Jessy Martens & Band (19.10.19, Freudenburg)

jessymartens tourflyerEin gutes Jahr hat die Hamburgerin nun wegen ihrer Schwangerschaft pausiert, deswegen war sie in der vergangenen Spielzeit nicht im Ducsaal zu Gast. So ein familiäres Ereignis stellt schon das Leben von Künstlern auf den Kopf, man muss plötzlich einen Spagat meistern. JESSY MARTENS scheint ihn gut zu meistern, denn beim traditionellen Dinner in der Gaststätte nebenan war der Nachwuchs dabei. Irgendwie bekommt man das Bandleben hin, da muss eben ein größerer Bus her, damit Kind und Babysitter auch mit auf Tour gehen können. NECKBREAKER war froh, die junge Mutter wieder auf der Bühne begrüßen zu können. Wie hat die neue Rolle ihr Wesen auf der Bühne verändert?

Bisher kannten wir die Frau mit der großartigen Stimme als quirliges Energiebündel und lockere Hamburger Schnauze. Viel geändert hat sich an ihrer Performance nicht, wobei sie optisch schon ein wenig verändert wirkte. Das lag nicht nur daran, dass sie neuerdings auf der Bühne Brille trägt, ihre Ausstrahlung hat sich ebenfalls wieder ein bisschen gewandelt.
Stellte ich vor zwei Jahren einen gewissen Schritt in Richtung Erwachsenwerden fest, so wirkt sie nun gelöster. Manchmal war sie in ihrer Vergangenheit etwas zu bissig bei ihren Ansagen, heute kommt sie liebenswerter rüber. Man mag es kaum glauben, aber irgendwie scheint ihr das Muttersein diese weiche Mädchenhaftigkeit verliehen zu haben, die sie in dem Alter vermissen ließ.

Zart begann sie auch mit dem ersten Ton, den sie sehr ruhig vortrug und der wie die aktuelle Single neu erschienen sein muss. Doch er nahm den Rezensenten vom ersten Ton angefangen, Martens Intonation zauberte ihm sofort eine Gänsehaut auf den ganzen Körper. Wunderschön brachte sie die sanfte Seite ihrer Stimme zum Erblühen, die Lyrics schienen ihr sehr persönlich zu sein, immer wieder fasste sie sich ergriffen an die Brust.
Bei der folgenden Ansage forderte sie dann das leider zu lichte Publikum auf zu rocken und so nahm auch ihre Band Fahrt auf. So ging es nach einem Standard von ihrem Debüt im ersten Teil der Show querbeet durch das immer noch aktuelle Album „Tricky Thing“. Immer zwischen druckvoll und mit viel Gefühl agierenden traf diese stets den richtigen Ton und zeigte ihre Eingespieltheit über all die Jahre. So kam unter den Anwesenden auch gleich gute Stimmung auf, die Performance, die Spielfreude rissen einfach mit.

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Die gute Jessy war wie gewohnt stimmlich in Topform, hat sich vielleicht noch eine größere Reichweite zugelegt. Dabei ließ sie es sich nicht nehmen, die in vollem Umfang zu präsentieren, klasse, wie sie innerhalb einer Zeile von tiefem Croonen in hohe Sphären umschalten konnte. Allerdings übertrieb es die gute Jessy gerne mal mit ihren Späßen, die an dem Abend nicht mehr so auf Kosten anderer rüberkamen, sondern oft sehr selbstironisch waren. Natürlich war es unglaublich erfrischend und amüsant wie sie versucht die Singalongs für den nächsten Song einzustudieren.

Bei einem Lied schwörte sie das Publikum darauf ein auf eine Passage zu achten, die ihr besonders gut gefalle, um dann zu applaudieren. Doch wenn der musikalische Beitrag dann vor lauter Lachen untergeht dann nimmt sie etwas von der Emotionalität ihrer Stücke weg. Dem Publikum war dies reichlich egal, da es sich bestens unterhalten fühlte, der Ducsaal kennt JESSY MARTENS schon lange und schätzt sie für ihre Art. Irgendwo passen der Club und die Sängerin auch zusammen, beide sind so ehrliche Unikate, die man einfach lieb haben muss.

Für die Mitmusiker sind solche Einsätze natürlich immer eine Herausforderung, doch die Jungs meisterten auch diese Brüche. Immer wieder boten sie Jam-Einlagen, wechselten die Tonart oder debattierten vor einem Song über jene. Es war unglaublich, wie tight die Formation bei all dem Chaos agierte, aber man wurde immer wieder Zeuge, wie sie untereinander kommunizierte, wie ein Rädchen ins andere griff. Hinten hielt mit Christian Kolf ein Schlagwerker diese Gruppe von Könnern zusammen, der deren Coolness die Krone aufsetzte. Großartig, mit welcher Lässigkeit er auch bei knalligen Breaks und einem Solo die Stöcke schwang.

Wo ihre Frontfrau nun etwas weicher wirkt, legte sich die Musiker äußerlich mehr Kanten zu. Bassist Christian Adameit trug einen Iro, der hinten zusammen gebunden war, Keyboarder Markus „Mosch“ Schröder hat an Muskeln, Bart und Strenge der Frisur zugelegt. Letzterer prägte mit seinen großartigen Piano – und Orgelklängen das Gesamtbild, auch weil er im guten Mix sehr präsent war. Dirk Czuyas Gitarre setzte hingegen meist nur bei seinen Soli Akzente.
Zu Beginn des zweiten Teils nach der obligatorischen Thekenpause kamen alle Musiker am vorderen Bühnenrand zusammen, um zwei Songs akustisch zu intonieren. Schröder hing sich das Schifferklavier um, und Kolf saß auf einem kleinen Cajon. In der Art hat man die Songs noch nie gehört, was den Reiz noch zusätzlich verstärkte, die Band scheint auch im Bereich Arrangements gewachsen zu sein.

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Wie gut sie im Improvisieren sind zeigte sich als sie am nach der Zugabe noch einmal auf die Bühne zitiert wurden. Die Anwesenden haben minutenlang nach einer weiteren gerufen, dass konnten die Musiker backstage direkt hinter der Bühne nicht überhören. JESSY MARTENS fragte den Mann am DJ-Pult und Licht, warum er nicht schon Mucke aus der Konserve eingespielt hat, Adameit tippte sich ob der Hartnäckigkeit der Fans an die Stirn, half aber alles nichts. Also wurde kurz geratschlagt und eine Version der Ray Charles-Komposition mitsamt coolem Bass-Solo zelebriert, in der die Fünf ihr ganzes Können aufweisen konnten, bevor dann nach knapp zwei Stunden endgültig Schicht war. (Pfälzer)

Setlist JESSY MARTENS:
I Promise
One Minute Love
Pack Of Lies
Hush Now
Tricky Thing
Stronger
Insanity
Brand New Ride
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Wake Up
Shaking Off The Shackles
Little Mama Don´t Play
Home
Treat Me Like A Woman
Touch My Blues Away
Undercover
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By Your Side
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I Don´t Need No Doctor

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Alle Photos von Alex

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