Evergrey - The Atlantic

evergrey theatlanticObwohl mir „Hymns For The Broken“ seinerzeit wirklich gut gefallen hat, ging der Nachfolger „The Storm Within“ ziemlich an mir vorbei. Ich kann noch nicht einmal sagen warum, aber irgendwie konnte mich das Album nicht überzeugen. Jetzt erscheint mit „The Atlantic“ das dritte Album der Trilogie über das Abenteuer des Lebens. Hier überzeugt auf jeden Fall schon mal das Coverartwork, das ich bei EVERGREY sonst oft ausgesprochen hässlich finde. Aber dieses Mal ist es wirklich gelungen – allerdings denkt man, wenn man das Cover sieht, auch nicht sofort an die Schweden.

Und das ist eigentlich auch ein guter Ausblick auf das Album. Denn wenn der Opener „A Silent Arc“ erklingt, denkt man auch erst mal nicht an EVERGREY. Dieses Stück ist schon in den ersten Takten härter als alles, was der Fünfer bisher veröffentlicht hat. So trifft die Aggressivität des Stücks den Hörer doch ganz schön unvorbereitet. Andererseits fällt man auch recht schnell wieder in die bewährten und bekannten Muster zurück und spätestens wenn man Tom Englunds markante Stimme hört weiß man, wen man hier vor sich hat. Toms Aussage, dass man derartigen Gesang eher von BEHEMOTH als von EVERGREY erwarten würde, halte ich dennoch für etwas – nun - gewagt. Nichtsdestotrotz ist der Opener, der zugleich auch das längste Stück der Platte ist, einer der großartigen EVERGREY-Songs, die alle Trademarks enthalten, auf die die Fans der Band stehen. Hier kann man nur bereits an dieser Stelle zur Experimentierfreudigkeit der Band gratulieren. Alles richtig gemacht.

Und auch „Weightless“ überrascht. Spielen da IN FLAMES, die sich plötzlich wieder auf ihre alten Tugenden besonnen haben? Leider kann das Stück das hohe Niveau des Einstiegs nicht ganz halten und driftet ein wenig Richtung EVERGREY-Standardware ab. Man schafft es jedoch, sich noch einmal zu berappeln, baut schöne progressive Parts ein und so wird das Stück am Ende doch noch ein ziemlich toller Song.

Und auch im dritten Stück zeigen die Schweden eine weitere Seite: sehr düster und heftig, gleichzeitig aber auch fast schon doomig steigt man in den Song ein – und schon wieder denkt man bei den ersten Tönen nicht unbedingt, hier EVERGREY vor sich zu haben. Dabei stehen sich ein sehr ruhiger, melodiöser Refrain und öfter mal disharmonische Strophen gegenüber und zum Ende hin fügt sich ein ausschweifendes Gitarrensolo perfekt in den Song ein.

Dafür ist „A Secret Atlantis“ dann aber trotz des geheimnisvollen Intros am Ende ein typischer EVERGREY-Song mit schönen Chören im Refrain, der nicht schlecht ist, den Hörer aber auch nicht aus den Socken haut. Hier hätte es für meinen Geschmack dann ruhig eine Prise BEHEMOTH sein dürfen. Die instrumentale Überleitung „The Tidal“ teilt mit etwas ungewohnten sphärischen Synthieklängen das Album in zwei Teile.

„End Of Silence“ setzt dann ähnlich düster ein wie schon „All I Have“, aber leider fällt man auch hier wieder in die typische EVERGREY-Struktur (melodiöse Strophen, harter Refrain) zurück. Im Vergleich zu den ersten Songs auf dem Album fällt das Stück damit einfach ab, auch wenn es im Grunde kein schlechtes ist. Dafür begeistert aber „Currents“ wieder mit einem umso härteren Einstieg. Und diesen angenehmen Härtegrad kann man auch über die gesamte Länge des Stückes halten. Verbunden mit eingängigen Melodien und einem Refrain, der sofort ins Ohr geht, ist „Currents“ definitiv eines der besten Stücke auf diesem Album.

Mit „Departure“ hat man dann eine Art Quotenballade auf das Album gepackt, die vor allem vom Keyboard und Toms Stimme dominiert wird. Da hier aber auch die Drums ziemlich in den Vordergrund gemischt wurden, ist das Gesamtergebnis dann doch eine Spur härter ausgefallen. Meeresrauschen und das Geschrei von Möwen leiten „The Beacon“ ein. Spoken-Word-Parts verstärken den Hochseeeindruck – bevor spacige Synths hart einschneiden. Auch die sind eher ungewöhnlich für EVERGREY – und passen doch einfach perfekt zum Song. Darüber breitet sich im Vordergrund Toms Stimme aus, der Song hat einen absoluten Ohrwurmrefrain und damit gehört auch dieser Song zu meinen Favoriten auf dem Album. Er ist anders, aber gerade deshalb verdammt stark.

Als Abschluss des Albums fungiert der Quasi-Titelsong „The Ocean“. Beginnt das Stück noch eher ruhig, steigert man sich hier gegen Ende immer mehr. Und dreht mal das übliche Schema um. Hier ist der Refrain der ruhige Part und die Strophen fallen ungewohnt heftig aus. Zudem wird der Gesang hier nur sehr spärlich eingesetzt und den Instrumenten der Raum zugestanden, den sie verdienen. Einziger Minuspunkt: Der Song und damit das Album endet etwas arg abrupt und unvermittelt.

Insgesamt jedoch ist „The Atlantic“ wieder ein richtig fettes EVERGREY-Album geworden. Fast hat man den Eindruck, als hätte Tom Englund sich einige Impulse von OCEANS OF SLUMBER mitgenommen, auf deren letzten Album er ja einen Gastauftritt hatte. Die Schweden sind härter geworden, progressiver und auch experimentierfreudiger. Und es steht ihnen gut zu Gesicht. Ich muss zugegeben, dass ich nach dem ersten Hördurchgang etwas enttäuscht war. Irgendwie klang das nach 08/15-EVERGREY. Aber dieses Album wächst. Man braucht ein paar Hördurchgänge, um die ganze Genialität zu erfassen und die vielen Einzelheiten zu entdecken. Und mittlerweile gefällt mir dieses Album richtig gut. Wahrscheinlich sollte ich jetzt „The Storm Within“ auch nochmal eine Chance geben. (Anne)


Bewertung:

Anne8,0 8 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 54:02 min
Label: AFM Records
Veröffentlichungstermin: 25.01.2019

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