Sweden Rock Festival (08.-11.06.2022, Sölvesborg (S)) - Samstag, 11.06.2022

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Samstag, 11.06.2022

NESTOR (Sweden Stage)

Sie scheinen aus dem Nichts gekommen zu sein, und plötzlich sind sie in aller Munde. Die schwedische Hardrockband NESTOR wurde eigentlich schon 1989 gegründet, als die Jungs 14 Jahre alt waren, aber wurde wenige Jahre später wieder aufgelöst. Der Sänger, Songwriter und Produzent Tobias Gustavsson machte weiterhin Musik und hat über die Jahre mit vielen großen Künstlern zusammengearbeitet. Letztes Jahr fand die Reunion statt und im Oktober wurde ihr Debütalbum ”Kids In A Ghost Town” veröffentlicht, das fantastische Reaktionen bekam. Jetzt sind sie plötzlich auf dem Sweden Rock Festival und ich war sehr neugierig auf ihr Konzert.

Gustavsson hatte im Vorfeld gesagt, dass die Band sich immer im Klaren darüber war, wie sie klingen sollte. „1986-1989, da hat man alle Referenzen, wie KISS, MÖTLEY CRÜE, EUROPE. Fast alles mit Melodien. Wir haben uns nicht zurückgehalten, stattdessen sind wir in Details eingetaucht und haben die Musik ihre Wege finden lassen.“ Die anderen Bandmitglieder sind seine Freunde aus der Kindheit, Gitarrist Jonny Wemmenstedt, Bassist Marcus Åblad, Martin Frejinger am Keyboard und Mattias Carlsson hinter dem Schlagzeug.

Es wurde die größte Menschenmenge die es jemals vor der Sweden Stage gegeben hatte. NESTOR brachen den Publikumsrekord mit beinahe 14.000 Zuschauern. Ein lautes Jubeln war bereits zu hören bevor sie überhaupt die Bühne betraten. Die neue Lieblingsband der Schweden überwältigte uns mit Hard Rock im 80er-Jahre-Stil. Die Refrains waren sehr eingängig, von daher war es leicht mitzusingen, selbst wenn man die Songs noch nie zuvor gehört hatte.

Die Band hatte Erfolg mit ihrer Single “On The Run” und dem Duett mit Samantha Fox, “Tomorrow”. Diese beiden wurden natürlich gespielt und anstelle von Fox sang die schwedische Sängerin Lollo Gardtman. Der Gesang der Gastsängerin war sehr gut und diese langsame Melodie waren schön und kraftvoll, sogar in dieser Liveversion. Tobias hat eine phänomenale Stimme, was man unter anderem auch in ”These Days” hören konnte. Das Stück hatte einen wundervollen Sound und Wemmenstedt war bei seinem Gitarrenspiel absolut überragend.  

Während des Songs “Firesign” gabe es Pyrotechnik in Form von Feuer – natürlich. Die Hard-Rock-Musik war von der härteren Sorte. Dann spielten sie „1989“, das erste Lied, das die Gruppe geschrieben hatte. Vorab zu ihrer demnächst erscheinenden Deluxe Edition spielten sie ein neues Stück, „Lose The Game“ das auf dem Sweden Rock Premiere feierte. Das Publikum bestand aus vielen Fans und ich bin überzeugt, dass die Gruppe auch neue gewann, sogar ausländische Besucher, die komplett fasziniert wirkten. „Das ist wirklich sehr gut!“ sagte ein Typ neben mir, mit einem großen Lächeln. Das Meer von Menschen sang beinahe die ganze Zeit mit.

Von ihrer Wiedervereinigung über die Veröffentlichung ihres ersten Albums, bis zu ihrem Auftritt auf dem Sweden Rock vor einem großen Publikum, sagte Tobias: „Das fühlt sich so unwirklich an. Normalerweise arbeiten wir mit anderen Sachen, Martin als ein Schulleiter, Marcus als Polizeibeamter, aber heute sind wir Rock Stars!“ NESTOR haben all das Lob, das sie bekommen, redlich verdient. Ihr Auftritt war sogar besser, als ich erwartet habe. Der Sänger war voller Energie. Er nutzte die ganze Bühne und hielt guten Kontakt zum Publikum. Ich hatte ihr Album, das gut ist, gehört, aber die Songs waren live viel besser. Das Konzert wurde eine positive Überraschung. Die Mitglieder und die Musik fühlten sich authentisch und echt an. Sie liebten es, dort zu sein und ihr Enthusiasmus und ihre Freude gingen auf uns alle über.

