Journey - Live In Japan 2017: Escape + Frontiers

journey liveinjapan20171981 markierte "Escape" den Höhepunkt der AOR-Bewegung und gilt bis heute als das Referenzwerk des Genres schlechthin. Für die ehemalige Prog-Formation bedeutete es die endgültige Abkehr von ihren Wurzeln und mit dem damals neuen Keyboarder Jonathan Cain den Aufbruch in den Mainstream. Zwar haben JOURNEY schon seit acht Jahren kein Studiowerk mehr veröffentlicht und sich auch in Europa rar gemacht, doch in den Staaten sind sie immer noch permanent unterwegs. Anfang 2017 machten sie einen Abstecher nach Japan, wo sie an zwei aufeinander folgenden Nächten im legendären Livetempel Budokan spielten. Neben dem regulären Set standen beim zweiten Gig eben jenes "Escape" und dessen Nachfolger "Frontiers" im Fokus, die komplett gespielt wurden. Ein Mitschnitt dieser Show ist nun unter dem Titel "Live In Japan 2017: Escape + Frontiers" erhältlich.

Nun bin ich kein großer Anhänger des zweiten Longplayers mit Cain anstelle von Mitbegründer Gregg Rollie, doch zumindest das als Opener unverwüstliche "Seperate Ways (World´s Apart)" ist einfach großartig. An dem speziellen Abend des 7. Februar 2017 war es aber der Chronologie geschuldet der absolute Überhit, welcher das Konzert nach kurzem Intro eröffnen sollte. Damit fängst Du natürlich Dein Publikum sofort ein, läufst aber Gefahr danach nichts mehr draufsetzen zu können. Das Problem besteht auf diesem Livedokument zwar nicht, doch die gewisse Sterilität von "Frontiers" ist eine Sache, die sich über diese kompletten Aufnahmen erstreckt.

Denn bereits das angesprochene Intro ist voll gekleistert mit Keyboardflächen und ein paar Synthiestreichern, so dass viele Details verloren gehen. Da kann ein Neal Schon noch so seine sechs Saiten rauchen lassen, irgendwie kommt der Druck nicht beim Hörer dieser Silberlinge an. Das klingt alles extrem nachbearbeitet und komprimiert, das komplette Livefeeling geht tontechnisch verloren, was sich vor allem beim reinen Audiogenuss bemerkbar macht. Lieder wie das geniale und schon viel zu lange nicht mehr auf der Bühne gehörte "Mother, Father" wird jeder Dynamik beraubt.
Irgendwo fehlt da jegliche Differenz in den Tönen, auch wenn die Scheibe sauber abgemischt ist. Doch das ist alles zu viel, selbst die kleinsten Soundlöcher werden zugestopft und geben den Arrangements keine Luft zu atmen. Sowohl Tiefe und Power, die mich auf mehreren JOURNEY-Konzerten so begeisterten, stellen sich hier nicht ein. Was teilweise auch an den Musikern selbst liegt, gerade der anfangs so überragende Arnel Pineda kommt stimmlich auch nicht mehr in die Höhen, um jede Emotion heraus zu heben und wirkt gesanglich fast gehemmt.
Bei ein paar Titeln kommt der zusätzliche Tastenmann Travis Thibodaux zum Zuge, doch der siedelt sein Organ noch etwas tiefer an, was ihm noch weniger Sprünge erlaubt. Nicht nur deswegen vermisse ich den hoffentlich mittlerweile geläuterten Deen Castronovo, auch sein kraftvoller Punch hätte die Nummern mehr nach vorne gebracht. Steve Smith in allen Ehren, aber sein neuer viel jazzigerer Drumstil hätte zu früheren Titeln der Formation besser gepasst als zu den AOR-Hymnen, denn eigentlich weiß ich um die Qualitäten des Mannes.

Auch die Zuschauer haben wenig Chancen dagegen anzukämpfen, obwohl sich die Band um sie bemüht. Im Bild sind sie ebenfalls bei weitem nicht so präsent wie beispielsweise bei der eine Woche zuvor erschienenen TOTO-DVD. Wobei die Bildqualität hier eindeutig Pluspunkte einsammeln kann. Die pompöse Lightshow wurde sehr gut eingefangen, teilweise sind das gigantische Bilder, die dann doch Konzertatmosphäre vermitteln. Die Musiker werden bei tollen Kamerafahrten toll eingefangen, die vielen Objektive spielen förmlich mit den Protagonisten.
Da kommt natürlich auch die starke Stageaction von JOURNEY zu Gute, die brillant zusammen spielt. Allen voran natürlich Frontmann Arnel Pineda, der seine kleinen stimmlichen Schwächen mit seiner Performance heraus reißt. Er ist permanent unterwegs und beackert auch die äußeren Ränder der Bühne, um auch den Kontakt zu den Rängen ganz an der Seite zu suchen. Immer wieder hüpft er über die Bühne oder von seinem Riser am vorderen Rand herunter oder wirft sich mit jeder Faser seines Körpers in die Emotionen der Songs.

Ebenfalls sehr aktiv ist Neal Schon, welcher die rechte Seite der riesigen Bühne unsicher macht und dabei seine Gitarre lässig bearbeitet. Neben knackigen Riffs haut er auch eine Menge Soli heraus, was sich gegen Ende allerdings etwas totläuft, diese Outro-Soli werden irgendwann zur Masche und überfrachten den überladenen Sound zusätzlich. Man muss ihm aber zugutehalten, dass er neben technischer Finesse auch eine unbändige Spielfreude erkennen lässt, überhaupt ist die komplette Band bestens aufgelegt.
Ross Valory stolziert selig lächelnd mit seinem Langholz herum und ist auch bei den mehrstimmigen Gesängen immer präsent. Neben ihm scheint auch Jonathan Cain bester Laune zu sein, bei dessen Solo auch mal die Pianotöne in ihrer reinen Schönheit erklingen dürfen. Zudem übernehmen jene drei auch immer wieder ein paar Ansagen und erzählen Anekdoten zum einen oder anderen Song. Auch die Kommunikation untereinander ist sehr gut eingefangen, immer wieder stacheln sich die Herren gegenseitig an.

Als Überraschung im ansonsten natürlich daran ehe sparsamen Programm gibt es mit "La Raza Del Sol" eine Single-B-Seite, die es auf keines der beiden Alben geschafft hat. Hier war da weniger die Qualität ausschlaggebend als vielmehr die Tatsache, dass Schon das Stück eher von SANTANA mitgebracht zu haben scheint. An die rhythmischen Klangeruptionen schließt sich eine mehr als zehnminütige Jam an, bei der sich die Instrumentalisten so richtig austoben können, was ihnen sichtbar Spaß bereitet. Steve Smith haut ein cooles Break nach dem anderen raus, Valory läuft zu Hochform auf und Cain darf auch mal an der Orgel beherzt in die Tasten hauen. Lässt man die Mängel beim Sound außen vor, ist "Live in Japan 2017: Escape + Frontiers" durchaus sehenswert, doch aus dem Material wäre viel mehr heraus zu holen gewesen. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer7,0 7 / 10


Anzahl der Songs: 21 (DVD) / 13 (CD1) / 13 (CD2)
Spielzeit: ca. 130 min (DVD) / 56:03 min (CD1) / 72:43 min (CD2)
Label: Eagle Vision/Universal
Veröffentlichungstermin: 29.03.2019

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