Ein Knallerpaket für Saarbrücken kündigt sich bereits zum Winteranfang an. Knüppel aus dem Sack ist hier definitiv angesagt, auch wenn nicht alle teilnehmenden Bands dem Motto uneingeschränkt folgen. NAPALM DEATH mit EYEHATEGOD – ob das gut geht?
Fahren wir also erst mal nach Saarbrücken auf Parkplatzsuche. Dort zum Apothekertarif angekommen verpasse ich direkt die ersten Schläge des Openers, denn diese begannen schon überpünktlich zum Feierabendtermin um 17:30 Uhr in der rar gefüllten Garage.
BAT
Drei Buchstaben, drei Mann, eine Linie, ein Strahl. Thrashige MOTÖRHEAD erwarten die spärlichen Zuschauer, die sich vor der Bühne tummeln, um sich eine neue, wenn auch nicht mehr ganz junge Band zu gönnen.
Alt und verlebt trifft es da eher – Hosen wie eine zweite Haut, Stirnband, Nieten – das sagt schon vieles, den Rest erledigt die Musik, die auch gerne mal auf alte SODOM schielt.
Ein Nackenbrecher nach dem anderen sorgen für steigende Begeisterung. Die Jungs aus Richmond finden das auch dufte , und so haben BAT leichtes Spiel auch ohne Full House.
ROTTEN SOUND
HM-2 is the law! Das an den Schwedentod erinnernde Gitarrengesäge lässt so manches Herz höher schlagen, dazu brutales hardcorelastiges Gegröle und ein derbstes Drumschau- und hörspiel. Inmitten der extremen Geschwindigkeit platziert sich hier und da ein Breakdown, der die alten AUTOPSY vermissen lässt. Eine halbe Stunde ist gerade ausreichend, um die Grenze bis zum Kollaps zu erreichen. Soviel Energie wird normalerweise erst in der dreifachen Spielzeit erreicht. Alle Achtung vor ROTTEN SOUND, solche Sounds ist man normalerweise in anderen Regionen Skandinaviens gewöhnt.
MISERY INDEX
Die vier Jungs aus Baltimore stehen für hochwertigen und spektakulären Grindcore, Allen voran Drumlegende Adam Jarvis, der kraftvoll und dennoch ultrapräzise für ordentliches Fellverdreschen steht. Dazu der kehlige und rotzige Growl von Basser Jason Netherton und Gitarrist Mark Kloeppel, der zusammenn mit seinem Klampfenpartner Darin Morris einen breiten und fetten Gitarrenteppich ausrollt. Der technisch anspruchsvolle Extreme Metal klingt zusammen mit dem abwechselnden Gesang ein wenig wie DYING FETUS – da gibt es schlimmere Vergleiche. Dem Umstand ist es auch geschuldet, dass MISERY INDEX nie langweilig werden, da sie immer noch Crustcore-mäßig mit Grooves und Midtempo-Stampfer für mehr oder weniger sanfte Nicker sorgen.
EYEHATEGOD
Die Kings Of Sludge wollten irgendwie so gar nicht ins knüppelige Billing des Abends passen, ist doch eher Trägheit ihr Steckenpferd. Aber dennoch wurden sie vom breit gefächerten Publikum wohlwollend aufgenommen und gegen Ende sogar regelrecht abgefeiert. Mike IX war sich nicht sicher, ob die Menge ihn überhaupt verstand, als jedwede Reaktionen seitens des Publikums anfangs weitestgehend ausblieben. Dafür gab es dann mal den ein oder anderen Mittelfinger, aber das gehört nun mal zum guten Ton und Bühnenbild von EYEHATEGOD. Zur Freude aller war Jimmy Bower zumindest in der zweiten Hälfte des Sets einigermaßen gut gelaunt. Seine Auszeit scheint sich also zum Positiven entwickelt zu haben, man erinnert sich nur an den August 2019...
Ansonsten alles wie gewohnt, keine großen Überraschungen, gewohnt souverän und unterhaltsam ging es eine Dreiviertelstunde zu, in denen die Jungs aus New Orleans mehr als nur Corona mitgebracht haben.
NAPALM DEATH
Die Zeit ist endlich gekommen, NAPALM DEATH entern die Bühne zum Intro „Discordance“, dem Opener aus „Utopia Banished“. Die Gentlemen aus Birmingham sind unangefochten der Favorit nicht nur diesen Abends, auch wenn sie schon mehrfach in Saarbrücken zu Gast waren. Aber jedes Mal knüppeln sie sich wieder in die Herzen der Grindfamilie, so auch heute Abend. Auch wenn es hier und da ein paar technische Pannen rund um Basser Shane gab, war die Macht aus England ungeschlagener Meister der Szenerie. Wieder mal haben sie die Setlist geändert, wieder mal fand große Interaktion mit dem Publikum statt, und wieder mal erhielt Frontschwein Barney die volle Aufmerksamkeit und Zustimmung bei seinen teils ausgedehnten und teils deutschen Ansprachen.
Das Publikum war ganz auf der NAPALM Seite, manchmal sogar direkt, wenn es ums Stagediven ging, was angesichts der spärlichen teils trägen Leute vor der Bühne ein recht schwieriges Unterfangen war trotz fehlendem Fotograben. Selbstredend wurden die zwei Songs der neuen Single „Logic Ravaged By Brute Force“ vorgestellt, bei der sich Barney zwischen dem rasenden chaotischen Linksmachen über die gesamte Bühne sehr gut gelaunt zeigte und auch mal zu einem kleinen Plausch in der Landessprache bereit war. Kein Wunder, für NAPALM DEATH ist diese Tour wie ein Klassentreffen mit alten Bekannten. Für Barney war Jimmy Bower der Held der Tour, da er in Jogginghose und Schluffen die Gigs absolvierte - „He rocks the crocs!“
Das Set endete in infernalischem Krach ("The Lifeless Alarm"), während Mister Greenway mit dem Kopf in die Bassdrum krabbelte und dort artfremde Laute projizierte. Ein gelungener Abschluss einer weiterhin ursymapthischen Truppe.
Setlist NAPALM DEATH:
Discordance
I Abstain
Silence Is Deafening
The Wolf I Feed
Can't Play Won't Pay
Social Sterility
Scum
Fatalist
Logic Ravaged By Brute Force
Suffer The Children
If The Truth Be Known
Human Garbage
When All Is Said And Done
Mass Appeal Madness
Unchallenged Hate
You Suffer
Smash A Single Digit
Cleanse Impure
Dead
Nazi Punks Fuck Off
White Kross
The Lifeless Alarm
Diese Kampagne zeigte wieder einmal nicht nur, dass Musik nicht immer nur schön sein muss, um erfolgreich zu sein, sondern auch Leute zusammenbringt, die miteinander arbeiten und nicht gegeneinander. An diesem Aschermittwoch war trotz aller Härte und Brutalität eine positive Stimmung zu verzeichnen, die aufzeigte, wie wichtig Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung sind, um ein derart unterhaltsamen Abend zu ermöglichen. Wie gut, dass wir noch die Garage haben, die einer solchen Tour einen Abstecher gönnt. (Jochen)
(Fotos: Klaus)