Der Frontmann ging am Bühnenrand auf die Knie und sang den letzten Song. Es wurde sehr atmosphärisch. Es gab ein paar Regentropfen gleich zu Beginn des Konzert, aber die Musik schien den Regen davongeblasen zu haben und als der Refrain begann, schien die Sonne heller als je zuvor. Ich habe noch nie solch eine Liebe und Wärme zwischen einer Band und ihrem Publikum erlebt. Es war absolut faszinierend. Die Kerle auf der Bühne waren komplett überwältigt und berührt. Sie sagten „Wir werden euch wiedersehen!“. Ja, das glaube ich ganz fest. NESTOR kamen um zu bleiben und sie sind auf jeden Fall einer meiner Favoriten auf dem diesjährigen Festival. (Anna)

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Social Distortion (Festival Stage)

An Tag 4 merkt man dann doch, wie unsere Kraftreserven so langsam schwinden. Wir erinnern uns: Am ersten Tag noch morgens knapp 10 km gewandert, schloss ich mich heute meiner Kollegin Anna an und wir genehmigten uns etwas längeren Schlaf als die Tage zuvor. Superschade für HONEYMOON SUITE, die ich mir eigentlich anschauen wollte, aber sorgsam mit Kräften haushalten ist eben auch wichtig.  Eigentlich wollte ich mir dann ohne jede Redaktions-Verpflichtung NESTOR anschauen, aber auch das war mir nur für ein paar Songs gegönnt, fand ich doch eine Mail vor, die schnelles Handeln erforderte, sollten unsere Leserinnen und Leser zu diesem Bericht auch Fotos von SOCIAL DISTORTION wiederfinden wollen: Eine extra Foto-Akkreditierung war notwendig. Zwei Stunden vor dem Gig ist so etwas auf jeden Fall sportlich. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass am Ende weniger als ein Dutzend Personen hier fotografierten. Anyway … 

Der SOCIAL DISTORTION Gig sollte ein weiterer Höhepunkt des Festivals werden. Die Band begleitet mich schon so viele Jahre und es war nun immerhin auch schon 13 Jahre her, dass ich sie zuletzt gesehen hab. Umso größer war natürlich die Vorfreude. Und es tat definitiv gut, die Band um den charismatischen Frontmann Mike Ness wiederzusehen. Nach über einem Jahrzehnt sichtlich gealtert zwar, aber seine inzwischen 60 Jahre sieht man ihm definitiv nicht an. Seine legendäre Goldtop mit der Aufschrift „Orange County“ und dem Woodpecker Cartoon ist auch nach wie vor am Start. Diesmal ergänzt um eine Rose am Gitarrenkopf.

Ein wenig irritierend fand ich zum einen teilweise das Tempo, mit dem die Songs gespielt wurden. Teilweise hatte man den Eindruck hier jeweils eine Slo-Mo Version der bekannten Klassiker zu hören zu bekommen. Es wurden auch ein paar Verzögerungen in den Gesang eingebaut Insbesondere deutlich wurde dies be bei einem meiner Lieblings-Tracks „Dear Lover“. Der klang dann irgendwie eher nach „Dear Lo-o-ver“, als hätte die Platte irgendwie einen Sprung. Zum anderen fand ich insgesamt auch die Song-Auswahl nicht ganz gelungen. Ich hätte mir zum Beispiel noch das ein oder andere Lied der „Sex, Love And Rock `N` Roll gewünscht. 

Politische Ansagen durften auch nicht fehlen. Bevor Ness "Don`t Drag Down" anstimmte, wies er darauf hin, dass er den Song bereits 1994 als antirassistisches Statement geschrieben habe. Und diese Botschaft sei heute vielleicht wichtiger als je zuvor.

