Dream Theater - Distant Memories-Live In London

dreamtheater distantmemoriesNach ihrem letzten Album "Distance Over Time" mussten die Prog Metal-Götter einiges an Kritik einstecken, weil ihre dazugehörigen Gigs recht kurz ausfielen. Die versprochene Aufführung des kompletten "Scenes From A Memory"-Werkes wurde dann im Winter nachgeholt. Für den Rezensent eines der Konzerttermine, welche er im Februar nicht wahrgenommen hat, weil er seine Überstunden für eine ganze Reihe weiterer von März bis Mai aufsparen wollte. Wie wir alle wissen kam das Aus zwei Tage vor dem Startschuss seines heißesten Konzertfrühjahrs, weil ein ostasiatisches Regime die Seuchenvorbeugung immer noch nicht auf die Kette bekommt. So sitz ich nun hier ich armer Tropf und referiere über Fahrradketten und schaue mir die Aufführung eines der Auftritte der Tournee auf der DVD "Distant Memories-Live In London" an. Leibhaftig wären mir DREAM THEATER in der von der Redaktion geliebten Jahrhunderthalle lieber gewesen, aber hinterher ist man eben immer schlauer, wenigstens konnte ich meine angesparten Stunden in Urlaubstage umbuchen.

 

Beim ersten Blick in die Videoversion sieht man die Leute sitzen, was mich wohl auch in Frankfurt erwartet hätte. Man kann bei einer Metalband natürlich darüber philosophieren, wie sinnvoll Sitzplätze sind, egal wie progressiv sie auch sein mag. Die Story stand im Hintergrund, dazu wurde auch eine riesige LED-Wand hinter der Bühne aufgebaut, doch zumindest von dem was der DVD-Besitzer von dort erhaschen kann, erschließt sie sich einem nicht. Die Regie bei der DVD hat das Publikum aber gut eingefangen und auch beim sitzenden Zuschauer ein paar Emotionen auf den Silberling gebannt. Besonders sticht der ältere, bärtige Herr im ARISTOCRATS-Shirt heraus, der in der ersten Reihe nach Herzenslust mittrommelt, das sind einfach die Dinge, die derzeit so fehlen.

Das Feuerwerk, dass die Fünf auf der Bühne abbrennen reißt ja auch mit, obwohl im ersten Teil noch etwas mit angezogener Handbremse agiert wird. Erst wenn die Aufführung des legendären Konzeptalbums losgeht, tauen die Musiker so richtig auf. Gerade dann wenn man in fremden Genres wildert wie vor allem bei "Dance Of Eternity" kommt so richtig sie Spielfreude heraus. Speziell Jordan Ruddess und Mike Mangini ist sie anzusehen, die sich hinten permanent angrinsen und ihre Späße treiben. John Petrucci wirkt eher in sein Instrument vertieft und legt alles in sein Spiel, während der scheue John Myung seit jeher stoisch die dicken Saiten bearbeitet. Wenn er mal zu seinem Saitenkollegen rüber kommt, muss dan schon als nennenswerter Ausbruch notiert werden.

Lames LaBrie führt gekonnt durch Set und versucht immer wieder seine Mitstreiter und das Publikum einzubinden. Aber die haben ohnehin genug Raum, um zu glänzen, wenn er sich während den langen Instrumentalpassagen zurück zieht. Wenn er aber da ist lebt er von seiner Präsenz, für beide Sets verwendet er auch je einen passenden Mikroständer. Seine Stimme hat man allerdings schon mal besser gehört, gerade in den sehr getragenen oder harten Passagen bringt er nicht mehr so viel Kraft dahinter, dafür hat er beim Ausdruck, gerade in den ruhigen Parts zugelegt. Er dient auch als Mittelsmann zwischen all seinen Kollegen, besonders Petrucci scheint er gerne zu herzen. Wobei dieser auch mal ganz cool während eines Solos die Menge anfeuert.

Sein Spiel indes ist eine Augenweide und wird mit vielen nahen und langen Einstellungen sehr gut dokumentiert. Wie die Finger über das Griffbrett gleiten ist teilweise atemberaubend, auch die unzähligen Tempowechsel, dabei immer so unglaublich tight. Dann immer wieder das Hineingleiten in den wundervollen Melodien, die den Saiten entlockt werden, in welchen er völlig versinkt, obwohl sich der Mann mit seiner Rübezahl-Optik nur wenig in die Emotionskarten schauen lässt.
Der Mann an den Tasten ist da offener und flirtet auch gerne mal mit der Kamera, die ob an seinen Tasten angebracht ist. Die Beweglichkeit seiner Instrumentenansammlung reicht ihm nicht immer aus, so hängt er sich das Keyboard mehrmals um und kommt nach vorne, wo er sich auch mal mit seinem Axtmann duelliert. Bei ihm sind es ebenfalls die sanften Töne, mit denen er am meisten überraschen kann, der gute Jordan experimentierte ja schon immer Technologien, die völlig stufenlose Tonfolgen modellieren können, die Dinger werden immer abenteuerlicher.
Damit er auch Kontakt zum Publikum und seinen Mitmusikern halten kann ist das Drumkit von Mangini sehr offen gestaltet, die kleinen Toms hängen über ihm, so dass der Blick untendrunter frei ist. Den Spaß hat der Schlagwerker immer in den Backen, bei manchem Break lässt er sich witzige Figuren einfallen, welche dem Zuschauer dann auch nicht vorenthalten bleiben. Allerdings wirkt das Trommeln über Kopf in einige Passagen schon etwas angestrengt.

Das präzise Spiel der Formation wurde sehr klanglich gut eingefangen, der Sound wurde lebendig und roh belassen. Das kommt vor allem "Fall Into The Light" zugute, dessen Thrash-Wurzeln stärker heraus gestellt werden, zusammen mit dem akustischen Zwischenspiel wird der Einfluss von METALLICA deutlich. Leider gehörte das Stück nicht immer ins Set und wurde beim anderen Abend in London von "Paralyzed" ersetzt, das hier als Bonustrack auf der Audioversion zu hören ist.
"Distance Over Time" ist ohnehin sehr präsent im Programm, mit der Zugabe "At Wit´s End" kommen fünf Lieder davon zum Zuge, neben der kompletten "Scenes Fom A Memory"-Scheibe ist "In The Presence Of Enemies" von "Systematic Chaos" das älteste Lied. Kaufargument Nummer eins ist aber immer noch die Aufführung des Jubiläumsalbums, das auch in dieser Form neue Facetten hervor bringt. In der Form ein weiterer Beweis für die Ausnahmenstellung von DREAM THEATER. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10

 


Anzahl der Songs: 6 (CD1) / 8 (CD2) / 7 (CD3) / 20 (DVD)
Spielzeit: 54:29 min (CD1) / 38:57 min (CD2) / 57:06 min (CD3) / 151:16 min (DVD)
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 27.11.2020

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