Wenn der Name einer Band im Underground laut geflüstert wird, dann sollte man durchaus mal hinhören bzw. reinhören. Leider habe ich den ein oder anderen Gig von GREEN LUNG nicht mitbekommen oder auch aus Unkenntnis verpasst, aber das wird sich die nächste Zeit sicher noch ändern.
Über GREEN LUNG wurde in den sozialen Netzwerken oft getuschelt und zwar so oft, dass mir beim Durchscrollen der Liste der anstehenden Veröffentlichungen der Name sofort ins Auge gesprungen ist und ich mir das Album für eine Review habe schicken lassen.
Aber was hat denn diese Band aus UK zu bieten und warum freuen sich alle Freaks auf das neue Album? Was spielen die denn überhaupt?
Um das rauszufinden hab ich mir erstmal alle vorherigen Veröffentlichungen reingezogen. Bei Bandcamp findet man ein Demo aus dem Jahr 2017, eine EP namens „Free The Witch“ und das erste Album „Woodland Rites“, auf dem das vorherrschende Thema eher folkloristischer und heidnischer Natur war - quasi ein Konzeptalbum.
Leute, das ist feinster Doom, Sorte edelbitter! Nach den ersten Takten des neuen Albums „Black Harvest" wird schnell deutlich, dass GREEN LUNG im Vergleich zum ersten Album „Woodland Rites“ hier nochmal den Sound veredelt haben und auch die Songs griffiger und zugänglicher erscheinen. Thematisch wirkt es düsterer und ernsthafter und auch die Umstände, in denen das neue Album entstanden ist, waren denkbar anstrengend. Man musste den Abgang von Bassist Andrew verkraften, durch die ersten Lookdowns war Proben unmöglich, Konzerte spielen ebenso. Da ist Durchhaltevermögen und Verbissenheit gefragt, um an schon ausgearbeiteten Songideen weiter dran zu bleiben.
„Black Harvest“ atmet Herbst aus und die Düsternis einer bedrückenden Zeitperiode. So startet das Album mit „The Harrowing“ welches teils in einer leerstehenden Kirche in ihrer Gegend aufgenommen wurde, in welche die Band eingedrungen ist und auch die dort vorhandene Orgel musste herhalten. Orgel bzw. Organ gibt es zu den Doomriffs eh in jedem Lied, welche mal merklich, mal unmerklich vor sich hin wabert (oder lesliet? (Leslie-Effekt))
Es ist unfassbar welches Gespür für hitverdächtige Songs GREEN LUNG an den Tag legen.„Leaders Of The Blind“ und das folgende Stück „Reapers Scythe“ fräsen sich in die Gehörgänge und bleiben dort als Ohrwurm stundenlang hängen. Die weit herausstechende epische Hymne „Graveyard Sun“ begeistert den Hörer mit akustischer Gitarre und wechselt sich mit fetten Riffs ab. Der manchmal zu quäkende Gesang ist hier jedoch mehr als passend. Klagend, erzählend, predigend, mahnend. Das über weite Strecken abwechslungsreiche und dynamische Werk ist gespickt mit Überraschungsmomenten und lässt einen auch nach dem x-ten mal Hören immer wieder Neues entdecken. Das Titelstück „Black Harvest“ kommt ohne den Gesang von Tom aus, hat jedoch einen gregorianisch wirkenden Chor als Hintergrund-Sample.
Das kompakte „Upon The Altar“ hat was von AVATARIUM. Jedoch ist es müßig hier Vergleiche zu anderen Bands anzustellen, denn GREEN LUNG verstehen es sehr von den Pionieren bis zu aktuellen Vertreten der Spielart des Doom-Metal, das Wichtigste abzugreifen und zu bemerkenswerten Stücken mit hohem Wiederkennungswert zusammenzuschmelzen. Hier folgt Hit auf Hit. Keine langatmigen Lieder mit ausufernden Soli oder Jamcollagen. Das ist überraschend gut und im starken Kontrast zu so vielen anderen Vertretern dieses Genres.
„Born To A Dying World“ schliesst und rundet „Black Harvest“ ab, wobei der Song wie ein Cliffhanger offen ausklingt, damit man womöglich beim nächsten Album da anknüpfen kann.
Die Klangqualität des Albums ist jederzeit über alle Zweifel erhaben. Die Produktion drückt, schwebt aber gleichzeitig im Raum, ist transparent und die Instrumente sind klar definiert. Da wurde aufs Detail geachtet um die Stimmung nicht durch Überkomprimierung zu zerstören, wie man es die Tage so oft erleben muss.
Mit „Black Harvest“ werden sich GREEN LUNG schnell einen größeren Fankreis erspielen, sobald Konzerte wieder uneingeschränkt möglich sind. Bis dahin müssen die Doom-Jünger ausserhalb der Britischen Inseln mit dem womöglich besten Doommetal-Album des Jahres auf Platte, CD oder mittels Streaming vorlieb nehmen. (Andreas)
Bewertung:
9 / 10
Anzahl der Songs:10
Spielzeit: 43:07 min
Label: Svart Records
Veröffentlichungstermin: 22.10.2021