Blind Ego - Preaching To The Choir

blindego preachingtothechoirIm letzten Jahr waren die Mannen von RPWL sehr umtriebig, neues Studioalbum "Tales From Outer Space", eine dazugehörige Tour, welche auf der DVD "Live From Outer Space" dokumentiert wurde und mit "Out Of Here" ein Soloalbum von Sänger Yogi Lang. Nun legt sein langjähriger Partner Kalle Wallner ebenfalls solotechnisch nach. Dazu benutzt er seit Längerem die Formation BLIND EGO als Vehikel, deren Line-Up seit "Liquid" 2016 stabil geblieben ist. Wie weit entfernt er sich auf der nunmehr vierten Langrille "Preaching To The Choir" von der Stilistik seiner Stammband?

Als Gitarrist will man sich natürlich gerne austoben, bei RPWL stellt er sich zumeist in den Dienst des Songs und muss sich vornehm zurückhalten. Hier kann er sich mehr gehen lassen, ohne sich dabei allzu sehr in den Vordergrund zu spielen. Dass die Scheibe dadurch geradliniger ausfällt rückt sie in die Nähe von straighteren Werken wie "Trying To Kiss The Sun". Die Einflüsse der Hauptband des Sechssaiters wurden in den Neunzigern von vielen Bands auch mal gerne anderweitig weiter getragen, viele Alternativebands beriefen sich auf den Art Rock und schufen somit auch die Grundlage für den New Art Rock. Und in der Tat findet man hier viele Hinweise auf dieses dunkle Jahrzehnt.

Schon die schweren Akkorde, die den Opener "Massive" einleiten haben diese alternative Schlagseite, selbst wenn sie ebenso ihre progressiven Anspruch nicht verhehlen können. Dann packt Wallner noch eine ganze Schippe drauf und bringt metallische Härte ins Spiel. Das treibende Riff könnte auch von einer FATES WARNING-Scheibe eben jener Dekade stammen, ebenso der getragene Refrain. So heftig haut der Mann aber nur selten in die Saiten, ein echter Rocker gibt er nicht mehr, auch wenn es im groovigen "Line In The Sand" ein krachendes Riff nebst wild fiependen Eruptionen zu bewundern gibt. Zum Auftakt von "Broken Land" könnte man fast meinen, er versuche sich am Blues, doch am Ende zeigt er lediglich auf, wie aus Siebziger-Vorgaben einst Grunge wurde.

Neben den sechs Saiten spielt der gute Kalle auch oft die dicken Saiten ein, wenn diese nicht von SYLVAN-Mann Sebastian Harnack kommen, der ja schon bei RPWL ausgeholfen hat. Und die stehen ebenso im Vordergrund auf "Preaching To The Choir", speziell in den beiden letztgenannten Songs. Dabei spielt es keine Rolle ob der Bass nach vorne treiben darf wie bei "In Exile" oder eher der sphärischen Untermalung zuarbeitet wie im dezent elektronischen Schlusspunkt "The Pulse". Manchmal pumpt er, manchmal pulsiert er ebenso wie die dazugehörigen Nummern, dann wiederum öffnet er psychedelische Welten, in die man abtauchen kann. Die beiden Saiteninstrumente setzen jedenfalls fast gleichwertig die Akzente.

Wobei natürlich die Gitarre die melodischeren Parts übernimmt und ab und an mal schön solieren darf. Der Bandkopf lotet auch die Möglichkeiten aus, spielt nicht lange mit den Themen wie von ihm gewohnt, schwenkt von cleanen Tönen hinüber zu knarzigen, und löst die dann in seinen unnachahmlichen Leadfills auf. Dann kommt er natürlich seiner Stammband nahe, ebenso in den getragenen, oft weiten Refrains, doch spätestens wenn der alternative Groove los rockt, offenbart sich die eigene Identität.
Das liegt auch an der Stimme von Scott Balaban, der viel mehr Rocksänger ist als ein Yogi Lang und auch mal Pathos oder die in den Neunzigern typischen flehenden Worte einzubauen vermag. Seinerzeit vergaßen allerdings viele Bands, dass eben genau der angesprochene Rockstar-Pathos mit dazu gehört, um griffige Songs zu kreieren. Trotz der klaren Rufe Powerballaden auf ewig zu verdammen kamen diese schneller zurück als vielen lieb war. Und auch BLIND EGO bewiesen sich in dieser Kategorie mit dem großartigen "Dark Paradise", welches bei aller Düsternis den Schmelz nie vermissen lässt.
Von den proggigen Ansätzen des vorliegenden Drehers entschlackt waren später Bands wie LIVE oder CREED unterwegs, die sich genau jene Direktiven zu Nutze machten. Doch egal, was für Hymnen sie geschaffen haben, vor zwanzig Jahren hätten sie für ein Stück wie "Burning Alive" getötet. Sanft flirrend schleicht es sich heran, der Bass drückt die Spannung nach oben, bis der Chorus über die treibenden Akkorde Wallers explodiert. Natürlich nimmt das noch mehr Homogenität, doch wenn ein heißer Anwärter auf den Song des Jahres heraus springt, muss man den raushauen. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer7,5 7,5 / 10


Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 50:33 min
Label: Gentle Art Of Music/Soulfood
Veröffentlichungstermin: 14.02.2020

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