Riverside - Lost´n´Found-Live In Tilburg

riverside liveintilburgAuch die polnischen Art Rock - und Proghelden müssen sich in Zeiten des Lockdowns etwas suchen, um bei der Stange zu bleiben. Mastermind Maruisz Duda hat jüngst mit "Through Shaded Woods" ein weiteres Album seines Soloprojektes LUNATIC SOUL veröffentlicht. Der Rest der Band hat sich in der Zeit ohne Konzerte einigen alten Aufnahmen gewidmet und ist fündig geworden. Ein Mitschnitt ist besonders hochwertig und war bisher auch streng limitiert als Audio-Version über den Fanclub erhältlich. So beschlossen RIVERSIDE dieses Gig als DVD zu konservieren. Für die Band ist es eine sehr emotionale Angelegenheit, dokumentiert diese doch ein Konzert der letzten Tour mit Pjotr Grudzinski vor seinem tragischen Ableben. Somit ist "Lost´n´Found-Live In Tilburg" als Hommage an ihren genialen Gitarristen zu sehen.

 

Der ist auch als Erster deutlich zu hören, wenn sich seine Gitarre aus einem Gemisch von Introtape, Synthflächen und Zuschauerjubel hervor hebt. Einsam perlen seine Töne herab und liefern so genau das, was man an dem Abend erwarten durfte, nämlich ein Eintauchen in die wunderbare Atmosphäre dieser Band. Langsam wird es heller auf der Bühne, bevor Mariusz Du seine Fans gegrüßt und in den Opener "Lost" einsteigt. Der eröffnete nicht nur das seinerzeit aktuelle "Love, Fear And The Time Machine"-Album, sondern auch die Konzerte dieser Tour, die ich etwas später in Karlsruhe bewundern durfte. Zusammen mit "Found" rahmten beide Songs neben Album auch die Shows und geben so der Veröffentlichung ihren Titel.

Aufgezeichnet wurde die Show am 18. Oktober 2015 im Pop-Podium 013 im niederländischen Tilburg, sicherlich eine der besten Adressen für progressive Tonkunst. Und Kunst ist das, was das Quartett hier hinlegt auf alle Fälle. Es scheint als ob sie ihre Songs allabendlich neu erfinden würden. Wie konzentriert sie zu Werke gehen, wie sie immer auf der Suche nach dem richtigen Gefühl für den Ton sind, beweist die Hingabe der Musiker. Am besten zu sehen im auf zwanzig Minuten gestreckte "Escelator Shrine", dessen Intro eine der trip-hoppigen Jams bietet, welche sie auch immer mal gerne aufgenommen haben.
Das Bassmotiv trägt durch den Song, während die Gitarre eher die atmosphärische Untermalung bietet, eine Herangehensweise, die typisch für die Formation ist. Die herkömmliche Verteilung von Rhythmus und Melodie wird öfter aufgebrochen. Dazu verlieren sich die Synthesizer von Michal Lapaj speziell in dem Schlusspunkt des regulären Sets in psychedelischen Weiten. Doch wehe wenn er losgelassen, dann windet sich der Tastenmann bei seinem wilden Orgelsolo hin und her und gebärdet sich wie einer der Keyboard-Wizards der Siebziger.

Im gesamten Verlauf trägt er zur Variabilität des Materials bei, hat alle möglichen Tastenklänge am Start, bei "We Got Used To Us" dominiert das Piano. Der leider nicht mehr unter uns weilende Grudzinski bietet auch auf seinen Saiten das ganze Arsenal an Ausdruckmöglichkeiten, seien es markante Riffs, flächige Sounds oder die wunderbar gefühlvollen Soli, die in der Intensität nur wenige zelebrieren können. RIVERSIDE haben sich stets zwischen New Artrock und klassischem Prog Rock positioniert, eben vielen sphärischen und ruhigen Parts begibt man sich auch gemeinsam auf wilde Instrumentalabfahrten, während auch die metallischen Wurzeln keineswegs verleugnet werden.

Was neben all der Konzentration immer wieder ins Auge fällt ist das ein oder anderr Lächeln in den Gesichtern der Musiker, die den Spaß an der Sache besser auszudrücken vermochten als zu Beginn ihrer Karriere. Duda hat sich zum veritablen Frontmann gemausert, der viel auf der Bühne unterwegs ist und auch zu kommunizieren weiß. Im Laufe dieser Tour hat man sich noch mehr eingespielt, wurde mutiger, in Karlsruhe überließ der Bassist und Sänger dem Publikum die Singalongs etwa bei "Conceiving You" komplett. In Sachen Bühnenausstrahlung hat man ebenfalls an sich gearbeitet, manchmal stehen der gute Pjotr und Mariusz Rücken an Rücken, solche Posen, in welche sich immer wieder geworfen wird, sind im Prog eher unüblich.

Ja, die Band rockt, auch der Sound mancher neuer Stücke wie "Under The Pilllow" rockt, zwar mit alternativem Einschlag, aber er rockt. Hinten sitzt Pjotr Kodzieradski stoisch hinter seinem Drumkit und hält mit gezieltem Spiel das Ganze zusammen. Mal hat er nur einen kurzen präzisen Einsatz, dann haut er tolle Breaks heraus. Die Ruhe die er dabei ausstrahlt ist ungewöhnlich, aber der bullige Schlagzeuger muss auch nicht weit ausholen für kräftige Hits. Die Truppe hatte sich immer mehr gefunden, davon zeugt dieses Dokument, schade, dass sie nur ein paar Monate später auseinander gerissen wurde. Mit dem kürzlich offiziell zur Band gestoßenen Macej Meller muss sie erst wieder dorthin kommen.

An der Umsetzung auf Konserve gibt es wenig zu mäkeln, das Bild könnte je nach Kameraposition klarer sein. Ein paar mehr Positionen wären auch nicht schlecht gewesen, das Publikum wird fast nur vom rechten Bühnenrand herunter gefilmt und optisch weit weniger eingebunden als akustisch. Dafür gibt es schöne ausschweifende Nahaufnahmen, welche die Emotionen der Musiker toll transportieren, teilweise sorgt ein gesplitteter Bildschirm dafür, dass das Zusammenspiel wie auf "Lost´n´Found-Live In Tilburg" sehr gut dargestellt wird.
Atmosphärisch wissen die Aufnahmen in der Totalen am besten zu überzeugen, hier kommt die tolle Lightshow klasse zur Geltung, welche die Stimmung zusätzlich untermalt. Klangtechnisch ist jedes Detail plastisch heraus zu hören, um so die Stärke von RIVERSIDE zu verdeutlichen. Bei der Songauswahl konzentriert man sich vor allem auf die seinerzeit beiden letzten Scheiben und hielt im Laufe der Tour das Programm fast konstant. Natürlich wären mehr Songs der "Reality Dream"-Trilogie wünschenswert, aber die Band blickt nach vorne und tut gut daran, das auch jetzt zu tun. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10

 


Anzahl der Songs: 8 (CD1) / 5 (CD2) / 13 (DVD)
Spielzeit: 51:36 min (CD1) / 52:19 min (CD2) / 104:33 min (DVD)
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 11.12.2020

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