Kansas - Point Of Know Return Live & Beyond

kansas pointofknowreturnliveAuch die Mainstream Prog-Götter wurden von der Corona-Krise ausgebremst, gerade zu einer Zeit, in der sie wieder so richtig durchgestartet waren. Wie stark sie betroffen sind, kann man nur mutmaßen, ist möglicherweise die nicht ganz so exquisite Qualität des letztjährigen "The Abscence Of Presence" eine Folge davon? Oder ist die schwächere Produktion mit ein Grund für den Ausstieg von Gitarrist und Produzent Zak Rizvi, doch auch hierfür kann die mangelnde Perspektive verantwortlich sein. Denn die groß angekündigte Tour wurde schon zweimal verschoben und bis es wirklich so weit sein soll, färben sich die Blätter noch zweimal gelb. Also versuchen KANSAS auf "Point Of Know Return Live & Beyond" mit Livematerial die Sache auf Laufen zu halten, welches kurz vorm Lockdown aufgenommen wurde, wobei das erfolgreichste Album im Vordergrund steht.

Die Idee ist nicht ganz neu, denn bereits 2017 erschien "Leftoverture Live & Beyond", auf dem der andere 1977er Megaseller zur Gänze aufgeführt wurde. Nun also das fünfte Album, das wie sein Vorgänger aus dem selben Jahr einen Welthit beinhaltete. Beide Werke begründen den Ruhm der Formation und wurden zu Recht mit je einer eigenen Tour gewürdigt, ob man jetzt bei als Mitschnitt veröffentlichen muss, ist die andere Frage.
Dass selbst die unbekannteren Stücke auf ein Livealbum gehören steht außer Frage, doch mit "Two For The Show" von der seinerzeit folgenden Tour gibt es bereits ein sehr authentisches Dokument. Dem Schreiber dieser Zeilen wäre ein Europaabstecher mit beiden Tourneen lieber gewesen, die beide besonderen Umständen zum Opfer fielen.

Beschäftigen wir uns also mit dem vorliegenden Doppeldecker, der mit einer Fülle an interessanten Titeln aufwartet, das macht schon der Opener "Cold Grey Morning" von 1995er "Freaks Of Nature" deutlich. Direkt gefolgt von "Two Cents Worth" von "Masque", dem direkten Vorgänger der großen Erfolgsalben. Und mit zwei Beiträgen von "Power" aus der Steve Morse-Ära hätten die wenigsten gerechnet, die bei den aufgezeichneten Gigs anwesend waren.
Wobei ich da andere Titel bevorzugt hätte, aber das Instrumental "Musicatto" ist eben eines der typischsten Stücke aus der Zeit. Überraschenderweise fallen die Auszüge aus dem seinerzeit aktuellen "The Prelude Implicit" qualitativ nicht ab und fügen sich in den Kanon aus Klassikern ein, von dem auch wieder einige von "Leftoverture" stammen.

Bei vielen Liedern spielt die Formation großartig auf und glänzt mit Spielfreude, die instrumentalen Parts werden ausgebaut, die Musiker improvisieren viel, aber nie zum Selbstzweck. Auch David Ragsdale bekommt an der Geige ein paar zusätzliche Spots und Melodielinien als es KANSAS ohnehin zu bieten haben. Die Leistung von Phil Ehart lobe ich ja jedes Mal, bis irgendwer kapiert wie unterbewertet der Schlagzeuger ist.
Und ein David Platt macht seine Sache als Sänger sehr gut, auch wenn er nicht in die Höhen kommt wie ein Steve Walsh zu besten Zeiten. Aber mit ihm hat man einen Frontmann gefunden, der das Erbe weiterträgt und stimmlich nicht allzu weit weg ist. Und selbst ein Tom Brislin schiebt ein paar coole Synthesizersoli ein, beherrscht ohnehin das ganze Arsenal an den Tasten.

Klangtechnisch ist "Point Of Know Return Live & Beyond" gut und differenziert abgemischt, bringt alle Details sauber zur Geltung. Bei aller Transparenz hätte ich mir ein wenig mehr Druck gewünscht, aber womöglich hat man das Material absichtlich etwas rauer belassen, um den Livecharakter besser heraus zu stellen. Denn genau da hakt es hier an ein paar Stellen, die Zuschauer sind kaum zu vernehmen und die Stückelung aus vielen unterschiedlichen Konzerten stört den Fluss ein wenig. Klar sorgt ein Hit wie "Dust In The Wind" für mehr Betrieb im Auditorium, aber das kommt nur bedingt auf dem Dokument an.

Das wird dann besonders deutlich, wenn nach dem kompletten fünften Album und der obligatorischen Schlussnummer "Carry On Wayward Son" noch drei akustische Bearbeitungen nachgeschoben werden. Die haben allesamt Klasse, vor allem "People Of The South Wind" mit dem jazzigen Piano, doch an der Position auf dem Endprodukt unterstreichen sie den Compilationverdacht. Jene wurden nämlich auf der Tour 2019-2020 am Anfang des Sets gespielt, bevor der elektrische Teil losging, doch womöglich wollte man das Konservenprodukt nicht so ruhig beginnen lassen.

Somit kann die Scheibe nicht an den Liveklassiker von 1978 heran reichen, kann sich aber mit anderen Aufnahmen messen. Man hätte besser ein komplettes Konzert aufgezeichnet und vielleicht auf visuell umgesetzt. Doch ich denke in so einem opulenten Set schleichen sich immer Fehler ein, und man griff hier auf die jeweils besten Versionen zurück. Wenn die Band irgendwann doch noch nach Europa zurück kommt, bleibt zu hoffen, dass sie eine ebenso umfangreiche Werkschau im Gepäck haben, wem Masse Wert legt, wird hier bestens bedient. (Pfälzer)

 

Pfaelzer7,5 7,5 / 10


Anzahl der Songs: 8 (CD1) / 14 (CD2)
Spielzeit: 43:56 min (CD1( / 68:59 min (CD2)
Label: InsideOut
Veröffentlichungstermin: 28.05.2021

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden