Uriah Heep - Living The Dream

uriahheep livingthedreamBLACK SABBATH haben sich aufgelöst, OZZY befindet sich auf Abschiedstournee, DEEP PURPLE haben immer noch ihre Virtuosität, aber nicht mehr den großen Elan, NAZARETH wirken sehr müde und UFO denken offen ans Aufhören. Doch es gibt einen Hardrockdinosaurier, der immer noch unveränderlich voll im Saft steht, URIAH HEEP sind immer noch voller Esprit, wovon sich die Redaktion vor ein paar Monaten auf dem SwedenRock überzeugen konnte. Natürlich haben sie durch die leider notwendigen Besetzungswechsel die mögliche Verjüngungskur angenommen, was den Urgesteinen einen neuen Schub verlieh. Und für das nächste Opus ließ man sich dieses Mal mehr als vier Jahre Zeit, immerhin ist es ihr vierundzwanzigstes Werk. Was sind die Briten auf "Living The Dream" im Studio zu leisten imstande, wobei der Titel natürlich genau jenes Hochgefühl wiederspiegelt, in dem sie sich befinden.

Darauf gehen sie auch weiter vorwärts, anstatt sich es in ihrer Nische bequem zu machen, mit Jay Ruston hat man einen neuen Produzenten dabei, der bislang eher mit modernen und härteren Acts wie ANTHRAX oder KATAKLYSM arbeitete. Dem ist es gelungen genau diese Livepower einzufangen und authentisch auf Konserve zu übertragen, das Klangbild fällt trocken und direkt aus und orientiert sich an ihrem Bühnensound. Allerdings stehen hier die Drums und die Orgel zu weit im Vordergrund, Leidtragender ist das letzte Gründungsmitglied Mick Box, dessen sechs Saiten vor allem im Rhythmusbereich etwas untergehen. Die wärmere, voluminösere, eher achtzigeraffine Produktion von Mike Paxman hatte zuletzt noch dessen Riffarbeit betont.

Nun darf man nicht annehmen, dass die Herren plötzlich einen auf Hipster machen, die Bärte wären wenn schon ziemlich grau. Sicher gibt es den ein oder anderen zeitgemäßen Moment, doch vielmehr gehen sie zurück zu ihren Anfängen und suchen ihr Heil kompositorisch wie auch von den Songstrukturen tief in den Siebzigern. Damals war ja auch die Hammond ein bestimmendes Instrument, die Synthesizer, die zuerst Ken Hensley und heute Phil Lanzon in den Bandsound einbrachten steckten noch in den Kinderschuhen.
Damals waren es die progressiven Klänge, welche die Rockwelt beherrschten und auch URIAH HEEP schnitten sich ihr Stück vom Kuchen ab, gerade ihre Longtracks sind legendär. Auch hier bauen kann man anhand der Songlänge schon erahnen, wie viel Experimentierfreude sie da an den Tag gelegt, was sie alles an Soli und Improvisationen eingebaut haben. Als Höhepunkt zeichnet sich das "Rocks In The Road" mit seinen mehr als acht Minuten aus, in dessen Mittelpart viel mit der Atmosphäre experimentiert wird.

Die darf auf einem Album dieser Formation ohnehin nicht fehlen, denn auch ohne große Synthieeinsätze holt Lanzon viel sphärische Klänge aus seinen Tasten heraus. Oft duelliert er sich mit dem ewig grinsenden Gitarristen, wobei dieser die Riffs beisteuert, die er dann mit Gefühl kontert, bevor er dann auch wieder gerne das Kommando übernimmt. Es ist auch keine Seltenheit, dass beide in einem Soloteil ran dürfen, wobei sie auch hier all die Erfahrung aus tausenden gemeinsamen Konzerten in die Waagschale werfen und dem anderen den Freiraum gönnen. Box darf hier endlich zeigen, dass er es immer noch draufhat. Ob klare Soli, gerne auch mit richtig schöner Melodie, den vielen Fußwippern auf dem Effektgerät oder in den ruhigen Passagen hier und da akustisch, der Mann hat einen unverwechselbaren Stil.

Dabei sind all diese Elemente nicht unbedingt durchkomponiert, sondern kommen oft spontan, wie ein langes Outro nach einer eigentlich knackigen Nummer. Das gilt auch für die eigentlichen Lieder, die immer wieder mit unvorhergesehenen Tempowechseln aufwarten, nach einem großen Chorus schleppt die Heavieness plötzlich, die vorher nach vorne trieb, aus einem soften Part geht es ohne Ansatz los. Dabei lässt es Russell Gilbrook immer ordentlich krachen, er gibt dominant das Tempo vor, was Ruston gut eingefangen hat, wobei das einige Fans sicher etwas zu viel des Guten ist. Die hören viel lieber, wie Bernie Shaw auch heute noch die Höhen meistert und jede Silbe zelebriert, oder wie er mit seinen Kollegen die mehrstimmigen Harmonien anstimmt, für welche sie so berühmt sind.

Da machen alle eine gute Figur, wobei ich etwas den guten Trevor Bolder vermisse, dessen Nachfolger Dave Rimmer darf auch einige Leadbassmotive beisteuern, hält sich beim Songwriting aber zurück. Die neue Frische, für die auch er verantwortlich ist, tut dem Fünfer gut, hat aber auf Albumlänge auch ihre Schattenseiten, denn man benötigt schon ein paar Durchläufe um alles zu erfassen. URIAH HEEP haben es auch "Living The Dream" geschafft, ihren ureigenen Sound in die Jetztzeit zu transportieren und ihm dabei noch mehr Profil zu verleihen. Manchem Fan, wie auch mir, wäre sicher eine songdienlicheres Album lieber gewesen, doch man dieses Statement als Geschenk akzeptieren. Und Respekt sollte einem die mutige Herangehensweise auf alle Fälle abverlangen. (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer7,5 7,5 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 52:48 min
Label: Frontiers Records
Veröffentlichungstermin: 14.09.2018

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