Y&T (21.09.2019, Bensheim)

yandt tourplakatUnd jährlich grüßt das Murmeltier! Von Mitte der Achtziger bis 2003 ließen sich die kalifornischen Hard Rocker nicht in Europa blicken, so dass ich froh war, sie damals auf dem Bang Your Head-Festival gesehen zu haben. Mittlerweile gehören sie fest ins Bild der Tourkalender, dem Wandel der Musikszene haben Y&T Rechnung getragen. Frontmann Dave Meniketti kann sich immer wieder Auszeiten von seinem Winzerbetrieb nehmen um durch die Welt zu touren. Ebenso wie die Band nicht müde wird, füllen die Fans immer wieder die Clubs, auch wenn sie meist die gleichen frequentieren. Nach ein paar Besuchen von Gastspielen im Colos-Saal schaute NECKBREAKER dieses Mal im Musiktheater REX in Bensheim vorbei. Wie schlug sich das Publikum dort im Vergleich zum Aschaffenburger Kult-Tempel?

Eine solche Institution ist das REX noch nicht ganz, auch weil sie vor ein paar Jahren durch den Umzug zurückgeworfen wurden. Von Lorsch ging es dann in das Kulturdenkmal Alte Güterhalle in Bensheim, das liebevoll hergerichtet wurde. Die Ziegelsteinfassade ist teilweise noch innen erhalten und damit der ursprüngliche Charme des Gebäudes. An den Wänden hängen überall Photos und Memorabilia von und mit den großen Helden der Rockmusik, was das Venue und seine Betreiber authentisch macht. Zum Service gehören auch die guten Parkmöglichkeiten am EKZ auf dem Vorplatz und Bedienungen, welche einem den störenden Gang zur Theke abnehmen.

Da wollte sich auch das Publikum an dem Abend nicht lumpen lassen und war von Beginn an voll da, auch wenn es keinen Support zum Aufwärmen gab. Als das Saallicht ausging kamen schon die ersten Sprechchöre, welche den Vierer forderten, nicht zum letzten Mal an dem Abend. Kein Wunder, dass die Musiker davon getragen sofort nach vorne preschten und eine zuletzt vernachlässigte Kostprobe des "Earthshaker"-Überwerkes rausfeuerten.
Die Bühne ließ ihnen viel Raum und der Sound brachte die bratenden Riffs aus dem herrlich abgewetzten Gibson und Fender-Equipment sehr gut zur Geltung. Die vier Saiten waren ebenfalls präsent und konnten Akzente setzen, dazu war sogar heraus zu hören wie exakt die mehrstimmigen Gesänge auf den Punkt kamen. Klar war das teilweise etwas übersteuert, das störte nicht im Gesamtbild, es musste ja auch mächtig rocken.

Das tat vor allem das Quartett auf der Bühne, welches von Beginn an einen sehr guten Tag erwischt hatte. Wobei ich noch nie eine nur ansatzweise standardmäßige Show von Y&T erlebt habe, die Spielfreude ist immer noch enorm, im Frontmann lodert ein Feuer, von dem sich viele eine Scheibe abschneiden können. Wie er und sein Axtpartner John Nyman immer wieder ganz vorne am Bühnenrand auftauchten, ihr Arbeitsgerät bei den Soli fast über die Köpfe der Zuschauer hielten, war ganz großes Kino. Der Mastermind fühlte jeden Ton seiner Klassiker, oft stand er mit geschlossenen Augen und offenem Mund da und schien eins zu werden mit seinen Kompositionen.

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Mit dem blonden Nyman harmoniert der Lockenkopf blind, über die fast zwanzig Jahre wuchsen sie perfekt zusammen. Speziell in den mehrstimmigen Leads zeigt sich das meisterhafte Zusammenspiel, was aber auch für die restliche Mannschaft galt. Aaron Leigh kommt zwar optisch noch nicht ganz in diese Phalanx hinein, doch er gab auf der rechten Bühnenflanke mächtig Gas und warf sich in alle erdenklichen Posen oder wirbelte sein Langholz lässig umher. Hinten treibt Mike Vanderhule die Maschinerie nun schon seit 13 Jahren an, er wusste punktgenau den fordernden Takt oder die wuchtigen Breaks vorzugeben, welche die Melodien noch kräftiger pushten.

