Mentalist - Freedom Of Speech

mentalist freedomofspeechDass es die Band MENTALIST überhaupt gibt, ist in gewisser Weise Zufall, in gewisser Weise aber auch nicht. Denn dass sich die Beteiligten kennengelernt haben, war kein Zufall. Dass sie sich dann aber so gut angefreundet haben, dass sie beschlossen haben, zusammen auch eine Band zu gründen, dass darf dann schon eher unter Zufall laufen. Als bekanntestes Mitglied kann man sicherlich Thomen Stauch nennen. Wer als Power-Metal-Fan hier noch eine weitere Vorstellung braucht, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen.

Als Sänger konnte man den Schweden Rob Lundgren gewinnen, der, so sagt es die Promo, ein YouTube-Star ist. Ich hab‘ keine Ahnung von YouTube und nehme das jetzt einfach mal so hin. Ansonsten findet sich hier noch so manch anderer bekannte Name. Sei es nun Daniel Heiman (Ex-LOST HORIZON), der in „Belief“ im Duett mit Rob Lundgren zu hören ist oder Oliver Palotai (KAMELOT), der fast alle Keyboards eingespielt hat. Aber auch an anderer Stelle finden sich berühmte Namen.

Wer Fan von BLIND GUARDIAN ist, der wird beim Cover sicher Ähnlichkeiten feststellen, auch wenn inhaltlich eine völlig andere Thematik behandelt wird. Denn das Cover stammt von niemand geringerem als Andreas Marschall. Überhaupt die Thematik. Die wird ja durch Cover und Albumtitel schon mehr als verraten. Darstellungen der Hagia Sofia, des Weißen Hauses und der Basilius-Kathedrale in Moskau, davor eine jubelnde Menschenmenge und der Mentalist, der hinter seinem Rücken eine freie Zeitung verbrennt, machen schon klar, wo aus Sicht der Band derzeit die größten Gefahren für die Demokratie und die Menschheit lauern.

Man kann heutzutage aber auch fast schon depressiv werden, wenn man sich in der Welt so umschaut. Wir schreiben das Jahr 2020 und eigentlich erwartet doch jeder, dass wir uns in der glänzenden Zukunft befinden sollten, die wir uns als Kinder ausgemalt haben. Hunger und Krankheiten werden besiegt, die Umweltverschmutzung abgeschafft, die Menschen reisen zu fernen Welten und lassen sich unliebsame Arbeiten von Robotern abnehmen. Die Erde ist ein friedvoller, lebenswerter Ort. Doch tatsächlich hat man das Gefühl, in der Zeit zurückzureisen. Auf einmal muss man Menschen wieder erklären, dass die Erde nicht flach ist, dass Impfungen nicht schaden, dass die Legende der Chemtrails Quatsch ist und dass es ein Virus, das gerade die Welt lahmlegt, tatsächlich und ganz in echt gibt. Und als wäre das noch nicht genug, befinden sich überall auf der Welt Rechtspopulisten und Diktatoren, die immer mehr Grundrechte beschneiden, im Aufwind. Und die Menschen jubeln denen auch noch zu.

Man möchte verzweifeln angesichts dieser Entwicklung. Von daher kann ich die Beweggründe für und die Inhalte dieses Album voll und ganz nachvollziehen. Allerdings bin ich persönlich ja extrem beeindruckt, wie man es angesichts dieser Situation schafft, ein teilweise fast schon fröhlich klingendes Power-Metal-Album zu veröffentlichen. Müsste ich ein Album zu den auf „Freedom Of Speech“ angesprochenen Themen schreiben, wäre es wahrscheinlich ein wütendes Black-Metal-Album, auf dem die ein oder andere Person mal unsanft gegen eine Wand gefahren wird.

