Uriah Heep - Choices (Box-Set)

UriahHepp ChoicesMehr als fünfzig Jahre URIAH HEEP! Erschreckend, wie die Zeit vergeht, denn eines meiner ersten Konzerte im frühen Jugendalter war die Band auf der Fallen Angel Tour in der 1979 ausverkauften Saarlandhalle in Saarbrücken. Es war immer noch eine sehr erfolgreiche Zeit in Deutschland für URIAH HEEP, die sich mit ihrem Sänger John Lawton aus den genialen progressiven Heavy-Metal-Zeiten der Anfangsjahre dem populären Mainstream geöffnet hatten. Die englische Fanbasis hatte sich nach dem Ausstieg von David Byron bereits enttäuscht abgewandt.

Dabei war John Lawton mit seiner markanten charismatischen Stimme dem unerreichbaren David Byron stimmtechnisch ein ebenbürtiger Nachfolger, der die zu achtzig Prozent aus den URIAH HEEP-Klassikern bestehende Setlists souverän absolvierte. Die Neuorientierung war schließlich dem Zeitgeist geschuldet. Die Songs der Lawton-Ära und auch der nachfolgenden Bandbesetzungen enthalten immer noch alle URIAH HEEP-Merkmale, insbesondere die bandtypischen, choralen, mehrstimmigen Refrains. Schließlich verdrängten auch andere große Hardrock-Bands, beispielsweise DEEP PURPLE oder später RAINBOW die stark progressiven Klanggewänder, die endlosen Synthesizer-und Orgelpassagen und nahmen den Bombast und den Fantasy-Ansatz aus ihren Songs.

25 Studioalben haben URIAH HEEP im Lauf ihrer mehr als fünfzig Jahre andauernden Karriere mit vielen Höhen und Tiefen veröffentlicht und unzählige Besetzungswechsel überlebt. Jetzt erscheint am 24. September CHOICES, eine Chronik der gesamten Band-Historie. CHOICES; also Entscheidung, bedeutet in diesem Fall, dass die sechs in der Box befindlichen Scheiben durch die Auswahl der wichtigsten (und zu diesem Zeitpunkt noch lebenden) URIAH HEEP Mitglieder entstand, u.a. dem charismatischen und introvertierten Songwriter von URIAH HEEP, dem Keyboarder und Gründer Ken Hensley und dem langjährigen Drummer Lee Kerslake, beide leider 2020 verstorben. Natürlich konnte auch einer der besten Rocksänger aller Zeiten, David Byron, leider seinen Beitrag nicht zu der Sammlung hinzufügen, da er viel zu früh verstarb.

In die CHOICES-Sammlung aufgenommen wurden die aktuellen Bandmitglieder, Leadsänger Bernie Shaw und Keyboarder Phil Lanzon, die beide mittlerweile seit 35 Jahren in dem Lineup angehören und ergänzt werden sie durch Stücke von Paul Newton (Gründungsmitglied und Bassist bis 1971) und dem Gründungsmitglied und nach wie vor in der Band befindlichen Leadgitarristen und Bandleader Mick Box.

Die Alben beinhalten insgesamt 77 Titel. Es ist eine sehr interessante Box, die eindrucksvoll zeigt, wie sehr die Band die Zeiten bis heute überwunden und sich zwar verändert hat, ihrem Stil dennoch in gewisser Hinsicht auch treu geblieben ist. Es wurden Songs ausgewählt von den sehr harten, progressiven und psychedelischen Erfolgszeiten der glorreichen Anfangsjahre, mit vielen Breaks und Stimmungswechseln, zu den Hitparaden-tauglichen URIAH HEEP, die mit Pop-und Soulklängen experimentierten, schlechte und gute Alben produzierten, sich aber unerlässlich immer wieder neu erfanden und letztendlich heute noch solide Alben veröffentlichen und eine der besten Rhythmus-basierenden Hardrock-Bands mit fantastischem Chorgesang sind. Ihr Stil heute ist straighter; melodischer und treibender Rock, der dennoch dem Keyboarder immer wieder Gelegenheit gibt, sich an der Orgel völlig zu verausgaben.

Und so muss man URIAH HEEP heute betrachten, wenn man die Scheuklappen der unsterblichen Musiker David Byron und Ken Hensley ablegt. Überhaupt hatte URIAH HEEP immer hervorragende Sänger, wenn über allen natürlich David Byron, die tragische Gestalt mit der wunderschönen Falsett Stimme und exzessivem Hang zu Alkohol und Drogen, thront; John Lawton, der von der Popgruppe „THE LES HUMPHRIES SINGERS“ kam, mit sehr exaltiertem, rauem und kraftvollem Organ aber auch Bernie Shaw, der aktuelle Sänger. Der Kandier zelebriert Hardrock mit jeder Faser und auf „Celebration“ kann man nur den Hut ziehen, wie er die alten Klassiker eindrucksvoll umsetzt. Die Neueinspielungen von „Stealin“, „Sunrise“, „July Morning“ sind eine Hommage an David Byron und dem Originalsänger ebenbürtig, natürlich auf seine eigene Weise, nur „The Park“ hätte außer Byron niemand singen können.

Auf der Box sind zu Recht auch Songs mit dem ebenfalls sehr guten Sänger Peter Goalby vertreten, der, wie Lawton, für drei Alben das Mikro übernahm (1982 „Abominog“/1983 „Head First“/1985 „Equator“) und anfangs wieder eine härtere Gangart vorgab. Allerdings war im Gegensatz zu den beiden ersten Alben, die metallischer und härter waren, „Equator“ einer der Tiefpunkte URIAH HEEPs. Auf keinem anderen ihrer zahlreichen Alben klingen Uriah Heep weniger nach sich selbst, als auf diesem; desaströser und langweiliger Pop.

Seitdem steht Bernie Shaw am Mikro. Ebenfalls keine Berücksichtigung wurde auch der für ein Album als direkter Nachfolger John Lawton`s gegen den Willen von Ken Hensley in die Band aufgenommenen John Sloman, der mit seinem recht unorthodoxen Gesang das Album „Conquest“ schmückt, welches nicht zu den Glanzstücken der Diskografie gehört. Manche Kritikerstimmen bezeichneten es als innovativ; allerdings kann ich dem Sänger nichts abgewinnen.

Von „Conquest“ und „Equator“ befinden sich demnach keine Songs auf der Box. Ansonsten ist die Auswahl flächendeckend und sämtliche Alben wurden berücksichtigt. Mick Box bestückt seine Scheibe mit ausgewählten Songs; auch mit selteneren, jedoch durchaus guten Songs, allein drei mit Goalby als Sänger von den Alben „Abominog“ und dem 1983er „Head First“. Mick Box gelang mit dem Album „Abominog“ und dem damals neuen Sänger Peter Goalby ein Comeback. Mit Goalby orientierte man sich stark am amerikanischen Mainstream-Heavy-Rock. Goalby`s Stimme litt aber zunehmend unter den pausenlosen Konzerten. Er streut von den guten Rockalben „Living The Dream“ von 2014 und „Into The Wild“ Songs ein sowie das hymnische „What Kind Of God“ vom „Wake Up The Sleeper“ Album. Natürlich kommt die frühe Byron-Ära nicht zu kurz; das im einzigartigen Falsett gesungene mystische „The Park“ vom „Salisbury“ Album, dazu die Klassiker „Tears In My Eyes“ vom „Look At Yourself“ Album und „Sweet Lorraine“, alle in der remasterten Version. Das grandiose „Circus“ vom 73er „Sweet Freedom“ Werk macht den Abschluss der Byron-Ära. Auch John Lawton wird gewürdigt mit Songs von „Innocent Victim“ und „Fallen Angel“.

Der kürzlich leider verstorbene geniale Ken Hensley, der maßgeblich den Progsound von URIAH HEEP mit träumerischen Texten und fettem Orgelspiel dominiert hatte, steuert fünfzehn Songs als Empfehlung bei, wobei sich die Auswahl mehrheitlich auf die großen Alben der frühen Siebziger beziehen mit Präferenz zu dem 72er „Demons And Wizard“- und dem 73er „The Magician`s Birthday“- Album. „Falling In Love“ vom „Fallen Angels“ Album fällt da schon fast aus der Reihe.

Der wie Ken Henley 2020 verstorbene langjährige Drummer Lee Kerslake stellt seine Auswahl etwas breit gefächerter auf. Hier findet sich wieder eine Auswahl von der Frühzeit bis Mitte der Achtziger, in dem Fall „The Other Side Of Midnight“ vom „Head First“ Album mit Peter Goalby. Besonders gefällt mir hier „Who Needs Me“ von „Firefly“, dem ersten Album mit John Lawton, welches noch stark an die alten „Heep“ erinnerte. Mit „Stealin“, „July Morning“ und „Rainbow Demon“ sind die ganz großen Werke der Band verewigt und mit ihnen der unvergleichliche David Byron.

Der seit über 30 Jahren die Tasteninstrumente bedienende Phil Lanzon steuert 10 Songs bei, bezieht dabei jedoch primär auf die Auswahl jüngerer Alben mit Bernie Shaw als Sänger, unter anderem der klasse Song „Beetween Two Worlds“ von „Sonic Origami“, welcher David Byron und Gary Thain gewidmet ist, die so jung starben. Ansonsten huldigt er den Klassikern, allerdings nicht den hundertfach gehörten, Am besten gefällt mir hier „A Year Or A Day“ vom 1975er „Return To Fantasy“- Album; ein geiler Song in typischer Heep-Charakteristik, mit wechselnden Tempi und ausdrucksstarkem Text; „Byron At His Best“. Auch die Ballade „Wonderworld“ vom siebten und eher schwachen Album gefällt mir sehr.

Die sechste CD, deren 10 Songs von Bernie Shaw empfohlen wurden, stellen einen gelungenen Querschnitt aus 50 Jahren URIAH HEEP dar. Hier sticht überraschenderweise „Wise Man“, die fantastische Ballade, gesungen von John Lawton, vom 77er Album „Firefly“ hervor. Auch „Tales“, vom „The Magician`s Birthday“ ist herausragend, mit seiner mysteriösen Atmosphäre und der irren Synthesizer-Effekte.

Fazit: Ein Box-Set für Fans. Nichts neues aber ein höchst interessanter Querschnitt durch die Jahre einer der größten Rockbands aller Zeiten, mit alt bekannten aber auch überraschenden Empfehlungen der Bandmitglieder. Erwartungsgemäß ist das über zehnminütige epische „July Morning“, das „Child In Time“ URIAH HEEPs, mit wilder Hammondorgel-Einlagen von Ken Hensley und David Byrons träumerischer, steigernder Stimme und der exzellenten Gitarrenarbeit von Mick Box gleich drei Mal auf den 6 Tonträgern enthalten.

Das ist auch nachvollziehbar, allerdings hätte die Vermeidung von Mehrfachsongs (auch „The Park“ oder „Circus“) vielleicht noch Platz für fehlende große Werke wie „Look At Yourself“, „Return To Fantasy“, „The Wizard“ und andere geschaffen.

Diese Sammlung von 77 Titeln wird durch sechs Kunstkarten vervollständigt, die persönliche Notizen von jedem Bandmitglied und ihre reproduzierte Unterschrift tragen. Fans haben eh alles, andere bekommen einen sehr guten Querschnitt der verschiedenen Epochen einer großartigen Rockband, die progressiven Rock als eine der härtesten Bands der Welt populär machte, die mit Pop-Rock und dem amerikanischen Mainstream kokettierte, wieder den Weg in härtere Gefilde fand und auch heute noch zuverlässig melodiösen Hardrock liefert. (Ebi)

 

Ebi8,5 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 14 (CD 1), 14 (CD 2), 15 (CD 3), 14 (CD 4), 10 (CD 5), 10 (CD 6) 
Spielzeit: 72:00 min (CD 1), 64:50 min (CD 2), 65:30 min (CD 3), 66:20 min (CD 4), 55:01 min (CD 5)
Label: BMG
Veröffentlichungstermin: 24.09.2021

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden