Alice Cooper + Black Stone Cherry (11.09.2019, Mannheim)

alicecooper tourflyerWoher der Mann die Energie nimmt, weiß ich beim besten Willen nicht, aber wenn es ein Geheimnis dahinter gibt, ich würde es nicht weitererzählen. Gerade war er erst mit seinen HOLLYWOOD VAMPIRES unterwegs, schon geht ALICE COOPER wieder mit seinem Rocktheater auf Tour. Die 71 Lenze scheinen sich bei ihm jedenfalls noch nicht bemerkbar zu machen. Immerhin gibt es auch was zu feiern, denn vor 50 Jahren erschien mit "Pretties For You" das Debüt der originalen ALICE COOPER Band, und so ist die "Ol´ Black Eyes Is Back"-Tour auch eine reine Werkschau, die neue EP "Breadcrumps" fand nur als Pausenbeschallung Erwähnung. Begleitet wurde der gebürtige Vincent Damon Furnier von den zeitgemäßen Südstaatenrockern BLACK STONE CHERRY, eine der heißesten Liveacts momentan. NECKBREAKER war in der Mannheimer SAP-Arena vor Ort, wobei sich diese Halle als zu groß für die Popularität der Legende erwies.

BLACK STONE CHERRY
Von den Qualitäten haben die wenigsten der 3200 Anwesenden etwas mitbekommen, weswegen der Auftakt doch sehr reserviert ausfiel. Das erinnerte mich an das Stelldichein der SCORPIONS vor ein paar Jahren an selber Stelle, zu viele Zuschauer kamen über den Mainstream-Tellerrand nicht hinaus. So hatte das Quartett am Anfang mit wenig Aufmerksamkeit zu kämpfen, obwohl "Burnin´" vom aktuellen Longplayer "Family Tree" eine toller Opener war. Wo beim mit der Band vertrauten Publikum sofort alle verfügbaren Körperteile in Bewegung geraten, passierte dies an dem Abend nur sehr vereinzelt.

Den Vieren da oben war das indes egal, sie hatten einfach Spaß an ihrer dreiviertel Stunde und gaben direkt die Vollgas-Marschroute vor. Vor allem Gitarrist Ben Wells war unablässig unterwegs und schüttelte dabei seine blonde Haarpracht. Die Posen waren ebenso geerdet wie das Material der Band, da gab es keine große Theatralik, viel mehr die klassischen Rockgesten. Die saßen perfekt, immer wieder riss er sei Instrument mit einem Arm hoch, auch der andere wurde in die Luft gestreckt oder diente das Publikum anzufeuern. Immer wieder haute er seine Akkorde mit sehr kraftvollem Anschlag in seine Saiten, während er dabei keine Sekunde still stand.

Sein Frontmann ließ es von der Bühnenperformance etwas ruhiger angehen, war aber auch oft vorne zu finden, um die Menge einzufangen. Bei den tollen mehrstimmigen Refrains musste indes jeder zurück zu seinem Platz am Mikro, wobei vor allem Wells und Bassist John Lawhon oft an anderen Plätzen standen. Es war auch schön zu beobachten, dass bei allem Stageacting keiner in seiner Welt abging, sondern die Formation viel miteinander agierte und kommunizierte.
Der gute Ben suchte bei seiner Reise über die Bühne immer den Kontakt zu seinen Nebenleuten, um gemeinsam mit ihnen zu spielen. Da gab es öfter Gitarrenbattles mit Chris Robertson, welche das gute Zusammenspiel zwischen den beiden deutlich machten. Auch das gemeinsame Posen, mehrmals lässig Rücken an Rücken gelehnt wurde immer wieder zelebriert, ebenso wie das gemeinsame Formieren der drei Saitenartisten ganz vorne.

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Absolut imposant war aber vor allem Drummer John Fred Young, der sein Kit wie ein Berserker bearbeitete. Ich habe ja schon viel sehr aktive Schlagwerker gesehen, aber das der gute Mann da ablieferte, ließ die Kinnlade ein Stockwerk tiefer fallen. Da wirbelten die Stöcke durch die Finger, die Becken wurden quer in eine Richtung geschlagen und direkt danach aus der anderen, mit den Breaks schob er die Songs unglaublich an. Bei all der Power vergaß er nie diese auch punktgenau zu setzen, damit sie ihre Wirkung entfalten konnten. Seine Matte flog irgendwo zwischen seinen Armen auch noch wild umher, und wenn sein Backgroundgesang gefragt war, holte er das Mikro ansatzlos mit einem der Sticks bei.

Mit der Darbietung konnten BLACK STONE CHERRY die große Bühne mühelos füllen, dennoch wünschte man sich streckenweise einen kleineren Club. Vielleicht fehlen ihnen auch die ganz großen Hymnen, um die Menge richtig mitzureißen und auch so eine weites Runde mitzunehmen. Ihre Gassenhauer "Blame It On The Boom Boom" und "White Trash Millionare", die in der Mitte des Sets gebracht wurden, kommen da nahe dran.
Jene konnten auch einige Singalongs ernten, so dass die SAP-Arena langsam auftaute und auch mal mehr spendierte als Höflichkeitsapplaus. Dennoch war ihr hemdsärmeliger, ehrlicher Rock´n´Roll nicht das was die Leute hören wollten, der Anteil an Kameras später zeigte ihr starkes Interesse an der optischen Komponente, damit konnten die Jungs aus Kentucky in ihrem lässigen, teilweise Trucker meets Lumberjack-Outfit nun wahrlich nicht dienen.

Überraschenderweise war es die Jam bei "Cheaper To Drink Alone", mit dem sie am meisten Applaus ernten konnten, was nicht nur an dem Einstreuen des JIMI HENDRIX-Klassikers "Purple Haze" lag. Auf der Bühne wurden die Vier noch von einem Keyboarder und zeitweise einem Perkussionisten verstärkt, die sich dabei verstärkt einbrachten. Die hypnotische rhythmische Komponente könnte das Mainstream-Publikum eventuell als tanzbar aufgefasst haben. Mir gefiel viel mehr, wie sich die beiden Gitarristen und der Mann an den Tasten über diese Grundlage die Parts nur so zuspielten und eine unglaubliche Dynamik einbrachten. So wurden sie nach dem Titeltrack des aktuellen Albums doch noch gefeiert, wobei ich von dem Album gerne mehr gehört hätte. (Pfälzer)

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ALICE COOPER
Nachdem das Backdrop der Southern Boys eingeholt wurde, zog man ganz vorne ein weiteres hoch, welches die Bühne erst mal verdeckte. Doch selbst davor platzierten die Techniker noch einige Mikrofone, so dass bereits deutlich wurde, wie nah die Band am Publikum sein möchte. Unter dem wurde bereits gerätselt, was dahinter geschraubt würde und was für Aufbauten zum Vorschein kommen. Als das Theater öffnete und der Vorhang fiel stand da eine komplette Burg auf den Brettern, mit langer Treppe einem Wehrgang mit Tor darunter und einem Bergfried. Wie immer hatte der gute Alice nicht gekleckert, sondern wieder eine volle Show aufgefahren, die erstmal Futter für die Augen bot, denn auch die vielen Details musste man überhaupt mal erfassen.

Da es an dem Abend etliche Klassiker setzen sollte, stieg man auch gleich mit ein, um die Meute auf Betriebstemperatur zu bringen. Vom aktuellen "Paranormal" kam nur ein Stück, dafür recht viel aus der Hair Metal-Phase, das war nicht immer so. Dafür klammerte man die Zeit nach "Welcome To My Nightmare" bis zu eben jener Ära komplett aus, welche zuletzt immer mal wieder im Set vertreten war. Überraschender war allerdings das Fehlen einiger Hits wie "Elected", "Only Women Bleed" oder "Be My Lover" aus denen andere Kapellen ganze Sets basteln würden. Vielmehr gab es einige selten gespielte Stücke aus den besten Alben, wobei zwei Beiträge von "Welcome To My Nightmare" nur instrumental gespielt wurden.

