Fifth Angel - The Third Secret

fifthangel thethridsecretIch bin jetzt seit dreißig Jahren in der Szene aktiv, doch noch nie hatte ich so derart gemischte Gefühle bei einer neuen Veröffentlichung. Auf der anderen Seite ist es schön endlich mal wieder etwas von einer meiner ersten Entdeckungen zu hören, auf der anderen Seite sind die Bedenken riesig, dass sie es vermasseln und ihre eigenen Legende zerstören. Die beiden bisherigen Scheiben aus den Achtzigern genießen in Undergroundkreisen bis heute absoluten Kultstatus und gehören zum Tafelsilber des US Metal. Doch leider zwangen geschäftliche und personelle Turbulenzen und der Zeitenwechsel FIFTH ANGEL 1990 zum Aufgeben. Zwanzig Jahre später standen sämtliche Musiker des Festivals Spalier, als die Truppe tatsächlich einen Auftritt beim Keep It True absolvierte. Doch es sollte einen weiteren Auftritt dort und acht Jahre dauern bis neues Material angekündigt werden sollte. Nun sind meine Reaktionen auf das Erscheinen von "The Third Secret" immer noch von Unsicherheit geprägt, im Vorfeld habe ich jede Bewertung und Hörprobe dazu vermieden, nun heißt es Augen zu und durch.

Zum Einstieg serviert uns der zurück gekehrte Ken Mary erst einmal ein paar Schläge, bevor dann ein leicht orientalisches Motiv aufkommt. Das irritiert den Verfasser dieser Zeilen ein wenig, denn so etwas verwässert oft die Atmosphäre, doch KAMELOT benutzten solche Elemente ebenfalls in ihrer stilistisch ähnlichen Frühphase. Auch in „Queen Of Thieves“ trifft man auf derartige Melodien, zudem ist dies der zeitgemäßeste Song, wobei sich die modernen Elemente erfreulich in Grenzen halten. Auf die schweren Eröffnungsriffs folgt eine von einem Drumshuffle geführte Strophe, bevor dann ein Leadmotiv herein schwebt, dass Fans der Band sofort an alte Zeiten erinnert. Dazu ist die Steigerung über eine eruptive Bridge in den weiten Refrain ebenso typisch für die Melodieführung der Formation.

Doch kommen wir zurück zum Opener, denn der galoppiert wunderbar drauf los Richtung kraftvollem Refrain, ohne dabei eine gewisse rockige Note nicht vermissen zu lassen. „We Rule“ kommt einem da in den Sinn, wobei hier auch mit dem Tempo gespielt wird. Es muss nicht unbedingt der schnellste Titel sein, der von der DoubleBass gefüttert wird, wie hier „Shame On You“ beweist, der eher nach vorne rockt. Da nimmt im Anschluss der Rausschmeißer „Heart Of Stone“ deutlich mehr Fahrt auf, rasante Leads flankieren den immer melodischen Song, der im Chorus mehrstimmig ausfällt.
Diese prominenten Leadgitarren sind ein weiteres Markenzeichen, welches sich die Truppe über fast dreißig Jahre erhalten hat, was das Wiedersehen nach so langer Zeit erleichtert. Es ist unglaublich, wie sehr man am ursprünglichen Konzept festhalten konnte, ohne dabei altbacken zu klingen. Auch die akzentuierte Riffarbeit blieb erhalten, ebenso der immer leicht melancholische Unterton. Dann erst diese Soloarbeit, die so unfassbar genial die Fähigkeiten zur Schau stellt, und doch immer dem Song dient. Selbst beim Blick auf das Artwork weiß man sofort, dass man hier keinem Etikettenschwindel unterlegen ist.

Noch überraschender ist wie sich Sechssaiter Kendall Bechtel als Sänger schlägt, was eigentlich nur eine Notlösung war. Zwar bringt er nicht ganz das saubere Timbre von Ted Pilot, mit seiner etwas härteren Stimme gibt er dennoch einen passablen Metalshouter ab. Von der Klangfärbung lässt er sich zwischen Mike Howe von METAL CHURCH und Ronnie James Dio einordnen, überhaupt etablieren sich RAINBOW als Einfluss neben UFO. Was sich bei der Rhythmusarbeit von ihm und Ed Archer widerspiegelt, in der Hymne „We Will Rise“ wechseln sie spielerisch zwischen angreifendem Staccato und breiten Flächen.
Richtig kantig fällt das Grundthema in „Dust To Dust“ aus, welches komplett während der Strophe durchgezogen wird und einen sofort packt. Das ist der Auftakt zur überragenden Mitte der Platte, „Can You Hear Me“ wurde komplett vom Kitsch der Balladen „Broken Dreams“ und „So Long“ entschlackt und wartet mit mystischer Power auf. Eine Bridge nach dem Solo fällt sogar noch erhabener aus als der Refrain und zwingt den Hörer auf die Knie. Sanfte Töne hält noch „Fatima“ bereit, welches sich auf einen portugiesischen Ort bezieht, nicht auf den Orient. Glocken, akustisches Picking und ein paar sphärische Synthesizer leiten ein, bis sich der Song episch steigert.

So dient er als Intro zum Titelsong, der wieder ein paar orientalische Muster bereithält, die von schweren Drums unterlegt werden. Der Basslauf führt die schleppende Ausrichtung fort, bevor der Song in epische Weiten aufsteigt. Wie fast über das ganze Album hat der Ausnahmekönner am Drumkit hier seine Momente, erneut drückt er FIFTH ANGEL mit seinem genialen Spiel den Stempel auf. Mit einem ebenso heavien Auftakt ist „This Is War“ gesegnet, in der Folge prallen diese Riffgewitter gewinnbringend auf rockige Strukturen, bis die knallige Bridge „Time Will Tell“-Jünger erlöst. Was Mary hier anstellt, ist die absolute Messe, und setzt sich im Chorus fort. Spätestens wenn dort die Shouts in Bechtels Gesang hineinschneiden und dieser die titelstiftenden Worte zelebriert, dürfte nicht nur ich Wasser in den Augen haben.

Man kann nun darüber diskutieren, ob mit Pilot nicht noch ein paar Melodiebogen feiner abgestimmt worden wären. Man kann auch darüber diskutieren, ob eine Wertung unter 10 für FIFTH ANGEL eine Enttäuschung darstellen. Doch „The Third Secret“ ist deutlich stärker ausgefallen als man erwarten durfte, höchstens hoffen durfte die stets treue Fanschar. Wäre der einstige Megadeal mit Epic nicht geplatzt, die Truppe mit EUROPE auf Tour geschickt und dieses Werk hier 1991 veröffentlicht worden, der Erfolg wäre ihm gewiss gewesen. Man muss die Platte unter den Umständen als das ansehen, was sie ist, ein Geschenk des Himmels! Werfet Euch in den Staub und huldigt dem fünften Engel sowie dem Album des Jahres! (Pfälzer)

Bewertung:

Pfaelzer9,0 9 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 43:06 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 26.10.2018

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