Zur Absage des Bryan Adams-Konzertes in Düsseldorf - Offener Brief an Gesundheitsminister Karl Josef Laumann

covid19Nun ist es also passiert, das geplante Konzert von BRYAN ADAMS und anderen Acts am 04.09. in Düsseldorf wurde wegen der aktuellen Pandemie-Lage verlegt, auch wenn eine komplette Absage nun als sehr wahrscheinlich gilt. Eine Entscheidung, die man verstehen kann, die aber auch sehr viele Fragen aufwirft. Denn das Sicherheitskonzept von ausgewiesenen Fachleuten unter der Führung von Marek Lieberberg war eigentlich vorbildlich und transparent. Es wäre vor allem ein wichtiger Fingerzeig für die Zukunft der Veranstaltungsbranche gewesen, die seit fast einem halben Jahr niederliegt. Eine besondere Rolle kam bei der Diskussion um das Großkonzert dem Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann zu. Grund genug für unseren Redakteur Rainer Petry ihn persönlich anzuschreiben.

Sehr geehrter Herr Laumann,
zuerst einmal muss ich ihnen einen großen Respekt entgegen schicken, denn sie haben es aus der Welt der einfachen Arbeiterschaft in die große Politik geschafft und blieben ihren Wurzeln mit ihrer Arbeit stets treu. Ich entstamme ebenfalls einer klassischen Arbeiterfamilie, bin 48 Jahre, verheiratet, lebe in Püttlingen und schreibe seit dreizehn Jahren nebenher für das Musikmagazin NECKBREAKER.

Sie werden mich sicherlich nicht kennen, aber ich kenne ihre Arbeit. Im Rahmen derer saßen sie am 08.03. in der Sendung von Anne Will, welche ich mit großem Interesse verfolgt habe. Dabei haben sie sich für Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung sehr stark gemacht, im Anschluss an die Sendung kam dann die Empfehlung von Gesundheitsminister Spahn Veranstaltungen ab 1.000 Personen abzusagen. In der Folgewoche wurde viel beschlossen und diskutiert, die Ergebnisse waren vor allem für den Kulturbereich sehr besorgniserregend.
Ohne eine Möglichkeit, die ganzen Geschäfte mit Vernunft ausklingen zu lassen wurde eher grob alles herunter gefahren. Als Anhänger der Musikkultur hätte ich mir gewünscht, dass man eventuell laufende Tourneen hätte zu Ende spielen können. So war es letzten Endes für Musikliebhaber eine Frage des Wohnortes, ob man in den Genuss einzigartiger Konzerterlebnisse kommt oder nicht. In meinen Augen ist das nur bedingt mit unserer Verfassung zu vereinbaren, doch dazu später mehr. Was mich und viele andere so ärgerte, war dass die Bars in Ischgl trotz einer vorliegenden Warnung länger in Betrieb waren als die Livemusikclubs hierzulande. Hier hätte die Bundesregierung viel mehr in Richtung Wien appellieren müssen, da am Ende etwa vierzig Prozent unserer Erstinfizierten auf Ischgl zurück zu führen sind.

Ich muss natürlich die Regierungsverantwortlichen auch loben, denn es wurde auch viele richtige Entscheidungen getroffen und unsere Republik ist angesichts der dichten Besiedlung Deutschlands sehr gut durch diese Zeit gekommen. Ich finde es ferner gut, eng mit Wissenschaftlern zusammen zu arbeiten, da ich der Naturwissenschaft immer am meisten Glauben schenke. Leider hat man es bei den Schließungen verpasst mit Maß und Ziel vorzugehen. Ebenso hat es Kanzlerin Merkel versäumt Klartext zu sprechen. Wäre es nicht besser gewesen zuzugeben, dass man mit den Maßnahmen eben Grundrechte beschneidet?
Es ist sich jeder bewusst, dass dem so ist, denn im Prinzip muss man Grundrecht gegen Grundrecht aufwiegen, eine Entscheidung, die ich persönlich nicht fällen wollte. Aber ihnen und allen anderen Verantwortlichen sind die Hände gebunden, sie können oft nicht viel anders machen. Deswegen wäre ein Eingeständnis der Schwäche und eine Entschuldigung an das gesamte Volk sicher gut angekommen, anstatt hinter dem Seuchenschutzgesetz Zuflucht zu suchen. Wenn man so unter Druck steht kann man keine Stärke demonstrieren, denn sie kann in meinen Augen nicht da sein. Damit hätte man Vertrauen und Verständnis erreicht, die Menschen hätten sich mitgenommen gefühlt.

Stattdessen haben sich plötzlich viele Menschen abgehängt gefühlt, eben vor allem in der Kulturbranche. Künstler, die von einem Tag auf den anderen auf der Straße saßen, da sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen konnten. Laut dem Bündnis „#Alarmstufe: Rot“ welches am 18. August in Düsseldorf demonstrierte handelt es sich hierbei um den sechstgrößten Wirtschaftszweig Deutschlands. Ein Fakt, welchen auch ihr Ministerpräsident Armin Laschet nicht bewusst in seiner Ansprache wahrnimmt, der den Verzicht vor allem dort bedauert, wo Vereine mit Mitgliedsbeiträgen zwar nicht feiern können, aber überleben werden. In der Veranstaltungsbranche stehen hingegen viele Arbeitsplätze und wirtschaftliche Existenzen auf dem Spiel.
Ferner ist es für die Anhänger der „Real Music“-Kultur, also Rock, Pop, Jazz oder Weltmusik eine bittere Erkenntnis, wo man politisch und juristisch eingruppiert wird. Im Zuge der ganzen Debatten kristallisierte sich heraus, dass Livemusik zu den Vergnügungsstäten gezählt werden, ihnen somit die gleichen Rechte und Anerkennung zukommen wie Bordellen und Spielcasinos. Grüne und Linke haben im Bundestag schon wiederholt Anträge eingebracht, um diesen absolut unhaltbaren Zustand zu ändern.

Und nun wurde ein Konzert abgesagt, welches Wege für die Livemusik-Kultur hätte aufzeigen können, welches auch die Problematik auch mal in die breite Öffentlichkeit hätte tragen können. Ob das Konzert von ROLAND KAISER ähnliche Türen öffnen konnte, wage ich zu bezweifeln, wenigstens hat man hier gesehen, dass viele Bedenken unbegründet waren. Sicher nagen BRYAN ADAMS oder SARAH CONNOR nicht am Hungertuch, doch dass sich der Beruf des Musikers gewandelt hat, dass er heute ein Broterwerb ist und der reiche Rockstar ausstirbt, ist beim Großteil unserer Bevölkerung noch nicht angekommen. Und hier ist Hilfe notwendig, und zwar genau hier, denn gerade die deutsche Clubinfrastruktur ist weltweit einzigartig, wie mir schon unzählige Künstler bestätigt haben.

Genau hier kommt ihre Person ins Spiel. Ich kann die Absage, die Befürchtung einer größeren Infektionswelle dadurch nachvollziehen, auch wenn ich es für sicher halte. Allerdings hatten sie drei Tage zuvor ihrem stellvertretenden Ministerpräsidenten Joachim Stamp beim Thema Karneval Paroli geboten und Lösungen gefordert. Dass hat in der Szene für großen Unmut gesorgt, denn diese beiden Haltungen sind eigentlich nicht miteinander vereinbar, hier wird ein Unterhaltungsangebot eindeutig dem anderen gegenüber bevorteilt. Dabei darf man nicht vergessen, dass Fasching in diesem Jahr vollumfänglich stattfinden durfte. Das in einer Zeit, in der die Covid-19-Pandemie schon in vollem Gange war. Damals wurden aber eben nur die akuten Fälle getestet, während heute in breitem Umfang getestet wird. Können sie wirklich mit voller Überzeugung behaupten, dass man bei gleicher Testkapazität wie heute nicht die gleiche Zahl an Infizierten hätte ausfindig machen können?