Nichtsdestotrotz: Die Stimmung war ausgelassen und die Fans sangen mit und tanzten. Hinter mir schrie einer (!) auf Deutsch "Mike ich will ein Kind von dir!" - Ness steht also nach wie vor hoch im Kurs. Haha. Im Eifer des Gefechts wurde ich ein paar mal angerempelt. Mir machte das überhaupt nichts aus, aber hier zeigte sich mal wieder die Höflichkeit und Aufmerksamkeit des Publikums. Ein junger Mann rechts von mir bot mir gleich an den Platz zu wechseln, damit ich hier nicht zwischen die Fronten geriete. Dies lehnte ich dankend ab, hab mich aber dennoch sehr über die nette Geste gefreut. Aber auch einer der Tanzenden entschuldigte sich extra nochmal nach der Nummer. Das gibt es echt auch nur in Schweden.

Insgesamt blieb die Band sicherlich hinter meinen Erwartungen (und den Erfahrungen) zurück. Gefreut hat es mich dennoch sie mal wieder zu sehen. Wie alle anderen sang ich deshalb zum Abschluss das obligatorische „Ring of Fire“-Cover lauthals mit. (Manu)

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NIGHT RANGER (Rock Stage)

Was hätte besseres auf SOCIAL DISTORTION folgen können als die energiegeladene amerikanische Combo NIGHT RANGER. Die fünf Musiker machten von der ersten Minute an keine Gefangenen und vor allem eins: Ganz viel Stimmung. 

Ein wenig Ehrfurcht empfang ich, als Sänger Jack Blades vom Publikum wissen wollte, wer denn schon vor 40 Jahren bei Gründung der Band im Jahr 1982, meinem Geburtsjahr, unter uns war. Während man dem ein oder anderen Musiker auf dem Festival die Alterung deutlich ansah, waren diese hier alle so frisch und vor Power strotzend, wie man es sich von einer guten Hardrock Band wünscht. Insbesondere die beiden Gitarristen Brad Gillis und der 2014 zur Band gestoßene Keri Kelli sind richtig coole Socken und machten verdammt viel gute Laune. Letzteres beweist auch immer wieder sehr viel Style. Godamnit!

Ein absolutes Highlight wurde in der Mitte des Sets präsentiert, als zum nach der Band benannte Track „Night Ranger“ plötzlich Blades, Kelli und Gillis gemeinsam mit Schlagzeuger Kelly Keagy eine fantastische Drum-Performance hinlegten. Als echt großartig empfand ich übrigens auch die Songs, bei denen Keagy den Gesang übernimmt. 

Ein bisschen albern für erwachsene Menschen, aber noch nicht wirklich peinlich, waren die Alkohol-Referenzen auf den Shirts von Blades (Cartoon Bierglas) und Keagy („1 Tequila. 2 Tequila. 3 Tequila. Floor“)

Das Finale mit den Hits „When You Close Your Eyes“, „Sister Christian“ und „Don`t Tell Me You Love Me“ war wirklich grandios. Für mich war spätestens hier klar: Das war vermutlich einer der besten Auftritte des Festivals. (Manu)

Setlist NIGHT RANGER
(You Can Still) Rock in America
Touch of Madness
Four in the Morning
Sing Me Away
Coming of Age
Breakout
Night Ranger
High Enough
When You Close Your Eyes
Sister Christian
Don`t Tell Me You Love Me

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HARDCORE SUPERSTAR (Festival Stage)

Eine Verschnaufpause sollte es auch jetzt nicht geben, denn weiter ging es sofort mit HARDCORE SUPERSTAR, den wohl mit Abstand jüngsten Musikern des heutigen Tages, wobei die nun ja auch bereits seit 25 Jahren am Start sind.

Während das für die Festival Stage viel zu kleine Backdrop von SOCIAL DISTORTION, welches nur einen kleinen Teil der Bühne ausfüllte, eher mickrig aussah, wurde bei den Schweden um Frontmann Joakim „Jocke" Berg eher geklotzt denn gekleckert. So war das neue Albumlogo in vielfacher Hinsicht grafisch und mit Aufstellern zum Leben gebracht worden. Es macht aber auch irgendwie einfach einen Unterschied, wenn die Bühne hier was zu bieten hat. Gut gefallen hat mir auch, dass Drummer Magnus Andreasson mit seinem schmucken grünen Drumset sehr gut sichtbar platziert war. Das scheint immer mehr in Mode zu kommen - gut so!

Die Vier gingen wie zuvor NIGHT RANGER sofort mit „Catch Me If You Can“ in die Vollen. Auch hier war der Powerbutton bis auf Anschlag durchgedrückt und die Band lieferte ab wie nimmermüde Duracell-Hasen. Natürlich konnte es sich Berg wie gewohnt nicht nehmen lassen den ein oder anderen Besuch ins Publikum zu unternehmen.

Bisher hatte ich die Jungs vor allem in kleinen Clubs in Deutschland gesehen und ich muss sagen: Auch die große Festival-Bühne im Heimatland beherrschen sie ohne Abstriche. So war es als jemand, die eigentlich sehr die Vorzüge der kleinen Club und die damit verbundene Intimität zwischen Publikum und Band sehr schätzt, echt toll zu sehen, dass sie das Handwerk auch vor großer Kulisse beherrschen. Trotzdem konnte ich mir nicht den Gedanken erwehren, dass es doch noch einen Unterschied zwischen ihrer und der gerade zuvor gesehenen Performance gibt. Aber vermutlich lag da die Messlatte angesichts des frischen Eindrucks auch echt hoch.

Es mag jedoch vielleicht auch einfach daran gelegen haben, dass ein großer Anteil der gespielten Songs vom neuen Album „Abrakadabra“ stammte. Das hatte mich im Vergleich zu den hochkarätigen Vorgängern eher enttäuscht gehabt. Dennoch war ich spätestens bei Songs wie „Last Call for Alcohol“ oder „We Don`t Celebrate Sundays“ versöhnt. 

Den Abschluss machte natürlich „You Can`t Kill My Rock`n`Roll“ und hier konnte man Berg bei der Ansage durchaus seine Emotionen der Freude über den Gig anmerken. Freudig verkündete, dass es sein Song sei, aber auch der des gesamten Publikums. Insgesamt ein echt solider Auftritt. (Manu)

Setlist HARDCORE SUPERSTAR
Catch Me If You Can
Influencer
Dreamin’ in a Casket
Wild Boys
Electric Rider
Forever and a Day
Liberation
Weep When You Die
Above The Law
Last Call for Alcohol
Moonshine
-------------------------------------------
Abrakadabra
We Don`t Celebrate Sundays
You Can`t Kill My Rock`n`Roll

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WALTER TROUT (Silja Stage)

Es war das erste Mal, dass ich diese Legende live sah und es war eine gewaltige Erfahrung. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll oder wie es überhaupt möglich sein soll, dieses herausragende, magische Konzert zu beschreiben. WALTER TROUT ist einer der besten Bluesmusiker der Welt, mit einer guten Stimme und einem göttlichen Gitarrenspiel. Seine Musik berührt meine Seele. Ich kämpfte beinahe den ganzen Auftritt über damit, die Tränen zurückzuhalten, weil es so unglaublich gut war.

In seiner fünfzigjährigen Karriere war der amerikanische Blueskünstler Mitglied von CANNED HEAT und JOHN MAYALL’S BLUESBREAKERS und er spielte zusammen mit so bedeutenden Musikern wie unter anderem JOHN LEE HOOKER und B.B. KING. Seine Solokarriere begann 1989. Die letzte Aufnahme, „Ordinary Madness“ erschien vor weniger als zwei Jahren. Ein neues Album ist bereits auf dem Weg, „Ride“, das im August erscheinen wird.

Es waren Musik und Texte, die von Herzen kamen. Seine Gitarrensolos waren atemberaubend großartig. Er spielte Songs wie „Wanna Dance“ und „Almost Gone“. „Say Goodbye To The Blues“ war allen gewidmet, die wir verloren haben. Ich fühlte Tränen in meinen Augen und viele um mich herum weinten. Natürlich war es nicht die ganze Zeit über emotional. Es gab auch eine Menge energetischen Blues Rock. Trout war so cool. Er schien sein Gitarrenspiel mit jedem Part und Nerv in seinem Körper abzuliefern. Manchmal stand ich vor Faszination einfach nur mit offenem Mund da. Walter brachte auch das komplette Publikum dazu zu singen und wollte es laut. Mit einem großen Lächeln im Gesicht schrien wir mit.

