Turin Horse - Antipas

TurinHorse AntipasAuch wenn sie viel aus biblischen Erzählungen rezitieren, so erzählt ihre Musik etwas Anderes. Düster und apokalyptisch bricht es über einem ein, von totaler Verzweiflung und Agonie bis zur endlosen Peinigung wird jeder Ton zur persönlichen Qual, selbst wenn sich die Musik mal kurz erhellend auflöst. Die Vielschichtigkeit von TURIN HORSE zu umschreiben erweist sich als schwierig, aber ein Statement kann man getrost hinterlassen - die Saarländer wissen, wie man extreme Musik extrem gut darstellt.

Aus den Leichen der 1998 begrabenen GRAVITY erhoben sich die Geister der Urbesetzung und führten ihren Auftrag fast 20 Jahre später fort, und zwar in der Richtung, die ursprünglich angepeilt wurde, mit klassischer Besetzung und einem außergewöhnlichen Anspruch an ihre Musik.
"Antipas" ist bereits der dritte Longplayer in Eigenregie, somit scheint sich hier jede Menge kreative Energie angesammelt zu haben, die nun geballt nach außen drängt.

Bereits der erste Streich "Uncleared" zeugte schon von großartiger Kunst und wurde mit Liveaufnahmen im Proberaum und einem redlichen Mix bewerkstelligt, und das erst kurz nach den ersten gemeinsamen Proben. Für den fertigen Sound zeigte sich niemand anders als die saarländische Koryphäe Charles Greywolf verantwortlich, der die gleiche Sprache wie die vier Landsmänner spricht und genau wusste, wohin die Reise gehen soll. Der Zuspruch und der nicht enden wollende kreative Druck führte gerade mal ein Jahr später zu "Prohodna", wo nach dem gleichen Prinzip vorgegangen wurde. Mittlerweile konnte man schon live sein Können unter Beweis stellen und einiges an Erfahrung draufpacken, so klang der Nachfolger noch spezieller und legte den Finger bewusst noch fester in die klaffende Wunde. Auch soundtechnisch trampelte man seinen Pfad immer fester und definierter, so dass nun erneut dem Jahreszyklus folgend das dritte Machtwerk digital erschien. Momentan ist "Antipas" lediglich digital auf den bekannten Streamingplattformen zu hören, aber wie schon "Prohodna" ist eine Vinylveröffentlichung vorgesehen, die das Kunstwerk allumfassend abschließt.


Blackened Doom und Sludge sind recht moderne Begriffe geworden, aber hier sind definitiv keine musikalischen Trittbrettfahrer oder gar Anfänger unterwegs, denn TURIN HORSE verpacken ihren musikalischen Werdegang der letzten Dekaden innovativ mit modernen Elementen zu einem riesigen pulsierenden Klumpen dunkler Materie, der von Album zu Album mehr aufplatzt und sich von zähen Passagen bis hin zu schwarzem Geballer entlädt. Sägende Gitarren, ein bitterböser Bass, teils brachiales Getrommel, fein und dosiert mit teils angsteinflößenden Samples durchsetzt wiegt „Antipas“ schwer in den Ohren und schließlich dem Rest des Körpers, Endzeitstimmung garantiert. Mit einer mehr als eindrucksvollen stimmlichen und gesanglichen Leistung wird dem Gemetzel eine massive, wenn auch nicht komfortable Krone aufgedrückt, die das saarländische Quartett auf einen Thron hebt, den in diesen Breitengraden schon lange keiner mehr so respektabel besetzt hat.

TURIN HORSE brauchen sich also vor dem internationalen Standard nicht zu verstecken. Auch wenn sie ihre chaotische und dreckige Meinung zum aktuellen Weltgeschehen auch dementsprechend soundtechnisch in Szene setzen, so muss man feststellen, dass „Antipas“ auch klanglich ihr Bravourstück bisher darstellt, und man kann nur erahnen, wo dieser Steilgang noch hinführen wird. Für mich eine der ganz großen Hoffnungen aus den heimischen Breitengraden. (Jochen)

 

 

 

Bewertung:

Jochen9,0 9 / 10


Anzahl der Songs: 6
Spielzeit: 33:14 min
Label: Eigenproduktion
Veröffentlichungstermin: 11.04.2020

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden