Epitaph - Long Ago Tomorrow

epitaph longagotomorrowIm ausgehenden Jahrzehnt wollen die alten Haudegen des Kraut Rock noch einmal ihre Agilität in dieser Dekade unter Beweis stellen. Neben vielen Live-Veröffentlichungen findet der Vierer immer wieder Inspiration für neue Studioalben, das letzte "Fire From The Soul" liegt gerade drei Jahren zurück, schon steht der Nachfolger bereit. Dazu haben EPITAPH schon wieder viele Konzerte für den Herbst gebucht, unter anderem zusammen mit den alten Kollegen von FARGO und JANE. Auf "Long Ago Tomorrow" sitzt mit Carsten Steinkämper ein neuer Mann hinter den Kesseln, der das Gründungsmitglied Jim McGillivray ersetzt. Kann eine der dienstältesten deutschen Bands noch mit den heutigen Größen mithalten.

Zumindest musikalisch weiß man sich immer noch im Rahmen ihres Genres zu entwickeln, auch wenn die Scheibe natürlich unverkennbar den Spirit der deutsch-englischen Gruppe atmet. Geblieben sind die eher straffen Arrangements des Vorgängers, die am ehesten an die "Danger Man"-Phase erinnerten. Von einer neuerlichen Kollaboration mit den Chartstürmern SANTIANO hat man dieses Mal allerdings abgesehen und orientiert sich wieder an den ureigenen Stärken. Was hier vielleicht fehlt ist der kraftvollere Sound von "Fire From The Soul", doch das mag die Kompositionen wenig stören.

Zu sehr weiß das Quartett, auf was es sich verlassen kann und was seine Faszination ausmacht. Dafür lässt dieses es beim Opener "Keep Standing Like A Rock" ordentlich krachen, wieder so ein Fingerzeig in Richtung des 82er Longplayers. Der treibende Hard Rock fährt teils kernige Riffs auf, weiß dann aber wieder mit dem mehrstimmigen Chorus vertrauter zu klingen. Im sich dorthin steigernden Intro ist auch wieder die Orgel von Klaus Henatsch zu vernehmen, einem weiteren Veteranen, der bei JANE aktiv war und heute bei NEKTAR führend ist.
Ähnlich rockig gibt sich die Formation noch in dem schmissigen Rock´n´Roller "Windy City" und dem sinisteren "Haunted House". Nicht nur die schweren Riffstrukturen oder die Zigeunerthemen klingen stark nach DEEP PURPLE. Hier zaubert TRUCK STOP-Mann Tim Reese eine ganz eigentümliche Atmosphäre, die in "Vincent Price" der erwähnten Briten anknüpft. Dennoch klar als EPITAPH zu identifizieren, auch wenn selbst im Solo noch einige Blackmore-Bezüge zu vernehmen sind.

Jener Reese zeigt schon im zweiten Stück "Going Fishing" das er weit mehr beherrscht als die Country-Fidel, weswegen die Kultband schon seit den "Acoustic Sessions" mit ihm zusammen arbeitet. Dabei scheint der Drumshuffle und die Akkorde anfangs eher ungeeignet für seinen Einsatz, doch die weite Atmosphäre öffnet ungeahnte Türen, ebenso wie für das Orgeloutro von Henatsch. Im emotionalen Titeltrack hat er noch einmal ein paar große Auftritte, daneben auch Bernie Kolbe mit seinem Bass.
Die Nummer entwickelt sich als typisch für die gesamte Scheibe, immer wieder tolle Harmonien aus Leadfills, akustischer Gitarre und elektrifizierten sechssaitigen Flanken. Im hymnischsten Stück "Edge Of The Knife" darf auch Agnes Haspari am Flügel ran, die ruhige Strophe mündet in den ausschweifenden Refrain. Es sind immer wieder diese kleinen Details, welche die Herren in ihre Lieder einbauen, die anfangs simpel wirken und dennoch bei jedem Hören neue Facetten ans Licht bringen.

Vom Piano lebt mit "Sunday Cake" auch eine der Balladen von "Long Ago Tomorrow" auch wenn man sich in der Disziplin schwer tut. Da man das Spiel mit den Stimmungen und der Dynamik durch all die Erfahrung perfekt beherrscht, sind es eben diese Momente, welche der Einspielung das Besondere verleihen. Man nehme nur mit "Lost in America" den längsten Track, der mit seiner Epik fast an die Frühphase der NWOBHM-Helden PRAYING MANTIS erinnert und alle Trademarks wie die mehrstimmigen Gesänge und Leadgitarren aufweist.
Noch dynamischer agieren sie im Rausschmeißer "Fallen Dreams", welcher zwischen kraftvollen Momenten und verträumten Phasen changiert. EPITAPH bleiben trotz vieler frischen Ideen immer in ihrer Welt verhaftet, schielen nie nach irgendwelchen Trends oder modernen Produktionen. Das mag manchen wie ein Anachronismus vorkommen und phasenweise klingt das schon zu schön. Doch wie schon zuletzt bei SNOWY WHITE sollte man froh sein, dass es so etwas Unverfälschtes und Ehrliches noch gibt. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer7,0 7,0 / 10


Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 58:39 min
Label: MIG Music
Veröffentlichungstermin: 26.04.2019

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