Wucan - Live At Deutschlandfunk

wucan liveatdeutschlandfunkEs mag sein, dass „Live At Deutschlandfunk“ für viele Menschen nur eines von vielen Livealben sein wird, für das Neckbreaker Magazin, für meine Kolleginnen und Kollegen und für mich persönlich stellt dieses Album emotional etwas ganz Besonderes dar. Von daher handelt es sich bei den folgenden Worten auch nicht um eine normale Albumkritik, sondern sie sollen vordergründig ein von Herzen kommender Nachruf auf Andreas Bechtel sein, ein Redakteur und Fotograf unseres Magazins, der im vergangenen Sommer viel zu früh verstorben ist.
Wenn man weiß, wie eng die Beziehung zwischen Andreas, seiner Frau Karin und der Band WUCAN war und wenn man weiß, wie sehr er die Musik dieser Band geschätzt hat, dann kann es kaum eine bessere Gelegenheit als diese geben, um an Andreas zu erinnern.

Dass Andreas nicht nur ein normaler Fan der Band war, kann man daran erkennen, dass WUCAN vorliegendes Album ihm gewidmet haben, nachdem die Band während der Produktion zu diesem Livealbum von seinem Tod erfahren hat. Eine große und besondere Geste in unseren Augen.
Andreas hat die Band seit ihren Anfängen auf ganz vielen Konzerten begleitet, das erste dürfte im Oktober 2015 gewesen sein. Zuerst nur als Fotograf und Redakteur, relativ schnell dann auch als Freund und Förderer der Band.
Etwa zu dieser Zeit (am 11.09.2015) kam auch das Debütalbum der Band „Sow The Wind“ heraus, das ich damals besprochen hatte (Review), weil ich sehr neugierig war, was diese neue Band aus Deutschland so für Musik macht, und ich kann mich noch gut daran erinnern wie Andreas meine Begeisterung für dieses Album und diese Musik direkt teilte.
Ja, es waren gerade die Musik der Band WUCAN und die Begeisterung für die Band WUCAN, die uns seit dieser Zeit miteinander verbunden hatten. Das sollte auch beim zweiten Album „Reap The Storm“ (Review) so sein, das innerhalb unserer Redaktion und ganz generell, eher zwiespältig aufgenommen wurde, weil sich die Band für dieses Album eine ganze Menge an künstlerischer Freiheit herausgenommen hatte und genau das Gegenteil von dem gemacht hat, was man eigentlich von ihr erwartet hatte.

Ähnliches kann man auch zum dritten Album der Band sagen, „Heretic Tongues“, das ohne Übertreibung eines der wichtigsten Alben einer deutschen Band in den letzten Jahren darstellt, weil es die Band endgültig geschafft hat, sowohl künstlerisch mutig als auch eingängig poppig zu klingen, das muss man erst einmal in dieser Form hinbekommen.
Rückblickend betrachtet soll es wohl eine Art Ironie des Schicksals sein, dass die Albumvorstellung zu „Heretic Tongues“ (Review) von Andreas, geschrieben im Mai 2022, einer seiner letzten redaktionellen Arbeiten für dieses Magazin sein sollte. „Heretic Tongues“, das Album, das WUCAN wie beschrieben endgültig zu einer der wichtigsten Bands Deutschlands gemacht hat, ein Album, das ich nach dem Tod von Andreas bis zum heutigen Tag kein einziges Mal mehr gehört habe.

Nun kommt also nach „Heretic Tongues“ das Album „Live At Deutschlandfunk“, das im September 2021 in der Blues Garage Isernhagen aufgenommen wurde, also noch vor Veröffentlichung von „Heretic Tongues“. Wie eingangs erwähnt hat die Band dieses Album mit den Worten „dedicated to photographer, music maniac and dearest of friends Andreas Bechtel“ gewidmet und natürlich widme ich diesen Text unserem Freund und Kollegen.

Womöglich hätte er das so gar nicht gewollt, denn ich habe Andreas immer als bescheidenen Menschen kennen gelernt, der nie selber im Mittelpunkt des Geschehens stehen wollte. Das war vermutlich auch ein Grund, warum neben der Musik die Fotografie eine seiner Leidenschaften war, denn als Fotograf steht man nie im Mittelpunkt, sondern vorne, hinten oder an der Seite der Bühne und kann beobachten. Sicherlich gibt es keine Band, die Andreas häufiger vor der Linse hatte als WUCAN.

In diesem Zusammenhang wäre es sicher spannend gewesen, wenn der Auftritt der Dresdner Band auch in bewegten Bildern festgehalten worden wäre, denn alleine nur das Tondokument macht Lust darauf, sich WUCAN live anzusehen. Auch wenn es mir persönlich nach wie vor schwer fällt, die Musik der Band zu hören.

Neutral und emotionslos betrachtet ist „Live At Deutschlandfunk“ ein sehr hörenswertes Livealbum, das die Energie und den Wahnsinn der Band gut einfängt, auch wenn Livefeeling hier nicht unbedingt im Vordergrund steht. Vergleicht man die Songs mit ihren jeweiligen Studioversionen, dann fällt auf, dass die Band live härter und roher klingt. Da muss dann auch nicht jede Note passen und jeder Ton sitzen, hört man dieses Livealbum, dann hört man eine ehrliche und authentische Band mit einer fantastischen Frontfrau.

Was die Setlist des aufgezeichneten Konzertes angeht, bewiesen WUCAN ein gutes Händchen. Zuerst kommen ein paar alte Songs („Kill The King, „Father Storm“, „Looking In The Past“), dann ein paar neue Songs („Don’t Break The Oath“, „Fette Deutsche“) und dann die experimentellen Sachen wie „Aging Ten Years In Two Seconds“.
Zu dem „Zwischen Liebe Und Zorn“ Cover der KLAUS RENFT BAND hätte ich mir allerdings noch ein paar einläutende Worte gewünscht, damit man auch versteht, warum WUCAN gerade diesen Song übernommen haben.

Vorliegendes Livealbum dauert fast 80 Minuten, wirkt aber ausgesprochen kurzweilig beim Hören, zumal man sich darauf freut, dass am Ende noch der „Wandersmann“ kommt, einer der ganz speziellen WUCAN Songs.
Natürlich ist dieses Livealbum in erster Linie etwas für die Fans der Band. Trotzdem möchte ich WUCAN nochmals allen ans Herz legen, denn es gibt nicht so viele neuere Bands, die 60 Jahre Rockmusik zeitgemäß rüberbringen und dabei trotzdem noch etwas revolutionäres haben, etwas was den meisten neueren Bands fehlt.

Aus persönlichem Blickwinkel wird dieses Album sowieso immer einen Ehrenplatz haben, steht es doch sowohl für Erinnerungen an die Vergangenheit als auch dafür, dass man trotz Schicksalsschlägen positiv in die Zukunft schauen sollte.

Im Namen der gesamten Redaktion: Ruhe In Frieden Andreas. (Maik)

team andreas

Bewertung: 

Maik 20169,0 9 / 10

Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 78:00 min
Label: MiG
Veröffentlichungstermin: 13.01.2023

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