Doch kommen wir endlich zum Album selbst. Das wird mit dem kurzen Intro „Metasphere“ eingeleitet und schon hier weiß man, wo die Reise hingeht. Gewisse Ähnlichkeiten zu BLIND GUARDIAN und auch IRON MAIDEN sind unverkennbar. Der eigentliche Opener, „Freedom Of The Press“ zeigt sowohl thematisch als auch musikalisch, wohin die Reise auf diesem Album geht. Nicht umsonst wurde dieser Song auch als erste Single veröffentlicht. Auch ein Ausschnitt aus einer Rede von Trump hat hier Eingang gefunden.

„Life“ ist ebenfalls ein richtig schöner Power-Metal-Song, der im Grunde richtig Spaß macht. Und daran krankt das Album auch ein wenig. Vielleicht habe ich aber auch einfach schon zu viele Power-Metal-Scheiben gehört und vielleicht mag ich etwas progressivere Musik mittlerweile einfach lieber. Aber mir ist das Album oft zu vorhersehbar, zu viele Trademarks werden bedienst, es ist zu „typisch“ Power Metal. Mir fehlt da oft einfach die Spannung.

Was aber nicht heißt, dass das Album schlecht wäre. Wer auf den guten alten Power Metal europäischer Schule steht, der ist mit „Freedom Of Speech“ gut beraten, insbesondere, wenn man auch auf Bands wie IRON MAIDEN oder BLIND GUARDIAN steht. Diese Einflüsse hört man immer wieder heraus, insbesondere das Drumming klingt oft nach BLIND GUARDIAN – aber wie soll es auch anders sein mit Thomen Stauch in der Band? Für meinen Geschmack stehen die Drums allerdings auch oft einen Ticken zu sehr im Vordergrund. Etwas weniger Drums und dafür der Gesang etwas weiter in den Vordergrund und es wäre perfekt.

Aber immer wieder macht „Freedom Of Speech“ auch einfach nur Spaß. Wie z.B. in „Digital Mind“, das insbesondere bei den Gitarren immer wieder an AVANTASIA erinnert – ebenfalls eine meiner Lieblingsbands. Und der Refrain lädt geradezu zum Mitsingen ein. Auch das Duett in „Belief“ ist einfach nur klasse. „Your Throne“ glänzt unter anderem mit Ohrwurmrefrain. Und gegen Ende kommt das Album meinem persönlichen Geschmack doch mehr entgegen. Da wäre zum einen „Price Of Time“, das mit orientalisch angehauchten Sounds begeistern kann und insgesamt ein richtig schöner Power-Metal-Song ist.

Zum anderen ist da noch mein absoluter Lieblingssong auf dem Album, „Run Benjamin“, der mit über acht Minuten Spielzeit sehr lang geraten ist, aber hier hat man sich eben die Zeit genommen, diesen Song richtig zu entwickeln. Schon beim ersten Hören geht das Stück ins Ohr und man hat wieder den ein oder anderen BLIND-GUARDIAN-Moment. Zwar sind mir auch hier die Drums einen Ticken zu weit in den Vordergrund gemischt, das tut dem Song insgesamt aber kaum Abbruch. Wer hier nicht mitsingt, dem ist halt auch nicht mehr zu helfen. Von dieser Sorte Songs hätte ich gerne mehr!

Damit ist „Freedom Of Speech“ ein mehr als solides Debütalbum geworden, das zwar noch einige Kinderkrankheiten hat, das sich aber ansonsten durchaus sehen lassen kann. Und ich glaube, wenn die Band mal ein paar Livekonzerte gespielt hat (wann auch immer das sein wird) und noch besser zusammengefunden hat, dann lassen sich diese kleinen Kritikpunkte auch leicht ausmerzen. Wer auf Power Metal und Bands wie die schon oft genannten BLIND GUARDIAN und IRON MAIDEN steht, sollte hier auf jeden Fall mal reinhören. Ich bin auf alle Fälle schon gespannt, wie sich die Band live präsentiert. (Anne)


Bewertung:

Anne7,0 7 / 10

Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 67:30 min
Label: Mentalist Records
Veröffentlichungstermin: 28.08.2020

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