Darüber hinaus muss man ebenso die Verwandtschaft des Karnevals zu anderen Unterhaltungsangeboten sehen. Ich habe nichts gegen Karneval, war früher selbst aktiv mit eigenverfassten Büttenreden und Tänzen, doch das Genre hat sich gewandelt. Zu sehr übernahmen in den letzten Jahren Tendenzen von Partymeilen wie Ballermann und Ischgl mit ihrem musikalisch eng gestrickten Programm. Natürlich kann man über Geschmack streiten, doch es dreht sich Musikliebhabern um die Vielfalt. Mit meiner Tochter habe ich in dem Jahr viele Faschingsveranstaltungen besucht, aber irgendwann verlief sich alles in einer Endlosschleife. Einer Endlosschleife deren Repertoire deutlich geringer ist als der Katalog verdienter Rockacts, man muss dabei nicht mal die Namen der Grandseigneure des Songwritings wie BOB DYLAN oder NEIL YOUNG bemühen.
Wie oben erwähnt fielen auf der anderen Seite Livemusik-Events zum Opfer, die so nie mehr zu wiederholen sind. Dafür wurden die Aprés-Ski-Bars in Ischgl lediglich ein paar Wochen vorm Saisonende geschlossen, das Oktoberfest abgesagt als bereits alle Festivals verboten waren und Mallorca als erste Fernreise-Destination wieder angeflogen. Letzteres Eigentor dürften die Verantwortlichen mittlerweile selbst eingesehen haben.

Da muss man die Frage stellen, warum die immer gleichen Events so stark gefördert werden, während man teils einzigartige Kultur als nicht schützenswert erachtet, man keine Unterstützung anbietet, man keine Lösungen sucht. Das ist die Kultur, welche den Mensch vom Tier unterscheidet, wenn Emotionen in Kunst verpackt werden und damit andere Menschen berühren. Ohne Arroganz könnte man einwerfen, dass in der „Real Music“ das kreative Potenzial höher ist, dass teilweise Welten miteinander verbunden werden. Jazzmusiker, die sich ständig neu erfinden, Metalbands, die mit Orchestern große Werke schaffen oder junge Musiker, welche die Wurzeln der Populärmusik entstauben sind künstlerisch sicher wertvoller als klinisch auf Airplay getrimmte Partybeschallung. Man könnte auch die sehr friedliche Stimmung auf Festivals oder beim fachkundigen Clubpublikum anführen, welche Ordnungsdienste und Angestellte immer wieder loben.

Aber darum geht es noch nicht einmal, es geht um Chancengleichheit, es geht um Bedrohlichkeit. Wenn die ersten Clubs und Festivals aufgeben müssen setzt sich eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang, Spielstätten werden fehlen und damit Auftrittsmöglichkeiten von denen Künstler leben. Geben die Künstler auf, werden andere Spielstätten ihren Programmkalender nicht voll bekommen und können nicht genügend Einnahmen generieren. Von der ganzen Peripherie ganz zu schweigen, die darunter leidet, ob Techniker, Caterer, Promoter oder Bühnenbauer. Die wären von einer Absage von Fasching ebenfalls betroffen, aber das sind ein paar Wochen, die Livemusik steht schon Monate still. Im Übrigen täte ein Jahr Sabbatical zur Selbstreflektion dem Karnevalstreiben ganz gut, um sich aus der „Schmuddelecke“ heraus zu manövrieren.

Deswegen kann ich nur an sie appellieren, diese Szene zu stützen, ihr Niedergang wäre ein herber Verlust für unsere kulturelle Vielfalt und den Arbeitsmarkt. Selbst Prominente wie Jan Josef Liefers oder Herbert Grönemeyer haben mittlerweile auch schon in diese Richtung ausgerufen, dass es nicht mehr überhörbar ist. Ich weiß wie schwierig die Entscheidungen in dieser Zeit sind, doch sie müssen mit Bedacht und Maß getroffen werden. Überdenken sie vielleicht ihre Präferenzen, sie als Gesundheitsminister haben sicher einen gewissen Einfluss. Für einen Dialog oder ein Feedback wäre unser Magazin sehr dankbar, sie erreichen den Autor unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.. Gerne leite ich sie auch an unsere Medienpartner, die sich alle ausführlich in Interviews zu der Thematik geäußert haben und die genauere Einblicke haben und sicher Konzepte vorstellen können.

Hochachtungsvoll,
Rainer Petry

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