Fear Factory - Aggression Continuum

fearfactory aggressioncontinuumEs rumort im Lager der Industrial Metal-Pioniere, wegen unsäglicher juristischer Streitigkeiten um Namensrechte liegt die Truppe schon seit Jahren auf Eis, das letzte Studioalbum erschien 2015. Vor einem knappen Jahr platze die Bombe als Sänger Burton C. Bell seinen Ausstieg verkündete, nachdem er und Gitarrist Dino Cazares schon länger quasi als Duo unterwegs sind. Ohne seinen charakteristischen Gesang ist FEAR FACTORY nur schwer vorstellbar, zumal der der Einzige ist, der immer Mitglied der Band war, während Cazares einige Jahre draußen war. Dass seine Stimme auf "Aggression Continuum" noch zu hören ist macht die Sache nur noch merkwürdiger.

Ich gehöre ja nicht zu denen, die bei dem Wechsel am Mikro gleich das Ende einer Band herbei munkeln oder sich von ihr abwenden, doch in dem Fall hinterlässt der Mann schon eine große Lücke. Kaum einer kann so ansatzlos vom rauen Gebelle in den leicht sakralen melodischen Ton wechseln wie Bell, dieses Stilmittel hat die Band geprägt. Nun scheint Cazares die Geschicke alleine führen zu wollen, nimmt es sich heraus die Vision der Band immer schon hochgehalten zu haben. Das kann sogar sein, denn auf den Longplayern ohne ihn öffnete sich die Combo hin zu rockigeren Klängen, während mit seiner Rückkehr wieder die Kernwerte zur Schau gestellt wurden.

Dieses mechanische Geballer, die thrashigen Riffs und die kühlen Synthesizer wurden auf dem Zweitwerk "Demanufacture" zur Perfektion vermischt. Dem Stil frönen die Herren aus L.A. bis heute, wobei sie diesen zu arg strapazieren. Keines der letzten drei Alben wies Alleinstellungsmerkmale auf, die Lieder hätten ebenso auf dem jeweils anderen stehen können, die Bausteine wurden jeweils ein bisschen anders angeordnet, doch ein wirkliches Eigenleben bekamen die Langrillen nicht. Etwas das sich von der eigenen Geschichte abheben würde, was "Aggression Continuum" in sich schließen würde, sucht man vergeblich.

Wenn man sich überhaupt auf eine Charakteristika einigen könnte, dann die dass FEAR FACTORY noch mehr als sonst versuchen ihr Erfolgsalbum zu kopieren. Dienten da die melodischen, hallbelasteten und sakralen Refrains noch dazu, einzelne Songs auf ein anderes Level zu heben, so werden sie hier als Pflichtübung in jeder Komposition exerziert. Abwechslung muss man hingegen schon suchen und offenbart sich erst nach vielen Hördurchläufen. "Purity" klingt mit seinem eingängigen Riffing wie ein Überbleibsel von "Demanufacture", auch der Chorus schließt sich da nahtlos an, Entwicklung sieht definitiv anders aus.

Gab es auf "Genexus" mit "Regenerate" noch ein feines Alternative Rockmotiv, welches über den ganzen Song durchexerziert wurde, so setzt es diesmal nur gelegentlich ein paar bretternde Riffs wie im Titeltrack. Auf dieser Seite spült das Songwriting zu wenig an, ebenso wie am atmosphärischen Ufer. Meist endeten Scheiben der Band mit einem Breitwand-Synthesizerstück, hier gibt es ähnliches lediglich in der Coda des Rausscheißers "End Of Line". Etwas schwerfälliger werden die Staccato in "Collapse" durch die Boxen gejagt. Wenigstens findet man hier ein paar interessante Arrangements wie Synthesizerspuren, welche die Bridge abklingen lassen.

Ein paar Ideen hat man schon eingebaut, aber insgesamt findet man eben immer die selben Elemente wie diese mechanische Marschdrum, die "Manufactured Hope" einleitet, in dem ebenso die Synthies gewinnbringend eingesetzt werden. Mehr noch beim folgenden "Cognitive Dissonance", das fast schon mit Electronica flirtet und die Gitarren massiv grooven lässt. Noch weiter runter gestimmt, wenn das überhaupt noch geht hat Cazares die Saiten in "Disruptor", was einen KORN-Touch einbringt.
Insgesamt ist das nach sechs Jahren nicht genug, zumal sich die Hits auch diesmal nicht finden lassen, obwohl Fans der Band wenig falsch machen können mit "Aggression Continuum". Der Mann an den sechs Saiten hält zu sehr an seiner Vision fest, auch wenn die inhaltlich mit dem kritischen Umgang mit Technologie wichtige Dinge anpackt. Vielleicht gelingt es ihm mit einem neuen Frontmann aus dem Schema auszubrechen, denn niemand kann die Art von Bell ersetzen, weswegen es ohnehin eine neue Band sein wird. (Pfälzer)

 

Pfaelzer6,5 6,5 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 48:59 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 18.06.2021

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