Psychotic Waltz - The God-Shaped Void

psychoticwaltz thegodshapedvoid200nb mehrfachwertungBereits in den Achtzigern fanden die Prog-Metaller zusammen, deren Line-Up sich bis zum Debüt 1990 immer mehr heraus schälte. Da gab es auch keine Änderungen, als Gitarrist Brian McAlpin nach einem Autounfall an den Rollstuhl gefesselt war. „A Social Grace“ und „Into The Everflow“ gelten bis heute als Meilensteine des progressiven Metal, noch bevor sich diese Spielart etablierte. Nach zwei weiteren Scheiben war dann aber Schluss, weil sich die ganze Szene nur noch auf DREAM THEATER-Kopien stürzte und nicht mehr auf innovative Klangmalerei. Das Schicksal zog sich in den Neunzigern aber durch alle Genres. Mittlerweile sind PSYCHOTIC WALTZ schon eine Zeitlang zurück, nun legen sie auf die Konzerte noch einen Longplayer drauf. In Zeiten, in denen Comebacks von SACRED REICH oder POSSESSSED glücken, kann man „The God-Shaped Void“ hoffnungsvoll entgegen blicken.

Der Verfasser dieser Zeilen geht ohnehin völlig unvoreingenommen an die Scheibe ran, denn zu meiner Schande muss ich gestehen, dass die Truppe bislang komplett an mir vorbei ging. Ich hatte DEAD SOUL TRIBE einmal live im Vorprogramm von THRESHOLD gesehen, jene Band, die Sänger Devon Graves zwischenzeitlich am Start hatte. In seiner Zeit, die er in Österreich weilte frönte er aber moderneren Elementen, die mir weniger zusagten und auch nicht zu dem Hauptact des damaligen Abends passten.
Jener kommt dem hier vorliegenden Album stilistisch deutlich näher, was vor allem an der klaren und präzisen Gitarrenarbeit von McAlpin und Dan Rock liegt. Die wundervollen und warmen Gitarrensounds hört man sonst eher bei britischen Bands, hier werden sie in Vollendung dargeboten. Auch wenn sich die beiden gerne mal in Rockstar-Höhen aufschwingen, bauen sie ihre Leads und Soli so geschickt in die Kompositionen ein, dass diese zusätzlich beflügelt werden und zu neuen Horizonten davon schweben.

Überhaupt überrascht die Herkunft von PYCOTIC WALTZ etwas, denn nach Sunshine State klingt hier wenig, vielmehr hätte ich sie im Norden der US-Westküste lokalisiert. Von den Riffs und der Melodieführung wandelt man deutlich auf den Spuren der Bellevue-Szene aus dem Umland des Achtziger Seattle. Ihrer Zeit schufen Bands wie QUEENSRYCHE, FIFTH ANGEL oder HEIR APPARENT einen großartigen Metalklang, was in der Rockgeschichte allzu oft unterschlagen wird. An diesem orientiert sich die Truppe, und weniger an der kalifornischen Sonne, die mehr nach Surfen und Turmspringen duftet, was Greg Louganis, der berühmteste Sohn ihrer Heimat El Cajun praktizierte.

Wenn man überhaupt dort auf Spurensuche gehen will, dann ganz tief in den Wurzeln der Rockgeschichte, die Querflöte und psychedelische Soundzutaten lassen ein bisschen an die Hippie-Ära in San Francisco denken. Jenes außergewöhnliche Instrument wird von Frontmann bedient, der auch für die partiellen Keyboard-Anteile zuständig ist. Mit seinen Mitstreitern stellt er die psychedelische Schlagseite nicht einfach nur neben das Metalfundament, er verbaut sie vollkommen miteinander. Was hier gelungen ist, haben andere schon versucht, die Polen RIVERSIDE kamen dem schon nahe, doch so eine harmonische Beziehung habe ich bislang noch nicht vernommen.

Daran hat der Multiinstrumentalist mit seinem facettenreichen Gesang auch einen enormen Anteil, denn seine Bandbreite ist beeindruckend. Mal getragen, mal kraftvoll, gerne auch mit Falsett, immer klar und dann wieder unglaublich emotional. Selbst wenn er sich sehr ruhig und melodiös in die Gehörgänge schmeichelt, kann er seine Erhabenheit erhalten, zusammen mit der teils sakralen Atmosphäre geben sie GHOST in der Disziplin eine harte Nuss zum knacken.
Diese tiefe Sphärik durchzieht das ganze Werk, mit Hilfe der angesprochenen Psychedelic verwandelt sich die klare Kante der Riffs zu mächtigen Klangkathedralen. Damit wirkt das gesamte Werk wie aus einem Guss, obwohl sich die Themen immer abwechseln und PSYCHOTIC WALTZ reihenweise interessante und spannende Wendungen einstreuen. Sie sind aber clever genug, die Gegensätze nicht zu weit auszuloten, das Gaspedal nie durchzutreten, um den Faden nicht zu verlieren.

Manches gemahnt an ganz traditionellen Edelstahl, sie finden auch den Weg hinab in doomsche Schwere oder lassen Ausflüge in moderne Gefilde zu. „The God-Shaped Void“ ist ganz großes Songwritingkino, von Könnern eingespielt, denen man anhört, dass sie seit Jahrzehnten mit einander musizieren. Sie lassen eine Dichte entstehen, die einen unweigerlich in ihren hypnotischen Sog zieht, eine fast gespenstische Aura aufbaut. Dafür sorgt die großartige Produktion, die allen Details viel Raum gibt und diese so zu einer überwältigenden Wucht zusammenfügt. Auch das variable Spiel von Norm Leggio kommt perfekt zur Geltung, womit der Drummer die Feinheiten perfekt abrundet. Ein durchdachtes Meisterwerk ohne je konstruiert zu wirken. (Pfälzer)

 

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 57:51 min
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 14.02.2020

Bewertung:

Pfaelzer9,0 9 / 10


Anne8,0 8 / 10

Jochen8,0 8 / 10

Maik9,0 9 / 10

Matthias8,0 8 / 10

Alex27,5 7,5 / 10


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