Ich weiß schon gar nicht mehr so genau unter welchen Umständen ich Ende 2017 auf DYSTOPIAN FUTURE MOVIES gestoßen bin. Vielleicht ist mir der Name aufgefallen unter den zahlreichen Veröffentlichungen in dem Jahr und er hat mich magisch angezogen, sodass ich neugierig weiter nachgeforscht habe wer dahintersteckt und wie es wohl klingen mag.
Bevor ich zum neuen Album „Inviolate“ meine Gedanken schreibe, möchte ich für all diejenigen, die jetzt erst die Band entdeckt haben, das erste Album erwähnen.
„Time“, so der Titel, hat von seiner Sogwirkung auf mich kein Stück nachgelassen.
Neben der Musik zog mich das leicht entrückte, gespenstische Artwork des Albums ebenfalls in seinen Bann.
Caroline, so stand es damals in der Beschreibung, spielt Gitarre und singt, ein Bill Fisher spielt Schlagzeug und Bass.
Der Sound der Band, irgendwo zwischen SONIC YOUTH und CHELSEA WOLFE, findet auf jeden Fall auf der eher schattigen bis dunklen Seite des Lebens ab. Entsprechend sind auch die Texte der Songs, die bei genauem Hinhören Schmerzen bereiten. Selten werde ich von solchen Stücken wie „Wasteland“ oder „Dissonant Aggressors“ so aus der Realität gerissen. Die bedrückende Atmosphäre, der Halleffekt, die dissonanten Melodien und Klangfragmente hüllen mich ein, als wäre ich plötzlich in einem Kokon gefangen. Der Gesang wirkt hypnotisch, verzweifelt, hoffnungslos bis anklagend. Dazu kommt diese sich aufbäumende Schwere der mächtigen Gitarrenwand.
2019 gab es dann ein neues Lebenszeichen in Form der „Beholden To The Flame“ EP, die leider im Strudel der Zeit an mir vorbeiging. Ich bin jedoch beim Newsletter von DYSTOPIAN FUTURE MOVIES angemeldet und habe deshalb glücklicherweise die Ankündigung zum neuen Album „Inviolate“ mitbekommen, und das wollte ich nicht verpassen.
Mittlerweile ist das Baby zur ausgewachsenen Band herangewachsen. Gitarrist Rafe Dunn and Bassist Oisín O'Doherty sind zu Caroline Cawley und Bill Fisher (welcher nach wie vor auch am Schlagzeug sitzt, aber auch das Album produziert hat) gestoßen, um den Nachfolger von „Time“ zu erschaffen.
Gleich zu Beginn des Albums, bekommt man mit dem Stück „Countenance“ vermittelt, dass DYSTOPIAN FUTURE MOVIES sich selbst treu bleiben, den Sound und die Finesse jedoch auf ein höheres Niveau hieven. In den ersten paar Sekunden ist schon die ganze Essenz der Band zu erleben. Wirklich clever komponiert. Man wähnt sich in Sicherheit und wird in der nächsten Sekunde von einer harten Soundwand hinfortgerissen. So geht das dann ein paar Mal, bis man entweder Halt gefunden hat, oder sich einfach davon wegtragen lässt - ganz nach Lust und Laune. Da hat sich im Vergleich zum ersten Album nichts geändert. Die Band vertont gekonnt Stimmungen wie Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit.
Der schon erwähnte Sound und die bedrückende Atmosphäre ziehen sich durch das mit knapp 35 Spielminuten recht kurz gehaltene Album. Dabei unterstützt die Komposition jederzeit den Text und umgekehrt. „Kathleen“ bedrückt mit Schlichtheit in der Instrumentierung, reduziert auf Gitarre und Gesang. Dafür drückt „Black-Cloaked“ mit Wucht und Spannungsbögen. Ich würde schon beinahe „Tanznummer“ dazu sagen. Ein gewisser Vibe von Gothicrock und Darkwave der Achziger schwingt immer mit.
Zur tieferen Bedeutung des Album schreibt die Pressemitteilung dazu (aus dem Englischen übersetzt): „Auf dem Coverartwork, welches Bilder eines verlassenen Tuberkulose-Sanitoriums in Carolines Heimat Irland enthält, basieren einige der lyrischen Themen. „Kathleen" ist ein solches Lied, inspiriert von der Geschichte eines jungen Tuberkolose-Opfers, die bei Nachforschungen rund um das heruntergekommene Gebäude und seiner Geschichte entdeckt wurde. Der Albumtitel selbst bedeutet: rein, sicher vor Verletzungen, geschützt oder heilig und beschreibt diese Protagonistin, die ohne Familie gelitten hat und gestorben ist, als eine Art Märtyrer mit einen tiefen Glauben an religiöse Erlösung.“
Die gruseligen Geschichten der Heime des katholisch geprägten Irland wurde ja erst jüngst angefangen aufzuarbeiten. Da gibt es für Künstler so einigen Stoff zu erforschen. Nicht auszudenken, welch gruselige Geschichten da noch lauern. Caroline werden die Songideen so schnell nicht ausgehen.
DYSTOPIAN FUTURE MOVIES legen mit „Inviolate“ eine ordentliche Schippe obendrauf, verfeinern das Songwriting und geben dem Sound der Band mehr Kontur, was sicher auch daran liegt, weil man fortan als richtige Band probt und so zu einer Einheit verschmolzen ist. Die Produktion des Albums ist transparent und druckvoll, lässt jedoch bei lärmigen Passagen etwas zu wünschen übrig, da es dann schnell verwaschen und komprimiert klingt. Insgesamt würde ich dazu „roh“ und nicht Effekt-überladen sagen, was der Kokon-artigen Atmosphäre eher schaden würde, als das es zuträglich wäre. Der Gesang in seiner Dynamik wurde hingegen behutsam eingefangen, denn immerhin macht dieser einen Hauptteil der Lieder aus in diesem dystopischen Hörbuch.
Immer wenn ich nun Heavy Metal Bands von Härte und Brutalität faseln höre, die sie dann zu Höchstgeschwindigkeitsgeschraddel vorführen, muss ich grinsen. Nichts ist so hart und brutal wie das Leben eines Mädchens in einem Heim im katholischen Irland. (Andreas)
Bewertung:
8,5/ 10
Anzahl der Songs: 7
Spielzeit: 34:48 min
Label: Lasairfhíona Records
Veröffentlichungstermin: 02.03.2020