Was für viele Fans oft einen Mehrwert darstellt, wurde in Mannheim nicht goutiert, vielmehr fiel der Abfall der Stimmung spürbar auf, das Publikum hatte nur Hits erwartet. Wenigstens war es bei denen dann auch stimmungstechnisch da und sang Gassenhauer wie die unsterbliche Achtziger-Hymne lauthals mit. Auch vom Applaus unterschieden sich die Titel analog zu ihrer Popularität, was durchaus mal als schade zu werten ist. Auf jeden Fall waren die Leute jetzt aktiver, doch so richtig rocken wollte dennoch keiner, nur selten waren die Hände während der Songs oben zu sehen.
Also lag es an der Band, da richtig einzuheizen, und die tat es von Beginn an und ließ sich da von den Jungspunden zuvor nicht die Butter vom Brot nehmen. Da wurde gerne die steile Treppe zur Burg erklommen, ohne dabei die Hände vom Instrument zu lassen. Überhaupt war die Spielfreude in jeder Note zu spüren, die Formation war perfekt aufeinander eingespielt, kein Wunder sind sie in der Version seit sieben Jahren zusammen, wobei einige schon früher mit an Bord waren. Dabei war das Stageacting keinesfalls durchchoreographiert, die Mucker trieben zwanglos Scherze miteinander.

"The Coop" kann sich drei Gitarristen leisten, wobei ich denke, dass er noch mehr zusammen bekommen würde, an Kandidaten, die Interesse haben, dürfte es bestimmt nicht mangeln. Doch das Trio will ja auch beschäftigt werden und sich präsentieren, es soll je keiner bei den Showelementen zu kurz kommen. Grundvoraussetzung ist allerdings eine gewisse Lässigkeit, die alle Akteure verbreiteten. Tommy Henriksen hat diese sicherlich, der hagere Mann wirkte mit seinem breiten Hut über seinem schmalen Kopf herrlich entrückt und spielte in seiner eigenen Welt. Kein Wunder, dass ihn sein Bandboss auch für die HOLLYWOOD VAMPIRES engagierte, deren Logo beide auf der Bühne auftrugen.

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Ryan Roxie hatte ich erst vor Kurzen beim SwedenRock mit dem früheren Cooper-Bassisten Dennis Dunaway und dessen BLUE COUPE gesehen. Auch da bestach er mit seinem Sleaze-Outfit mit überdimensionaler Mütze und dem coolen schlurfenden Gang. Auch seine Haltung bei den Soli war so wunderbar eigen, einfach total abgehangen wie auch die Riffs der alten Cooper-Nummern. Dem steht auch Viersaiter Chuck Garric in nichts nach, der mit durchtrainiertem Körper und riesigen Koteletts auch optische Reizpunkte setzte. Dazu stand er in seiner typische Art da, das rechte Knie immer leicht abgewinkelt, so dass der Oberkörper immer etwas nach hinten kippte, während er übergroße Langhölzer über die Bretter wuchtete.

Doch eine Nita Strauss ragte aus der Truppe noch heraus, nicht nur weil sie die einzige Frau auf der Bühne war. Über die optische Präsenz muss man gar nicht reden, enge Spandexhosen und eine Korsage betonten die Figur, wobei sie vielleicht etwas überschminkt war. Doch wie sie mit ihren großen Augen mit dem Publikum flirtete, ließ bei manchem Mann den Puls hoch gehen. Was sie an Pose raushaute war sagenhaft, immer wieder stand sie ganz vorne, die Gitarre leicht seitlich hochgerissen und den Kopf in den Nacken gelegt, so geht Rockstar-Habitus. Ein anders mal saß sie breitbeinig ganz vorne, die Gitarre zwischen den Oberschenkeln auf das Publikum gerichtet.

Ein Solo durfte sie auch beisteuern, welches sie oben auf dem Turm mit Maske und Kapuze begann und sich immer weiter zu den Zuschauern vorarbeitete, um sich dann die die Kopfbedeckungen herunter zu reißen. Immer wieder sprang sie herum und wirbelte ihre Ibanez um sich herum, sie war sicherlich der agile Fixpunkt auf der Bühne. Doch auch spielerisch wusste sie zu bestechen, ließ bei ihren Soli die Finger wild über das Griffbrett gleiten und übte sich auch im Tapping. Sie war es auch, welche den Songs einen deutlich direkteren und härteren Anstrich verlieh, was einigen alten Stücken zu Gute kam. Mit ihrem gekonnten Geschredder empfahl sie sich als Verstärkung an der weiblichen Front bei ARCH ENEMY.

