme wie ein weiteres Instrument gebraucht wird. Dazu übernimmt Rabin auch mal die einen oder anderen Leadvocals, besonders bei den Songs aus der Ära mit ihm an den sechs Saiten.

Besonders das Erfolgsopus "90125" nimmt mit vier Nummern eine zentrale Rolle im Set ein, dazu gesellt sich noch ein Stück von dessen Nachfolger "Big Generator". Auf einen Beitrag vom "Union"-Desaster hätte man verzichten können, da hätte man besser auf "I Am Waiting" von "Talk" zurückgegriffen, das zuletzt oft gebracht wurde, doch live macht "Lift me Up" keine so schlechte Figur. Bei den Klassikern belässt man es beim erwähnten Beitrag vom Meisterwerk "Close To The Edge", Anderson bevorzugt sein Lieblingsalbum "Fragile", von dem es auch vier Songs zu hören gibt, ansonsten ist nur noch "The Yes Album" mit zwei Titeln öfter vertreten. Vom Sound wurde das Tondokument auch sehr gut in Szene gesetzt, jedes Detail wurde plastisch heraus gearbeitet, und auch das Publikum ist sehr gut eingefangen.

Nur die visuelle Umsetzung lässt sehr zu wünschen übrig, was schon damit anfängt, dass die Lightshow bei Pionieren dieser Technik eher spärlich ausfällt, irgendwie scheint das Rig auch viel zu hoch. So sieht das Ganze in der Totalen ziemlich dunkel aus, streckenweise sind die Musiker schwer zu erkennen, während das Bild in den Nahaufnahmen oft einen starken Farbstich hat. Auch die Kamerapositionen sind unglücklich gewählt, oft ist ein weiterer Musiker halb im Hintergrund zu sehen, anstatt beide in Szene zu setzen, immerhin sind die verschiedenen Einstellungen lange gewählt, so dass man den Herren genau auf die Finger schauen kann. Doch bei der Klasse des Gigs wäre in der Konservenaufarbeitung deutlich mehr drin gewesen, das hat die Qualität von Neunziger-VHS bei MARILLION sah man zuletzt, was heute alles möglich ist, sehr schade. (Pfälzer)



Bewertung:

Pfaelzer7,0 7 / 10


Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: ca. 120 min
Label: Eagle Vision/Universal
Veröffentlichungstermin: 07.09.2018

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