Der Keyboarder spielte ein kurzes Solo. Schlagzeug und Bass behielten manchmal einen langsamen, aber kraftvollen Rhythmus bei, der durch den Boden und die Zuschauer pulsierte. Ich glaube, die Energie rauschte durch alle Venen, sowohl auf als vor der Bühne. WALTER TROUT spielte manchmal so, dass die Saiten zu glühen schienen. Ich liebte dieses Konzert und war komplett sprachlos. Wenn es möglich wäre, würde ich ihm auf einer Skala von 1 bis 10 eine 12 geben! Wie auch immer, es ist nicht möglich, etwas so fantastisches zu bewerten. Man sollte sich freimachen von allen Gedanken und allem anderen und sich davontreiben lassen und genießen. (Anna)

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MICHAEL MONROE (Sweden Stage)

Verschnaufpause? Essen? Heute alles nicht drin Eigentlich wollte ich die 30 Minuten zwischen HARDCORE SUPERSTAR und MICHAEL MONROE zu letzteren nutzen. Blöd nur, wenn man dringend mal muss und nach dem extrem gut besuchten Gig der vier Schweden sich schon längere Schlangen vor den Klos gebildet haben. Für den Gang zum Pressebereich ist auch keine Zeit mehr. In der Hoffnung, dass der Andrang auf die Porzellanabteilung sich bei der weiter entlegeneren Sweden Stage eher in Grenzen hält, mache ich mich auf in diese Richtung. Weit gefehlt. Also warten, erleichtern und schon gehts weiter.

Auch nicht nur eine Minute der Bande um den finnischen Glam-Rocker hätte ich ich auch verpassen wollen. Die Mannen habe ich nun auch schon unzählige Male live gesehen, wiederum zumeist in ganz kleinen Clubs, die Vorfreude ist wie immer groß. Auch der frühere Sänger der legendären HANOI ROCKS, der mit bürgerlichem Namen Matti heißt, hat inzwischen (kurz nach dem Festival, am 17. Juni) die 60er Marke geknackt - jede Menge runde Geburtstage aktuell. Aber auch er gehört zu der Garde, die noch auf der Bühne rumspringen wie das junge Gemüse. Und man kann ihn sich auch nicht ohne seine immer glamourösen und grellen Outfits mit ordentlich Klimbim vorstellen. Das mag ich voll. Nicht überraschend, dass selbst das Saxofon in einem strahlenden Rot, passend zum Outfit, daherkommt. 

Aber insgesamt tummeln sich da eine ganze Menge Cool Cats in seiner Kapelle: Ob Rich Jones (THE BLACK HALOS) oder Steve Conte (NEW YORK DOLLS, Ex-HANOI ROCKS-Kollege Sami Yaffa - alles einfach echte Sympathieträger, die sichtlich viel Spaß auf der Bühne haben. Insbesondere Michaels Chemie mit Rich und Steve ist bezaubernd. Und überhaupt: Hier gibt es keine Ruhepausen, hier ist immer was los. Einmal erklimmt der Frontmann spielerisch leicht die Traverse, ein anderes Mal sucht er wieder einmal die Tuchfühlung zu seinem Publikum. Und immer ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Und mir schwant schon, dass es eine extrem schwere Auswahl guter Fotos für diesen Bericht und die Galerie geben wird.

Die Band gibt neben eigenen Songs, mit „Motorvatin’“ „Malibu Beach Nightmare“ und „Back to Mystery City“ natürlich auch HANOI ROCKS Klassiker und mit „“Nothin’s Alright“ und „Hammersmith Palais“ solche von DEMOLITION 23 zum Besten. Aber auch das CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL Cover „Up Around the Bend“ darf natürlich nicht fehlen.