Kein Wunder, dass der Meister sich öfter mal zurück zog und seiner Backingband das Ruder überließ, die auch gesanglich sehr gut zusammen agierte, sich dabei ganz vorne aufreihte. Natürlich kann man spekulieren, ob der Mann bei der nur eineinhalbstündigen Show nicht Kräfte sparen will, aber seine Präsenz war immer noch überragend. Wie er das Publikum umgarnte, auch etliche Meter auf der Bühne machte und mit allerhand Requisiten die ganz große Show abfackelte war großartig. Dabei trug er eine ganze Reihe verschiedenster Outfits auf, ob Frack oder Zwangsjacke, ALICE COOPER stand alles.
Stimmlich war er ebenso in guter Form, die Töne saßen alle, selbst die ganz hohen Kiekser bei den theatralischen Kompositionen. Der Herr im Ring war am öftesten oben auf dem Gang zu finden, von wo aus er die Menge nach Belieben dirigierte. Dabei benötigte er nicht viele Ansagen, er präsentierte eine Show, die knackig mit vielen Höhepunkten durchgezogen wurde, und keiner großen Erläuterungen bedurfte. Still stand der Mann nie, unterwegs rockte er mit seinen Mitstreitern oder baute sich an der Bühnenfront auf, um seine Anhänger mit den kajalumrandeten Augen zu taxieren.

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Eigentlich benötigte dieser Gig gar keine großen Showelemente, als reines Rockkonzert hätte das ebenso Spaß gemacht, aber die Leute waren für mehr gekommen. Selbstverständlich wurde an Horror-Szenarien wieder das volle Programm aufgefahren, nicht nur die vielen Grabsteine, die auf der Bühne verstreut waren und fast den Blick komplett vom starken Schlagzeuger Glen Sobel abgelenkt hätten. Der durfte wenigstens mit dem Original-Drumsolo von "Black Juju" glänzen, das in den Instrumentalpart eingebaut wurde und war oft Anlaufpunkt für seine Mitmusiker.
Es regnete Konfetti und Billionen-Dollar-Noten, schon beim Opener bekam man Besuch von Frankensteins Monster persönlich, nicht zum einzigen Mal an dem Abend. Auch riesige Babys gaben das ideale Futter, um auch mal die Arme der Smartphone-Generation in die Höhe zu befördern. Ab und an schneite auch eine bleiche Braut mit Kerzenhalter und Rosen zum weißen Lackkleid herein, um Alice zu einem Tänzchen zu bitten. Wenn der Meister hingegen böse war, kam die wohlbekannte Krankenschwester herein, um ihn zu impfen und anderweitig zu bändigen.

Als das alles nichts half, folgte das Unvermeidliche jedes Konzerts, sicher ist "ALICE COOPER stirbt" der älteste Spoiler der Unterhaltungsgeschichte, doch immer wieder Höhepunkt des Spektakels. Allerdings kam er nur einmal zu Tode, da habe ich schon blutigere Aufführungen erlebt, doch für die Szene hatte das gute, alte Fallbeil wieder seinen Auftritt. Das Böse war besiegt, sein Kopf wurde triumphierend von den Monstern geschwenkt, bis die Legende wieder auferstand und das große Finale einläutete. Das lockte die Fans nochmal aus der Reserve, die sich noch einmal lautstark bemerkbar machten, doch ihr Pulver schon bei den Zugaberufen verschossen hatten. Wie schon bei den SCORPIONS vor vier Jahren wird das Mannheim irgendwie nichts mehr, von der Legende selbst hätte sich so mancher ein paar Scheiben abschneiden können. (Pfälzer)

Setlist ALICE COOPER:
Feed My Frankenstein
No More Mr. Nice Guy
Bed Of Nails
Raped And Freezin´
Fallen In Love
Muscle Of Love
I´m Eighteen
Billion Dollar Babies
Poison
 -Guitarsolo-
Roses On White Lace
My Stars
Devil´s Food
Black Widow Jam/Black Juju
Steven
Dead Babies
I Love The Dead
Escape
Teenage Frankenstein
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Under My Wheels
School´s Out

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Alle Killerphotos von Alex

 

 

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