Evanescence - The Bitter Truth

evanescence thebittertruthEs gibt Bands, die veröffentlichen ohne große Ankündigung im Zweijahresrhythmus neue Alben und dann gibt es Bands wie EVANESCENCE, die seit einer gefühlten Ewigkeit eine neue Platte ankündigen. Das letzte Studioalbum erschien tatsächlich bereits 2011, also ganz schön lange her, so lange, dass ich an dieses Album fast gar keine Erinnerungen mehr habe. Also zur Vorbereitung für diese Albumbesprechung dieses mal wieder aus den Tiefen der Regale ausgekramt und sogleich festgestellt, warum die Erinnerung fast komplett abhandengekommen ist. Das selbstbetitelte Album war vor zehn Jahren schon recht belanglos und ist es ehrlich gesagt heute immer noch.

Die gute Nachricht folgt nun auf dem Fuße, denn „The Bitter Truth“ droht nicht das gleiche Schicksal, wenngleich das vierte Studioalbum von EVANESCENCE so eines der Gegensätze ist. Es ist definitiv besser als erwartet, sicherlich aber nicht so gut wie erhofft, es ist aufgrund der langen Vorbereitungszeit definitiv überproduziert, zum Glück aber nicht so mit Effekten zugekleistert wie man das nach dem „Synthesis“ Orchesteralbum (2017) befürchten musste.

Es ist kein kompletter Schritt in Richtung Vergangenheit mit Kopien der Erfolgsformeln wie „Bring Me To Life“ oder „My Immortal“, eher ein Schritt in die Zukunft, bei dem die Band einen Blick zurück in Richtung Debütalbum geworfen hat.
„The Bitter Truth“ klingt stellenweise zerbrechlich, stellenweise auch überraschend heavy, hat mit „Yeah Right“ einen für EVANESCENCE Verhältnisse seltsam positiven und tanzbaren Song dabei (erinnert an neuere HALESTORM Songs), klingt bei „Feeding The Dark“ direkt im Anschluss dann so düster wie seit dem Debüt nicht mehr.

Dieses Spiel könnte ich jetzt noch weiter treiben, am Ende landet man sowieso immer an dem Punkt, an dem man klipp und klar sagen muss, dass Amy Lee auch fast 20 Jahre nach „Fallen“ immer noch eine großartige Sängerin ist, die auf vorliegendem Album zudem ihre vermutlich besten Texte geschrieben hat. Was mir an „The Bitter Truth“ ebenfalls gut gefällt, ist das Drumming von Will Hunt, das wohltuend eigene Akzente setzen kann in einer Band, die logischerweise zu 90% von Amy Lee dominiert wird.
Genau daraus wird aber auch zugleich eine der Schwächen von diesem Album deutlich, die Band hat mit Jen Majura und Troy McLawhorn zwei Personen dabei, die Gitarre spielen, aber bei manchen Songs wirkt es so, als hätte die Band zwei Keyboarder und dafür keinen Gitarristen, an diesem Punkt sind wir wieder bei der Überproduktion angelangt. Manchmal ist weniger dann doch mehr.

Das ist etwas schade, denn EVANESCENCE klingen immer noch dann am besten und intensivsten, wenn sie sich als düstere Rockband präsentieren, so wie im Opener „Broken Pieces Shine“. Dieses Dilemma wird am deutlichsten bei der an sich tollen Nummer „Wasted On You“, wenn der Song im Chorus an Fahrt auf nimmt, dann klingt das nach einer Powerballade, die ein ganzes Stadion mitreißen kann, und in den Versen klingt der Song eher nach einer seichten Popnummer von TAYLOR SWIFT.

Im Großen und Ganzen verfügt „The Bitter Truth“ aber über deutlich mehr starke Songs als der vor zehn Jahren erschienene Vorgänger, „Use My Voice“ zum Beispiel steht für mich stellvertretend für die EVANESCENCE des Jahres 2021, auch „Better Without You“ kann man sich gut als Ergänzung im Liveprogramm vorstellen und dass Amy nach wie vor superbe Balladen schreiben kann, zeigt sie bei „Far From Heaven“.

Wenn gegen Ende hin mit „Take Cover“ und „Part Of Me“ nicht auch noch zwei Songs dabei wären, die qualitativ nur so „geht so“ sind, dann könnte ich hier auch über acht oder mehr Punkte reden, so sind 7,5 das höchste der Gefühle und es bleibt die Hoffnung, dass EVANESCENCE vielleicht beim nächsten Mal als Band noch mehr ihre Stärken bündeln. (Maik)

Bewertung: 

Maik 20167,5 7,5 / 10

Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 47:20 min
Label: Columbia/Sony Music
Veröffentlichungstermin: 26.03.2021

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