Ein großes Wiedersehen und Hallo gibt es mit dem ehemaligen Band-Kollegen Dregen (BACKYARD BABIES, HELLACOPTERS), der zum großen Finale zur Band dazu stößt. Wenn es bis hierin noch nicht erwähnt worden ist, muss es doch noch einmal zu digitalem Papier gebracht werden: Die Skandinavier haben den Rock’n’Roll einfach echt im Blut. Einfach genial und immer wieder ein Fest! Ohne mich mit Superlativen überschlagen zu wollen, war dieser Auftritt ebenfalls einer der großen Highlights des diesjährigen Festivals. Jetzt aber ganz schnell was essen vor dem großen Finale… (Manu)

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GUNS N’ ROSES (Festival Stage)

Stell dir vor du hast vier anstrengende Festival-Tage hinter dir, dir gerade schnell was im Laufen reingewürgt weil der Magen knurrt, Beine und Füsse schmerzen - und dann lässt dich die Band ne gute halbe Stunde warten. Ein kleines Deja vu zum Vortrag, wo bereits IN FLAMES zu spät anfing, aber ok, bei GUNS`N`ROSES hat man nichts anderes erwartet.

Bereits einige Wochen vor dem Festival war ich ziemlich angespannt wegen diesem Auftritt. Denn vermutlich keine Band hat mich als Teenie in den 1990er Jahren so geprägt - und damit meinen weiteren musikalischen Weg maßgeblich vorbestimmt - wie die Combo mit Axl, Slash, Duff, Dizzy und Matt. Da mir bereits lange klar geworden ist, dass die Band die heute den Namen GUNS`N`ROSES trägt, nicht mehr diese Band aus den (sicherlich auch oft glorifizierten) 90ern ist, habe ich mich lange beharrlich geweigert mir Tickets zu kaufen. Und am liebsten hätte ich mich auch auf dem Sweden Rock davor gedrückt. Um die Enttäuschung gering zu halten nahm ich mir vor, dass ich mir eine Cover-Band der damaligen Granden anschauen würde. Bewusste und künstlich herbeigeführte kognitive Dissonanz, funktioniert sogar.

Nun also der verspätete Start. Aber immerhin ließ die Band uns nicht 7 Stunden, sondern nur etwas über eine halbe Stunde warten. Hey, man muss zufrieden sein mit dem, was man bekommt. Eine halbe Stunde kann sich jedoch in dem Zustand ganz schön lang anfühlen. Vermutlich spürte ich in meinem Körper auch hier bereits das Souvenir, was ich mir aus Schweden mitnehmen sollte: Covid. Hooray. Über zwei Jahre dank „Social Distancing“  und Hygienemaßnahmen gut durch die Pandemie gekommen - und zack, hat es dich dann doch trotz Outdoor-Aktivität irgendwann im Sack. Aber zurück zum Headliner des Abends.

Nach einem ellenlangen animierten Intro standen sie dann endlich auf der Bühne. Natürlich war der Bühnenaufbau imposant und die digitale Animation ansprechend. Politisch setzte man ein Zeichen, indem über den Zeitraum des gesamten Konzerts links und rechts jeweils eine Ukraine-Flagge die Bühne säumten. Aber zurück zu dem, was sich da nun auf der Bühne entfalten solle. Auch wenn man schon das ein oder andere aktuellere Foto gesehen hatte, musste man dann doch zweimal hinschauen: „Das da ist Axl Rose?“, „Slash hat aber auch ordentlich gegessen die letzten Jahre“, … Nur Duff McKagan war noch richtig gut mit dem verblassten Bild in Übereinklang zu bringen. Aber ok, Äußerlichkeiten sind ja nur zum geringeren Teil relevant. Wichtig ist, ob die Jungs noch rocken können.

Ich nehme mein Fazit mal vorweg, denn es ist durchaus gemischt. Einerseits war es zum Teil wirklich noch schlimmer als erwartet. Da wäre zum einen die peinlichen Outfits des Frontmanns zu erwähnen. Über die schwarzen Leggings unter den zerrissenen Jeans (Hey, so kalt ist es in Schweden nicht!) könnte man ja noch hinwegsehen. Und es wird ja auch irgendwann „old“ sich über Axl Rose lustig zu machen, so wie dies inzwischen zum Volkssport geworden zu sein scheint. Aber ein sexistisches T-Shirt mit Frauen in Strapsen und ach so lustigen Reminiszenzen an schwedische Pornos und dergleichen („Swedish Massage Parlour“,  „Kitty. Bikini Wax. Fuck“ usw.) nach dem anderen zur Schau zu tragen erinnert dann doch eher an die Boys, die auf dem Ballermann „lustige“ Slogan-Shirts zur Saufparty tragen. Natürlich brauchen wir uns keine Illusionen über Axls Frauenbild zu machen, das ist ja hinlänglich bekannt, aber muss er sich trotzdem wie ein pubertierender Teenie präsentieren? Offenbar muss er.„Use your Illusion“ - Ach, schon lange keine mehr vorhanden.

