DEZPERADOZ wurde bereits 2000 unter dem Namen DESPERADOS gegründet und änderte die Schreibweise des Bandnamens 2006. Obwohl ich von 2008 bis 2010 in Heidelberg lebte und damals über MySpace in Kontakt zum ehemaligen Bassisten Alex Weigand, der dort noch immer das Absolut Tattoo betreibt, hatte, tauschte man sich damals mehr über Tattoos, die mich als Kunstform sehr interessieren, als über die Musik seiner damaligen Band aus. Natürlich war mir der Name DEZPERADOZ bekannt, doch aus welchen Gründen auch immer, irgendwie habe ich es damals nie hinbekommen mir mal einen Gig der Jungs anzusehen. Nach meinem Umzug nach Hannover und dem schleichenden Tod von MySpace brach der Kontakt leider ab.
Ganze vierzehn Jahre sollten vergehen, bis DESPERADOZ erneut auf meinem Radar auftauchten. Zu verdanken ist dieser Umstand Matt von El Puerto Records, der mir das neue Album einfach zuschickte. Dieses hört auf den Namen „Moonshiner“, erscheint am 21.06., und ist erst das sechste der Heidelberger. Jeder, der die Band kennt, weiß, dass diese ein Faible für Konzeptalben hat. Und so ist auch das neue Werk wieder eine Konzeptscheibe geworden.
Allerdings entführen uns Alex Kraft (Gesang, Gitarre), Manuel Mandrysch (Bass), Lars Nippa (Schlagzeug) und Andi Kiesel (Gitarre) hier nicht in den Wilden Westen, sondern in die Zeit der amerikanischen Prohibition. Diese war das landesweite Verbot der Herstellung, des Transports und des Verkaufs von Alkohol durch den 18. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von 1920 bis 1933. Damals beugte sich der Senat dem erheblichen Druck der Erhaltungsbewegung und ratifizierte den Artikel schließlich am 16.01.1919. Präsident Woodrow Wilson legte zwar sein Veto ein, dennoch verabschiedete der Kongress das Gesetz am 28.10.2019. Man hoffte wohl das Land damit trockenlegen und den weitverbreiteten Alkoholismus eindämmen zu können.
Es muss wohl nicht extra erwähnt werden, dass man damit kläglich scheiterte. Die illegale Produktion und Verbreitung von Alkohol breitete sich rasch aus und die Regierung hatte nicht die Mittel und den Willen, jede Grenze, jeden Fluss oder See und jedes Speakeasy (englisch „Flüsterkneipe“) in Amerika zu überwachen. Das freute natürlich die Schmuggler und Schwarzbrenner, welche den Alkohol mit präparierten LKWs und Schmuggelschiffen über Mexiko und Kanada ins Land schafften. Leuten wie Al Capone und Johnny Torrio gelang es, eine regelrechte „firmeneigene“ Alkohol-Industrie aufzubauen, in der sie das Verbot durch überhöhte Preise auszunutzen verstanden. Doch auch das Brauen und Destillieren in häufig von Einzelpersonen aus der Unterschicht unterhaltenen illegalen Kleinstbetrieben, das sogenannte „Moonshining“ stieg rapide an. Dazu muss man allerdings wissen, dass der damalige „Schwarzgebrannte“ mit dem hippen Kram unserer Zeit nur wenig bis nichts zu tun hatte. Wer beim Destillieren und Brennen des Hochprozentigen nicht höllisch aufpasste, dem flog entweder die komplette Destille um die Ohren, oder er war nach dem Konsum wahlweise blind oder tot.
Doch damit genug des historischen Exkurses. Auch wenn das Thema für mich sehr interessant ist, da mir mein Opa väterlicherseits mal ganz genau erklärt hat wie eine Destille funktioniert. Woher er das wusste? Nun ja, wenn deine Eltern eine im Schuppen stehen hatten weißt du natürlich wie es geht. Aber zurück zu DESPERADOZ und „Moonshiner“.
Dieses startet mit „Evil Wayz“ sehr gelungen. Mich erinnert der Song extrem an SKID ROW in der guten alten Zeit als da noch ein gewisser Sebastian Bach hinterm Mikro stand. Geile Nummer, die sofort hängenbleibt. Eine Spur heftiger wird es mit dem folgenden „Straight Between The Eyes“. Hier gibt sich ein alter Bekannter die Ehre. Kein Geringerer als Tom Angelripper teilt sich hier den Gesang mit Alex Kraft. Für einen Song wie „Moonshine“ würden VOLBEAT wohl locker ihren rechten Arm geben. Man sieht, das Eröffnungstrio der Scheibe könnte nicht besser gewählt sein.
„Man Of Constant Sorrow“ dürfte so manchem bekannt vorkommen. Ja, das Stück stammt tatsächlich aus „O Brother, Where Art Thou?“ und wird dort von George Clooney „gesungen“. Was DEZPERADOZ daraus gemacht haben, gefällt mir wesentlich besser. Wer der bessere Sänger ist, dürfte eh klar sein. „River“ ist ein klassischer Countrysong und meine absolute Lieblingsnummer auf dem Album.
Sieben lange Jahre haben Alex Kraft und seine Mitstreiter uns auf „Moonshiner“ warten lassen. Doch das war es absolut wert. (Matthias)
Bewertung:
9,5 / 10
Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 55:25 min
Label: El Puerto Records
Veröffentlichungstermin: 21.06.2024