Clutch - Book Of Bad Decisions

Clutch BOBDFast hätte ich doch den alten Fehler wiederholt und hätte nach einem Durchlauf schon über ein Album geurteilt, das allerdings viel viel mehr zu bieten kann, als es beim ersten Anlauf zeigt. Gerade bei CLUTCH sollte mir dieses Phänomen bekannt sein, abgesehen von der Tatsache, dass ich abseits von persönlichem Geschmack dieser Band einfach kein mittelmäßiges Album mehr zusprechen kann. Warum sollte es also beim neuesten Werk anders sein?

Entgegen der Aussage des Albumtitels haben CLUTCH hier alles andere als schlechte Entscheidungen getroffen. Wie schon beschrieben benötigt „Book Of Bad Decisions“ einige Durchläufe, um sich im Musikzentrum des Hirns festzusetzen, dafür bleiben sie aber dann dort auch für die Ewigkeit. Denn wieder einmal gelingt es den Herren aus Maryland, ein zeitloses, ewig währendes Album zu kreieren, das eine beachtlich große musikalische Dichte abdeckt und dennoch so sehr nach CLUTCH klingt.

Auch wenn ich zwischenzeitlich Probleme mit dieser Combo hatte, so muss ich ihr mittlerweile einen Ausnahmestatus zuweisen, was ich nur von wenigen Bands behaupten kann. Nicht nur das stabile Line-Up, das sich schon wacker seit der Bandgründung 1991 hält, sondern auch die einheitliche, demokratisch bestimmte und vor allem diskrete und dezent aufgebaute Karriere bestimmen die Genialität des Vierers. Somit kommt das 12. Album ganz locker und lässig daher und scheint wie aus dem Ärmel geschüttelt entstanden zu sein. Dabei ist es immer wieder überraschend, wie diese simplen Songstrukturen nicht nur ein so weites Feld abdecken, sondern auch so einzigartig und mitreißend wirken. Dazu kommt halt die absolut hinreißende Stimme von Neil Fallon, der nicht nur gesanglich herausragt, sondern auch durch seine literarischen Fähigkeiten und rhetorische Gewandtheit durchaus als Prediger und Missionar durchgeht, der einen locker in seinen Bann ziehen kann.

Auch „Book Of Bad Decisions“ glänzt mit einer Fülle von Varianten der gitarrenlastigen Musik, wenn auch manchmal andere Instrumente die Oberhand haben. So ist bei einigen Songs wieder mal die Orgel sehr im Vordergrund, was ja schon zu „Beale Street“-Zeiten zu einem Markenzeichen der Band wurde. Aber auch der Einsatz von rockigen Klavierklängen wie in „Vision Quest“ stehen der Truppe sehr gut zu Gesicht und unterstreichen die gewollte Wiederbelebung des Rock‘n‘Rolls der Sechziger Jahre. „In Walks Barbarella“, eine Hommage an starke weibliche Heldenfiguren, glänzt zudem durch den Einsatz von Bläsern ähnlich wie bei einer Gala- oder Swing-Big Band, und wie immer alles dezent und moderat in Szene gesetzt.
Dahingegen findet man keine waschechte Ballade auf „Book Of Bad Decisions“, lediglich „Emily Dickinson“ mit seinem blues-country-mäßigem Einschlag und „Lorelei“ könnten diesem Anspruch gerecht werden, beides großartige Songs mit Ohrwurmcharakter. Den Witz und die lyrische Einzigartigkeit ballt sich jedoch in dem Smasher „How To Shake Hands“, der ja bereits im Vorfeld schon auf den Videokanälen bewundert werden konnte. Aber auch „Hot Bottom Feeder“ bietet eine textliche Einzigartigkeit, die bisher nur von SEASICK STEVE bekannt war und rein zufällig bei dem gleichen Produzenten als Idee aufkam.

Als Produzent wählte man dieses Mal den legendären Vance Powell, der eigentlich schon alles, was den Sound von CLUTCH ausmacht, produziert hat. Und genauso klingt demnach auch „Book Of Bad Decisions“: old-school, roh, natürlich und räumlich. Während die Gitarren knarzig und ranzig-rockig klingen, denkt man beim Schlagzeugsound, man würde mit dem Kopf im Set stecken, herrlich.

„Book Of Bad Decisions“ ist mal wieder ein Hitalbum geworden, das nicht nur einfach musikalisch überzeugt. Es würde auch durchaus als Soundtrack für so manchen Film durchgehen. Einmal klingt es nach Western, dann nach Krimi, dann wieder nach Agenten- oder Spionagefilm, danach erhöht sich der Action- und Dramafaktor und schließlich endet es mit Science-Fiction. Sehr schön auch die Reminiszenz an „Psychic Warfare“ im Song „In Walks Barbarella“, der sich als Überbleibsel dieses Albums entpuppt und das auch im sehr unterhaltsamen Video eindeutig unter Beweis stellt.
Voller Pathos, Spannung und Leidenschaft liest sich das Buch dieser fünfzehn Songs, und mehrfaches Hören lässt auch vermeintliche Lückenfüller zu Hits mutieren.
Keine Frage, CLUTCH schaffen es auch 2018, konkurrenzlos einfach nur dreckscoole Mucke abzuliefern. Meine Hochachtung! (Jochen)

 


Bewertung:

Jochen9,0 9 / 10


Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: 57:01 min
Label: Weathermaker Music
Veröffentlichungstermin: 07.09.2018

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