Noch viel schlimmer aber eigentlich, dass seine Stimme stellenweise überhaupt nicht an die alten Gunners Smashhits erinnerte. Dieses markante, ganz eigene, wo ist das geblieben? Wie kann man sein Gesangsorgan so krass verändern? Das fragte ich mich eine ganze Weile. Aber noch viel schlimmer waren die vielen vielen Texthänger. Wenn ihm mal wieder der Text entfallen war, nuschelte er sich einfach weiter durch die Songs. Sehr hoher Gruselfaktor.

Ein großes Manko war auch, dass die Band zwar trotz Verspätung gut 60 Minuten auf das eigentlich angekündigte Set drauflegte, aber einen großen Teil der Songs im vorderen Feld hätten sie sich eigentlich auch echt schenken können. Vieles davon wollte glaub ich echt keiner hören.

Die Show an sich war zugegebenermaßen extrem gut durchchoreografiert. Es gab viele Momente an denen man schnell merken musste, dass man hier große Musiker vor sich hatte. Trotzdem wollte sich dieses gewisse Gefühl nicht einstellen. Irgendwann wurde mir auch klar woran das lag:  Hier standen ganz viele Individuen auf der Bühne, eine echte Chemie zwischen den Bandmitgliedern, bei der der Funke übersprühte, wollte sich aber überhaupt nicht einstellen. Richard Fortus ist eine ziemlich coole Socke und ein wirklich guter Gitarrist, schien jedoch einfach nicht richtig dazuzugehören. Dizzy fand gefühlt irgendwie so gut wie nicht statt. Frank Ferrer an den Drums konnte mich überhaupt gar nicht von sich überzeugen, mir fehlte hier völlig der Druck unterm Kessel. Und Melissa Reese an den Synthesizern erschloss sich mir auch nicht, sie schien irgendwie nicht wirklich dazuzugehören. 

Aber - und hier komme ich zu dem wo mich die Band dann doch noch positiv überrascht und erreicht hat - es gab sie, diese Momente. Es gab sie mindestens bei „November Rain“ mit Axl am Klavier, ebenso wie bei „Knockin’ on Heaven’s Door“ und „Patience“. Das Intro zu letzteren: Pfeifen kann er noch, aber wie! Es gab sie bei dem ein oder anderen der berüchtigten Solos von Slash. Oder als Axl sich freundschaftlich an Slash lehnte und lächelte.  In diesen Momenten konnte man geradezu spüren, wie groß diese Band mal war. Und damit meine ich nicht erfolgreich. Da war sie kurz, diese Magie, diese Gänsehaut, die ich gefühlsmäßig immer mit der Band verbunden habe. Als dann auch noch ein ganzer Schwarm Möwen zu den Klängen von „Patience“ in den Nachthimmel flog, war dies ein nahezu perfekter Moment. Überraschenderweise auch das „Back in Black“ AC/DC Cover kam richtig gut. 

Zum Schluss wurde es aber noch einmal so richtig langatmig. So atmete ich dann auch erleichtert auf, als zum Abschluss von drei langen Stunden endlich „Paradise City“ erklang, war mir sofort klar, dass hiermit das große Finale (ein gutes) eingeläutet wurde und ich mich in einer Stunde erschöpft und körperlich und mental geschunden im Bett wiederfinden würde. Andererseits verspürte ich da aber auch dieses kleine Glücksgefühl in mir und die Ahnung, dass es vielleicht doch gut war, die Band einmal in meinem Leben live gesehen zu haben. All das passt irgendwie sehr gut zu meiner Ambivalenz gegenüber den Amerikanern insgesamt. Freudentänze gibts hier keine. Allerdings auch: „Don`t you cry-y-y tonight“ - Deal! (Manu)

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(Foto: Tim McWilliams)

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