Blackberry Smoke - You Hear Georgia

Blackberry SmokeDer Blick auf die amerikanischen Südstaaten führte auch in der Musikszene schon immer zu kontroversen Diskussionen und emotionalen Reaktionen, insbesondere wenn Meinungen als Diskreditierungen durch „Yankees“ oder noch schlimmer, Kanadier interpretiert wurden. Dann wurde man schon mal in einem Song verewigt, wie im berühmtesten Beispiel „Sweet Home Alabama“ von LYNYRD SKYNYRD . Hier kriegte Neil Young auf seine bezogenen Songs „Alabama“ und „Southern Man“ unvermittelt sein Fett weg…und dass für immer: „Well I Hope Neil Young Will Remember, A Southern Man Don' t Need Him Around Anyhow“.

Ethymologisch gesehen sind der Frontmann, Sänger und Gitarrist der Southern-Rock-Combo BLACKBERRY SMOKE, Charlie Starr und seine Bandkollegen also „Rednecks“ oder „Hillbillies“(Hinterwäldler“), denn sie stammen nun mal aus Georgia, einem US-Bundesstaat südlich der Mason-Dixie-Line.

Das soziokulturelle Spiel mit Vorurteilen und Wertevorgaben machen BLACKBERRY SMOKE auch zum Hauptthema ihres neusten Longplayers „You Hear Georgia“. Bewusst generieren sie eine Liebeserklärung an den „Peach State“ und zeigen auf, dass Klischees und Vorurteile keinen Generalverdacht begründen.

Ja man hört den langhaarigen und bärtigen Männern aus Georgia an, woher sie stammen und Charlie Starr steht auch dazu, weder ein Städter der West-Coast-Area oder der Big-Apple-Region zu sein. Nach dem klassischen Southern-Rocker zu Beginn der neuen Patte, „Live It Down“ folgt der Titeltrack „You Here Georgia“, der die Südstaaten unter die Lupe nimmt und Charlie Starr beginnt den Song mit der Textzeile “ You Hear Georgia When I Open My Mouth. Don't Make No Difference What I'm Talkin' About“.

Und genau darum geht es Charlie; der Süden wird aufgrund von Ressentiments missverstanden. Und BLACKBERRY SMOKE widersprechen der stereotypen Vorstellung, tumbe republikanische Suprematisten zu sein, die den ganzen Tag auf dem Schießstand sinnlos rum ballern , zur Jagd gehen und sturzbesoffen den Nescar-Fahrern zu jubeln. Nein, für die Jungs von BLACKBERRY SMOKE steht der Süden und der Großteil der Bevölkerung für Tradition, Familie, Naturverbundenheit, Pioniergeist, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. Ich habe einmal einen guten Vergleich gelesen: Der New Yorker kennt jeden Preis eines Abercrombie und Fitch Polo-Shirts während der „Southern Man“ ein Dach reparieren kann.

Selbst wenn LYNYRD SKYNYRD heute nicht mehr die „Confederate Flag“ auf ihren Konzerten zeigen, verteidigte Gary Rossington die Verwendung schon vor langer Zeit mit der Aussage, dass die Fahne für ihn nicht als Sinnbild des Hasses steht sondern für kulturelles Erbe. Ihm sei das zugestanden und für die Person Gary Rossington auch glaubhaft. Mittlerweile verzichten jedoch selbst LYNYRD SKYNYRD auf die Fahne, um unnötige Provokationen und Stigmatisierungen zu vermeiden.

Aber neben der Südstaatenthematik ist auf dem neusten Album auch Musik darauf enthalten und zwar verdammt gute. BLACKBERRY SMOKE feiern aktuell bereits ihr zwanzigjähriges Bandjubiläum und haben längst mit den großen Southern-Rock-Bands wie den ALLMANN BROTHERS, LYNYRD SKYNYRD, OUTLAWS oder 38 SPECIAL gleichgezogen bzw. haben diese bereits als legitime Nachfolger überholt.

Das hervorragend eingespielte Quintett um Charlie Starr spielt mit einer ländlichen Coolness und Gelassenheit, die in dem Genre unvergleichlich ist. Der klassische Rock wird gekonnt mit Einflüssen von Americana, Outlaw-Country, Funk und Soul kombiniert und kaum einer Band gelingt es so gut, Fans der Rock- und der Country-Szene zu rekrutieren.

„You Hear Georgia“ bringt daher auch keine keine innovativen Veränderungen gegenüber den sehr erfolgreichen Vorgängern „Like An Arrow“ aus dem Jahr 2016 und „Find A Light“ (2018). Warum sollte man das Erfolgskonzept auch ändern, wenn man authentisch und gewohnt fantastische harte Rock-Riffs, weiche Slides, tolle Steel-Pedal-Guitars und Honky-Tonk-Klavier einsetzt und perfekt kombiniert.

Nach dem Titeltrack stellt sich „Hey Delilah“ als flotter Country-lastiger Song mit coolem Honky-Tonk-Piano dar. Man glaubt fast in einem verrauchten Saloon zu sitzen. Auf „Ain`t The Same“ zeigt Charlie Starr wieder sein enormes Talent als „Storyteller“, eins der Highlights des Albums, geprägt von tollen Harmonien und fantastischen Slides.

Der großartige Countrysong „Lonesome Fo A Livin“ folgt im Duett mit Jamey Johnson, dem 45-jährigen Outlaw aus Alabama, der mit seiner tiefen Barriton-Stimme raue Emotionen erzeugt, ohne auch nur ansatzweise in eine Cowboy-Kitsch-Ballade abzudriften. Der zweite Gaststar hat im Folgesong seinen Auftritt. Der begnadete Warren Haynes bringt spannende Abwechslung durch härtere Gitarrenklänge, und ein tolles Solo, teils als Double-Lead ein. Auch seine Stimme ist ein absoluter Zugewinn, um das Album abwechslungsreicher zu gestalten. „Morningside“ wird von schwermütigen und sphärischen Riffs getragen und erinnert an die großen Bands der siebziger Jahre. Auch „All Over The Road“ ist eine starke, schnelle Rocknummer.

Letzter Song ist „Old Scarecrow“, eine fantastische Ballade im Midtempobereich, bluesig mit Soul-Einflüssen, wunderschönen Gitarren-Slides und -Leads. Wieder ein klassisches Dixieland-Thema, dass man glaubt, unter dem endlosen Horizont der USA auf Weizenfeldern zu stehen. Wahrscheinlich betrachtet sich Charlie Starr als die im Song beschriebene Vogelscheuche:“ Like An Old Scarecrow, Standing In The Sun, My Work Is Never Done, Make My Stand For The Rest Of My Days.“

Frontmann Charlie Starr, Paul Jackson (Gitarre), Brandon Still (Keyboards), Richard Turner (Bass) und Schlagzeuger Brit Turner sind eine Einheit die perfekt agiert und immer besser wird. Keine Band bringt zur Zeit ein derart authentisches Southern-Rock-Feeling rüber und nach dem Hören bin ich mir mit Hank Williams Jr. einig:“ Only A Country Boy Can Survive“. (Ebi)

 

Ebi8,5 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 40:22 min
Label: Thirty Tiger, Legged Records
Veröffentlichungstermin: 28.05.2021

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