Unter dem Titel "45th Anniversary" stellt man sich als Fan normalerweise eine reine Best Of-Show vor, doch genau das war der Abend nicht ganz. Jene zelebriert die Formation ohnehin seit Jahren, der letzte Studiodreher liegt schon fast zehn Jahre zurück, die Beiträge davon werden eher weniger. Für diese Tour hatte man sich vorgenommen, jedes bisherige Werk zu bedenken, wofür man tief in der Schatzkiste grub.
Hervor gefördert wurden nicht weniger als sieben Stücke, welche der Verfasser dieser Zeilen zuvor nie live gehört hatte. Wer nach acht Shows immer noch so überraschen kann, der muss wahrlich einen Packen Hammersongs auf Halde haben. Nachdem das Programm in den Nullerjahren vorwiegend aus Material von "Earthshaker" und "Black Tiger" bestand, wurde in den letzten Jahren "Mean Streak" verstärkt wiederentdeckt.

Auch wenn das Publikum vielleicht den einen oder anderen Favoriten vermisste, so wurde das Set größtenteils dankbar angenommen, viele freuten sich über die Raritäten, gerade von den ersten beiden Scheiben. Mit dem Moment im Rücken kitzelten Y&T noch ein bisschen mehr Begeisterung heraus, Anhänger und Künstler verschmolzen immer mehr in einem Rausch, die Clubsituation ließ ohnehin kaum Distanz zu, die war auch nicht gewollt.
Die Ovationen zwischen den Songs nahm der gute Dave immer wieder mit geballter Faust entgegen, so als wolle er die Halle und seine Mannschaft noch zusätzlich anfeuern, dabei war das REX richtig am Kochen. Für ihn ist es auch eine späte Genugtuung, während viele erfolgreichere Bands, die er in den Achtzigern beeinflusst hat schwächeln oder nicht mehr existieren, kann er sich auf die Treue seiner Anhänger verlassen.

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Erst nach einhundert Minuten war zum ersten Mal Schicht, doch beiden Seiten hatten nicht genug. Nach dem sehr ruhigen Beitrag vom "Endangered Species"-Album schob der Sänger noch einen extra Song ein, den das Publikum bestimmen sollte. Sofort wurden bei der Ansage alle möglichen Titel in den Saal gerufen, so dass man kaum etwas verstehen konnte. Leider bekam ich auch bei diesem Anlauf mein innig geliebtes "Temptation" nicht geliefert. Eigentlich war die anschliessende Abstimmung etwas unfair, wenn man die Megaballade schlechthin noch nicht gebracht hat, war es klar für welche Nummer das Auditorium am lautesten votet.

Nach dem ultimativen Showstopper sollte es dann normalerweise zu Ende sein, zumindest kam noch nie etwas nach. Doch Bensheim verlangte tatsächlich nach mehr, das konnten die Musiker nicht überhören und sie erhörten die nun völlig ausrastende Meute. Nach ein paar Scherzen setzte es ein Medley aus den bei der Abstimmung unterlegenen Songs, um etwaige Fans zu vertrösten, dabei war jeder voll auf seine Kosten gekommen.
Mit einem weiteren Beitrag vom "Ten"-Hammer war nach unfassbaren 140 Minuten wirklich Schluss, da keine Plektren mehr da waren warf Nyman Backstage-Candy in die Menge. Die hatte sich eine Stärkung verdient, so etwas habe ich selbst bei Y&T noch nicht erlebt. Eine Traumnacht, bei der alle Beteiligten alles gaben, das Publikum an der Bergstraße hatte sich als würdig für so einen Ausnahmegig erwiesen. (Pfälzer)

Setlist Y&T:
Hurricane
Lonely Side Of Town
Don´t Stop Runnin´
Black Tiger
Come In From The Rain
Mean Streak
Midninght In Tokyo
Face Like An Angel
Earthshaker
Struck Down
Hang ´Em High
I Want Your Money
21st Century
Contagious
Summertime Girls
I´m Coming Home
Rescue Me
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Sail On By
I Believe In You
Forever
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Open Fire/Barroom Boogie
Don´t Be Afraid Of The Dark

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