Lita Ford - Wicked Wonderland

widked_wonderland.jpgDa ist sie also wieder, der fleischgewordene Männertraum der Achtziger, der Schwarm meiner Jugend. Wie oft habe ich auf das Plattencover gestarrt, während sie mir „Close My Eyes Forever“ entgegen hauchte. Diverse Magazine mit ihrem Photo drin nahm ich schon mal mit ins Bett, dazu konnte sich die Musik dann auch noch sehen lassen.
Angefangen hat LITA FORD Ende der Siebziger in der Mädchenband RUNAWAYS, in der auch Joan Jett und Susan Hoffs (BANGELS) aktiv waren. Nach deren Ende war sie zwar nicht so erfolgreich wie ihre Kolleginnen, aber in Hard´n´Heavy-Kreisen als eine der integersten weiblichen Kräfte respektiert. Dazu machte sie mit der Liaison zu Nikki Sixx weiter von sich reden.
Aber jeder wird mal älter und nach den wilden Jahren zog sich Miss Ford immer mehr zurück und wechselte ins seriöse Fach. Nach „Black“ war 1995 Schluss, mit Ehemann Jim Gillette (NITRO) zog sie auf eine Insel und dort zwei Kinder groß. Doch wie auch eine bekannte, in den Achtzigern ebenfalls von mir angeschmachtete deutsche Fechterin spürte sie irgendwann das Feuer wieder in sich lodern, begab sich von ihrer Insel und ist nach ein paar guten Festival-Shows mit dem neuen Album „Wicked Wonderland“ am Start.

Wie sang die ERSTE ALLGEMEINE VERUNSICHERUNG einst: „Doch die Freude währt nur kurz, die Julia kriegt ´nen Lebersturz“. An die Leber geht das zwar nicht, aber der Hörsturz ist nach wenigen Sekunden nicht weit. Was zur Hölle sollen da diese komischen Elektronik-Beats, die sich durch den Opener „Crave“ ziehen? Wer nun an chinesische Demokratie oder „Machine To Machine“ von DORO denkt hat leider recht. Dazu serviert der Göttergatte ein paar eher gebrüllte Vocals, welche die „Atmosphäre“ noch unterstützen.
Ich weiß nicht, auf welcher Insel die Dame war, aber die ist wohl weit entfernt, und man bekommt von der hiesigen Popkultur nichts mit. Wäre „Wicked Wonderland“ im 2-Jahre-Turnus nach „Black“ erschienen, könnte man das verzeihen, damals haben einige andere relevante Rocker den Ausflug gewagt. Doch nun kommen all die Hairmetalbands zurück, MÖTLEY CRUE füllen hierzulande Hallen und auch TESLA können mit starken Alben aufwarten. Und wenn die Demos von RATT nicht gut und genau das wären was man von ihnen erwartet, hätte Roadrunner die nicht unter Vertrag genommen.

Beim folgenden „Piece (HellYeah)“ baut man zwar eine Slide-Gitarre ein, an dem großen Manko ändert das indes nichts. Die Akkorde sind ebenso höchstens Durchschnitt wie die Melodielinien, werden aber von der sehr kruden Rhythmik komplett zerstört. Bei „Scream 4 Me“ ist die ganze Zeit ein Rasseln im Hintergrund zu vernehmen, nur woher kommt das? Ist da das Loop von David Coverdales Beginn bei „Take Me With You“ durchgegangen, ist das eine neue Art von Voiceover oder einfach eine programmierte Hi-Hat? Man weiß es nicht!
benso wenig weiß man etwas über einen Drummer, bei den Credits ist jedenfalls keiner vermerkt. Wie zum Geier kann ich einen Schlagwerker wie Frankie Banali, eine gute Adresse wenn es krachen soll, der mich ohnehin live unterstützt nicht auch ins Studio holen?

Eine andere Sünde der Neunziger, die Hinwendung zu alternativen Klängen wird wenn man schon dabei ist auch gleich begangen. Nur, wenn ich wie bei „Betrayal“ schon ALICE IN CHAINS kopieren will, dann sollte ich das auch ansatzweise können, verzerrtes Gequäke allein reicht nicht.
Moderneres Riffing gibt es auch beim Titelsong, das geht zwar in Ordnung, reißt aber auch nicht vom Hocker. Der Blues der Ballade „Sacred“ ist auch eher ein etwas lahmer, wie viele Refrains auf der Scheibe. Da düstere „Indulge“ bleibt ebenso in den Kinderschuhen stecken.

Gut, ein paar rockige Riffs wie in „Patriotic SOB“, „Love“, „Truth“ oder der hörbarsten Nummer, dem bluesrockigen „Push“, das clevererweise als Bonustrack versteckt wurde, bringt LITA FORD schon noch hervor, aber da besorgt die Produktion den Rest. Da wäre ansonsten was einigermaßen Solides rauszuholen gewesen, wenn man sich auch auf weniger Songs fokussiert hätte.
Doch das Gebräu kommt undifferenziert aus den Boxen, vieles wirkt unausgereift. Die Arrangements fallen sehr uneinheitlich aus, bringen die Stücke nicht nach vorne, stellenweise sind die Songstrukturen recht konfus. Und die immer noch ziemlich laszive Stimme wird durch die mittlerweile verlebte Optik auch relativiert.

Da bleibt unterm Strich dann nichts hängen als die Erkenntnis, dass man es hier mit der größten Enttäuschung des ausgehenden Jahrzehnts zu tun hat. Über die stilistische Ausrichtung könnte man ja noch streiten, aber da kommt eben auch songwriterisch gar nichts rüber, von der Ausführung ganz zu schweigen. Ich weiß nicht was sich die Dame dabei gedacht hat, die Konzerte waren ja durchaus überzeugend. Was sie hier abliefert, hat mit ihrer Vergangenheit mit Alben wie „Dancing On The Edge“ rein gar nichts zu tun. (Pfälzer)

Bewertung: 1,5 / 10

Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: 65:35 min
Label: Ear Music
Veröffentlichungstermin: 30.10.2009

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